Probe „3 Musketiere“ in Tecklenburg (Foto: Dominik Lapp)
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Vor der Premiere: Ein exklusiver Blick hinter die Kulissen der „3 Musketiere“ in Tecklenburg

„Einer für alle, und alle für einen!“ Dieser Ausspruch war schon 2010 auf der Freilichtbühne in Tecklenburg zu hören. Jetzt, 14 Jahre später, wird das Musical „3 Musketiere“ von den Brüdern Rob und Ferdi Bolland dort noch einmal gezeigt – anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Bühne allerdings in einer völlig neuen Inszenierung mit einem neuen Kreativteam und anderer Besetzung.

Bevor das Premierenpublikum einen jungen Franzosen namens D’Artagnan auf seinem Weg, ein Musketier des Königs zu werden, begleiten kann, ist aber noch etwas zu tun. In der Bühnenbild-Werkstatt werden die letzten Kulissenteile gebaut und angemalt, in der Schneiderei werden nach der gerade erfolgten Kostümanprobe die letzten Korrekturen durchgeführt, und auf der Bühne steht an dem Abend, an dem unsere Redaktion eine Probe besucht, ein Durchlauf des zweiten Akts auf dem Plan.

So ein Durchlauf ist immer spannend, weil Regisseur und Choreograf dabei erkennen können, wo es noch hakt. Schafft es Bettina Mönch als Milady de Winter in der vorgegebenen Zeit von der einen zur anderen Szene? Oder muss das Orchester vielleicht eine etwas längere Übergangsmusik spielen? Die Laufwege auf und vor allem hinter der 80 Meter breiten Tecklenburger Bühne sind zum Teil sehr lang.

Rückkehr nach Tecklenburg

Weil Intendant Radulf Beuleke nichts dem Zufall überlässt, hat er einen erfahrenen Regisseur engagiert: Andreas Gergen kennt die Tecklenburger Bühne und Gewerke schon aus vielen anderen Inszenierungen, die er hier auf die berühmten Bretter gebracht hat. Außerdem ist ihm das Stück gut bekannt, weil er „3 Musketiere“ bereits 2018 im österreichischen Winzendorf inszeniert hat.

Radulf Beuleke (Foto: Andrew Hill)
Radulf Beuleke ist seit mehr als drei Jahrzehnten Intendant in Tecklenburg.

Nach einer längeren Pause ist Gergen voller Vorfreude ins Münsterland zurückgekehrt. Seine letzte Inszenierung in Tecklenburg war „Don Camillo & Peppone“ im Jahr 2019. Dieses Jahr genießt er es besonders, vier Wochen durchgehend vor Ort zu sein, ohne zwischen verschiedenen Städten zu pendeln. „Es fühlt sich fast wie eine Auszeit an“, sagt er lächelnd. Besonders im Jubiläumsjahr der Freilichtspiele empfindet er es als Ehre, wieder hier zu sein.

Ein Jahr der Vorbereitung

Der viel beschäftigte Regisseur wusste schon seit längerer Zeit, dass er in diesem besonderen Jahr inszenieren würde. „Ich war mit Radulf Beuleke über verschiedene Projekte im Austausch, und ich freue mich, dass es schließlich ‚3 Musketiere‘ geworden ist“, erklärt er. Die Vorbereitungen begannen bereits vor einem Jahr, die Zusammenarbeit innerhalb des Kreativteams empfand er von Anfang an inspirierend und kreativ.

„Ich mache nicht so furchtbar viele Vorgaben, sondern lasse mich vom Team inspirieren“, sagt der gebürtige Saarländer. Wenn er dann die ersten Entwürfe für Bühnenbild und Kostüme bekommt, wird lediglich nachjustiert. „Dann schauen wir gemeinsam: Geht das so? Oder kann man das vielleicht auch noch anders machen?“

Fabienne Ank (Foto: Dominik Lapp)
Kostümbildnerin Fabienne Ank neben ihren Figurinen in der Schneiderei.

Andreas Gergen schätzt die Arbeit von Kostümbildnerin Fabienne Ank und Bühnenbildner Jens Janke sehr. „Beide sind perfekt vorbereitet und unglaublich kreativ“, lobt der Regisseur. „Jens erstellt Animationen, was die Spielorte und Umbauten angeht. In einem Film kann ich so schon Szene für Szene sehen – mit allen Treppen und Elementen, die beweglich sind.“ Alles andere ergebe sich im Verlauf der Proben. „Da schauen wir dann, ob alles im Fluss ist, und man reguliert hier und dort noch mal nach.“

In der Londoner National Portrait Gallery hat sich Fabienne Ank Inspiration für ihre historischen Kostüme mit modernen Elementen geholt. „Außerdem habe ich das Textbuch mehrfach gelesen und die Musik rauf und runter gehört“, berichtet sie. Während die Kostüme für den Chor von anderen Theatern ausgeliehen wurden, fertigte die hauseigene Schneiderei die aufwändigen Kostüme für die Solistinnen und Solisten selbst. Lediglich die Maßstiefel und Hüte für die Musketiere kamen von externen Firmen.

Jens Janke in der Bühnenbild-Werkstatt der Freilichtspiele Tecklenburg (Foto: Dominik Lapp)
Bühnenbildner Jens Janke in der Werkstatt der Freilichtspiele.

Ein frischer Blick auf ein bekanntes Stück

Obwohl Andreas Gergen „3 Musketiere“ bereits 2018 inszeniert hat, bringt er dieses Mal einen neuen Blickwinkel ein. Er hat sich bewusst dafür entschieden, das Stück im Kontext der heutigen Zeit zu betrachten und dabei aktuelle Themen subtil einzubinden. „Es geht darum, was ein heutiges Publikum an dieser Geschichte interessieren könnte, ohne zu sehr zu modernisieren“, erklärt Gergen. „Selbstverständlich bleiben wir aber in der Zeit der Handlung. Das Publikum darf sich also auf ein großes Mantel-und-Degen-Spektakel im Stil des 17. Jahrhunderts freuen.“

Als der Regisseur mit den Vorbereitungen seiner Inszenierung begann, hat er zunächst einmal das Textbuch gelesen und sich dabei ein übergeordnetes Thema überlegt. Anschließend ging die Recherche im Internet, mit Büchern und Filmen los. Ob er das Musical bewusst anders inszeniert als sein Kollege Marc Clear im Jahr 2010? „Der Vorteil ist, dass ich die damalige Inszenierung gar nicht kenne“, sagt Andreas Gergen. „Somit konnte ich ganz frisch und unberührt an den Stoff herangehen.“

Dennoch würde er sich manchmal bei Chormitgliedern, die schon vor 14 Jahren dabei waren, erkundigen, wie es damals gemacht wurde. „Dann sage ich: Okay, dieses Jahr machen wir das anders.“ So können sich auch die Zuschauerinnen und Zuschauer, die das Stück 2010 gesehen haben, auf etwas Neues freuen. Ohne zu viel verraten zu wollen, räumt der Regisseur ein: „Kardinal Richelieu bekommt in der Inszenierung mehr Raum, und D’Artagnan ist nicht mehr so tollpatschig, sondern eine Heldenfigur.“

Tanz als erzählerisches Element

Francesc Abós, der dieses Jahr auch für die Choreografie von „Mamma Mia!“ in Tecklenburg verantwortlich war, bringt erneut seine einzigartige kreative Vision in „3 Musketiere“ ein. Für ihn beginnt die Inspiration mit der Musik. „Ich höre die Musik, schließe die Augen und lasse Bilder entstehen“, beschreibt er seinen kreativen Prozess. „So entstehen in einem Stück manchmal Tanznummern an Stellen, wo man sie nicht erwartet“, schmunzelt der Choreograf.

Andreas Gergen und Francesc Abós (Foto: Dominik Lapp)
Regisseur Andreas Gergen (links) und Choreograf Francesc Abós im Zuschauerraum.

„Ich gehe nie von Schritten aus, sondern überlege mir, welche Emotionen ich beim Publikum auslösen möchte und wie die Geschichte weitererzählt wird“, sagt Abós. Diese Herangehensweise zeigt sich deutlich in den Arbeiten des ausgebildeten Tänzers. Seine Tanzszenen sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern treiben die Handlung voran, wie er schon im vergangenen Jahr mit seiner Arbeit bei „Mozart!“ bewiesen hat.

Die Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Choreograf ist von gegenseitigem Respekt und Offenheit geprägt. Beide betonen, wie wichtig es ist, viel miteinander zu kommunizieren und sich gegenseitig zu inspirieren. „Wir haben beide eine sehr offene Meinung, und das Wichtigste ist, miteinander zu reden und dem eigenen Ego keinen Raum zu geben“, sagt Abós und betont außerdem die Wichtigkeit des Dance Captains, der ihn unterstützt. Bei „3 Musketiere“ ist das Jan Altenbockum, der während unseres Gesprächs auf der Bühne gerade eine Tanzszene mit dem Chor wiederholt.

Die vierte Disziplin: Fechten

Der Chor ist ein besonderes Merkmal der Freilichtspiele Tecklenburg. Die ehrenamtlichen Mitglieder leben ihre Leidenschaft für das Theater aus und zeigen, trotz ihrer unterschiedlichen beruflichen Hintergründe, eine beeindruckende Disziplin und Hingabe. „Sie kommen eine halbe Stunde früher zur Probe, weil sie vorher schon Dinge wiederholen und einstudieren wollen. Das spürt man auch in der Qualität ihrer Performance, die sich nicht von einem professionellen Chor an einem Stadttheater unterscheidet“, lobt der Choreograf. In dieselbe Kerbe schlägt auch der Regisseur: „Der Chor ist Tecklenburg. Der Chor ist fester Bestandteil und hat die Freilichtspiele mitbegründet.“

Ein zentrales Element in „3 Musketiere“ sind die Fechtszenen, weshalb mit Fabian Broermann ein spezieller Fechtcoach hinzugezogen wurde. „Neben Singen, Tanzen und Spielen kommt hier noch eine vierte Disziplin hinzu – das Fechten“, erklärt Francesc Abós. Diese zusätzliche Herausforderung werde von den Mitwirkenden jedoch mit viel Enthusiasmus und Professionalität angenommen, so dass sich das Publikum darauf freuen dürfe, was Andreas Gergen schon zu Beginn des Gesprächs ankündigte: ein großes Mantel-und-Degen-Spektakel.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".