Von Osnabrück nach Glasgow: Kristina Fehse kann und will mehr als Musical
Sie ging nach Schottland, um mehr „Skills“ zu erlangen: Kristina Fehse, aufgewachsen im Schwarzwald, studierte Musical von 2017 bis 2021 am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück, wo sie unter anderem im Musical „Ruthless!“ zu sehen war. Nachdem sie ihren Bachelor in der Tasche hatte, packte sie ihre Koffer und reiste nach Glasgow, um am Royal Conservatoire of Scotland ihren Master-Abschluss in Musical Theatre Performance zu absolvieren.
Was bei den meisten Studiengängen Gang und Gäbe ist, nämlich nach dem Bachelor-Abschluss noch einen Master dranzuhängen, ist beim Musicalstudium seltener. Viele Absolventinnen und Absolventen drängen direkt nach dem Erststudium auf die Bretter, die die Welt bedeuten, wollen spielen, singen und tanzen. Kristina Fehse hingegen wollte ihre Fähigkeiten noch weiter ausbauen. Deshalb bewarb sie sich für den Master in Schottland und wurde dort am Konservatorium angenommen.
Im englischsprachigen Raum hat Musical einen anderen Stellenwert
„Im Grunde sind die Ausbildungsinhalte in Glasgow sehr ähnlich wie in Osnabrück – mit dem Unterschied, dass uns der Stoff von vier Jahren hier in einem Jahr vermittelt wird. Wir arbeiten in einem immensen Tempo, um so viel Input wie möglich aufnehmen zu können“, erzählt die Künstlerin. „Ich wollte immer schon mal eine Studienerfahrung im Ausland machen, seit ich mit 17 Jahren in Neuseeland war“, sagt Fehse. „Außerdem hat das Genre Musical im englischsprachigen Raum – egal ob in den USA oder in Großbritannien – einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland.“ Deshalb habe sie ihr Handwerk noch einmal aus einer anderen Perspektive lernen wollen.
Wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung
„Das war ein krasser Schritt, überhaupt hierherzukommen.“ Ihre Mitstudierenden kommen nicht alle aus dem Musicalbereich. „Das ist ganz bunt gemischt, manche haben vorher schon Musical studiert, andere Operngesang und wiederum andere etwas Nichtkünstlerisches wie Geschichte oder Literatur. Aber alle sind wirklich sehr begabt.“ Für ihre persönliche Entfaltung findet Kristina Fehse das Ergänzungsstudium sehr gut. „Das war mir bei der Bewerbung noch nicht ganz klar. Doch mit der Zeit wird mir immer bewusster, warum dieses Jahr so wichtig für meine Persönlichkeitsentwicklung ist.“
Auch der Schwerpunkt der Deutschen hat sich in Glasgow verändert. „Ich definiere mich mittlerweile als Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin und würde mich nicht mehr als Musicaldarstellerin bezeichnen.“ Den Begriff finde sie zu eng gefasst für das alles, was jemand könne, der eine Musicalausbildung durchlaufen habe. „Leider ist es im deutschsprachigen Raum immer noch so, dass man als Darstellerin vor allem auf Musical reduziert wird und viel schwerer eine Schauspielrolle bekommt. In Großbritannien oder den USA gibt es diese Abgrenzung gar nicht, da ist man einfach Actor.“
Ohne Agentur keine Audition?
Leichter als in Deutschland ist es in Großbritannien aber auch nicht, um Bühnenjobs zu bekommen. „Der größte Unterschied ist, dass man in Großbritannien ohne Agentur mehr oder weniger verloren ist“, sagt die Künstlerin. „Ohne Agentur bekommt man hier sehr wahrscheinlich keinen Termin zum Vorsingen.“ Die Agentinnen und Agenten auf der Insel sind gut vernetzt mit den Casting-Verantwortlichen und somit ein wertvolles Bindeglied für Künstlerinnen und Künstler.
Doch was plant Kristina Fehse für die Zeit nach ihrem Master? „Das ist zurzeit noch ein großes Fragezeichen“, antwortet sie. „Natürlich würde ich gern in Großbritannien arbeiten, hätte aber auch nichts dagegen, das in Deutschland zu tun.“ Einen Vorteil sieht sie in ihrer Ausbildung in Schottland definitiv: „Weil ich zwei Sprachen fließend spreche, steht mir theoretisch ein viel größerer Markt offen.“ Ein guter Start im englischsprachigen Raum steht ihr sogar bereits bevor, denn im August 2022 wird Kristina Fehse die Rolle der Beth March im Musical „Little Women“ beim renommierten Edinburgh Festival Fringe spielen.
Text: Dominik Lapp