„Elise & Paul“ in München (Foto: MERCUTIOmedia)
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Historie trifft auf Jukebox: Der Schaffensprozess hinter dem Musical „Elise & Paul“

„Elise & Paul“ ist der Titel eines neuen Musicals, das schon einmal als Workshop-Produktion im Silbersaal des Deutschen Theaters München aufgeführt wurde und in Kürze im Kleinen Theater Haar auf die Bühne kommt. Entwickelt von Titus Hoffmann, Laura Oswald und Raphael Binde, nimmt das Stück sein Publikum mit auf eine Reise ins 19. Jahrhundert und erzählt die Geschichte von Elise Kreuzer und Paul von Thurn und Taxis, zwei schillernden Persönlichkeiten, die Theater und Musik lebten und liebten.

„Das Stück wurde in nur vier Wochen von uns gemeinsam entwickelt“, berichtet Titus Hoffmann. Das bedeutet aber nicht, dass die Arbeit unvorbereitet war. „Ich hatte mich in Zusammenhang mit einem anderen Projekt zwei Jahre vorher mit der Thematik befasst und brachte schon eine Menge Hintergrundwissen mit. Laura und Raphael haben aber auch selbst viel recherchiert, Informationen zusammengetragen und eigene Ideen mit einfließen lassen.“ Unter Hoffmanns Anleitung schufen die Künstlerin und der Künstler Buch und Musik. „Beim Schreiben gibt es ein paar Regeln zu beachten, je nachdem, was man erzählen will. Wenn man ohne Rezept drauf los kocht, muss man schon viel Glück haben, damit es am Ende auch schmeckt“, schmunzelt der Kreativkopf mit einem Augenzwinkern.

Faszination der historischen Vorlage

Aber warum wurde gerade die Geschichte von Elise Kreuzer und Paul von Thurn und Taxis als Musical gewählt? „Es sind zwei beeindruckende historische Persönlichkeiten, die sich beide dem Theater und insbesondere auch dem Musiktheater verschrieben hatten“, erklärt Titus Hoffmann. Elise war bekannt für ihre Darstellungen in Hosenrollen und Pauls extravagante Auftritte, wie der als Lohengrin auf dem Alpsee, sind unvergessen. „Richard Wagner höchstpersönlich dirigierte dazu ein 30-köpfiges Orchester, versteckt im Gebüsch am Ufer“, erzählt Hoffmann und bringt damit die Magie dieser historischen Ereignisse lebendig zum Vorschein. Elise Kreuzers Engagement im Actien Theater, Münchens erstem Privattheater, verdeutlicht den gesellschaftlichen Wandel und das neue Selbstbewusstsein des Bürgertums. „Die Protagonisten und die Welt, in der sie sich bewegen, sind daher wie gemacht für die Erzählform als Musical“, ergänzt der Autor und Regisseur.

Titus Hoffmann (Foto: Katharina Karsunke)

Die Idee, eine historische Jukebox-Dramedy zu kreieren, kam aus dem Wunsch, Geschichte für ein junges Publikum zugänglich zu machen. „Junge Menschen entdecken Geschichte und erzählen diese spannend, aufregend und leidenschaftlich“, beschreibt Titus Hoffmann das Konzept. Popmusik-Zitate, die die Emotionen und Motivationen der historischen Figuren spiegeln, schaffen einen direkten emotionalen Zugang zur Vergangenheit. Doch die lustigen Momente bleiben nicht auf der Strecke: „Die Handlung nimmt viele dramatische Wendungen, aber der Humor kommt nicht zu kurz. Es ist eine Achterbahn der Gefühle.“

Herausforderungen in der musikalischen Gestaltung

Die Verschmelzung von Geschichte und Moderne stellte das Team vor einige Herausforderungen. Besonders spannend war die Integration von Briefwechseln zwischen Paul und König Ludwig II. „Zuerst wollten wir sie einfach vorlesen“, erklärt Hoffmann. Doch es zeigte sich, dass Musik die emotionalen Aussagen der Briefe enorm verstärken konnte. Zudem zitiert das Stück historische Musik, etwa von Richard Wagner, um den Kontrast zur modernen Erzählweise zu unterstreichen.

„Elise & Paul“ in München (Foto: MERCUTIOmedia)

Wie hält man die Balance zwischen historischen Fakten und künstlerischer Freiheit? Titus Hoffmann vergleicht den kreativen Prozess mit dem Ausrollen und Ausstechen von Teig: „Man sucht sich aus all den vielen und spannenden Fakten die Punkte heraus, die die Geschichte unterstützen, die wir erzählen wollen.“ Das Team hat sich auf die dramatische Beziehung von Elise und Paul konzentriert und Fakten nicht verdreht, aber ergänzt. „Wir erzählen nichts, was nicht stimmt“, betont der Regisseur. Eine Szene, in der Elise den jungen Ludwig II. mit Paul verwechselt, ist zwar nicht belegt, hätte sich aber aufgrund ihrer Ähnlichkeit tatsächlich so ereignen können. Die behandelten Themen – soziale Ungleichheit, queere Identität und Antisemitismus – bleiben historisch korrekt und sind heute noch hochaktuell.

Emotionale Entwicklung durch Musik

Die Musik im Stück ist nicht nur Beiwerk, sondern trägt entscheidend zur emotionalen Entwicklung der Charaktere bei. Wiederkehrende musikalische Motive verstärken die Dramatik und lassen das Publikum mitfühlen. „So greift Paul die Melodie von ‚Kein Geheimnis zwischen uns‘ in einer Szene wieder auf, um Elise an ihr gemeinsames Versprechen zu erinnern“, erzählt Hoffmann. Diese musikalischen Bezüge sollen Elises innere Zerrissenheit für das Publikum spürbar machen und die Spannung steigern.

Die Zusammenarbeit mit Laura Oswald und Raphael Binde beschreibt Titus Hoffmann als inspirierend: „Ich habe die beiden als super talentierte, intelligente, ausgesprochen gebildete, kreative, kritische, aber respektvolle und hochmotivierte junge Künstler kennen gelernt.“ Auch der Pianist Manfred Manhart und Marianne Larsen von der Theaterakademie August Everding spielten eine entscheidende Rolle in der Entstehung. „Ich liebe es, neue Stücke zu kreieren und dabei mit so klugen und innovativen Kollegen zusammenarbeiten zu dürfen“, berichtet Hoffmann von der intensiven und erfüllenden Arbeit.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".