Am Originalschauplatz: In Meppen entsteht ein neues Musical
In der emsländischen Kreisstadt Meppen steht inmitten der Fußgängerzone ein Gebäude, das zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist – das Historische Rathaus mit seinem Stufengiebel. Hinter den geschichtsträchtigen Mauern ist heutzutage ein Restaurant beheimatet, seit ein paar Wochen erklingt dort außerdem Musik. Denn ein siebenköpfiges Ensemble um Regisseur Lars Linnhoff probt für die Uraufführung des Musicals „Bis nach Meppen“.
Doch warum finden die Proben ausgerechnet dort statt? „Es ist ein Musical am Originalschauplatz“, erklärt Komponist Michael Potthast. Ein Musical über ein Restaurant also? „Nicht ganz“, so der Komponist. „Vielmehr ist es ein Musical über Meppen und den fiktiven Abschlussjahrgang des Jahres 1969, der in dem Restaurant ein Klassentreffen veranstaltet.“
Londoner Pubs spielen Musicals
Ursprünglich sollte das Stück in Form einer Revue im Theater aufgeführt werden. Doch dann saß Potthast eines Tages mit Linnhoff zusammen, der gerade aus London zurückgekommen war und davon berichtete, dass es in der britischen Hauptstadt Musicalaufführungen in Pubs gibt. Angetan vom Historischen Rathaus, habe Linnhoff den Wunsch geäußert, das Musical „Bis nach Meppen“ genau dort zur Uraufführung bringen zu dürfen.
„Am Anfang konnte ich mir das gar nicht vorstellen“, erinnert sich der Komponist. Doch er ließ sich von seinem Regisseur überzeugen und schrieb das Stück um. „Einiges musste umgestellt werden, Texte haben sich verändert, Musik ist rausgeflogen.“ Nach den Anpassungen ist es jetzt ein Musical am Originalschauplatz und wird nicht nur im Restaurant aufgeführt, sondern spielt auch genau dort. „Wir bieten ein immersives Theater“, erklärt Lars Linnhoff. „Die Leute werden Teil der Geschichte, ohne selbst aktiv werden zu müssen. Sie bekommen beim Einlass Namensschilder, es werden Speisen und Getränke serviert.“ Lediglich 32 Menschen passen in den Gastraum, in dem das fiktive Klassentreffen stattfindet. Nur acht Vorstellungen wird es im März 2023 geben.
Finanziell nicht realisierbar. Eigentlich.
Eigentlich wäre das Projekt aus finanziellen Gründen gar nicht realisierbar gewesen. Mit einer so übersichtlichen Anzahl an Zuschauerinnen und Zuschauern lassen sich schließlich nicht ausreichend Einnahmen erwirtschaften. Die Lösung: Fördergelder und Sponsoren. Schnell war auch die Theatergemeinde Meppen mit an Bord, so dass die Aufführungen finanziell abgesichert sind.
In „Bis nach Meppen“ wird die Geschichte einer Frau erzählt, die auf der Suche nach ihrer Identität ihr Glück schlussendlich in Meppen findet. Auf amüsante Weise wurden in dieser Story noch Anekdoten der Stadtgeschichte verwoben – so soll das Publikum nicht nur unterhalten werden, sondern auch etwas Trivia über die emsländische Stadt nach Hause mitnehmen.
Wird es ein feucht-fröhlicher Musicalabend?
„Macht es groß, lasst die Stimmung nicht kippen. Denkt daran, dass zu dem Zeitpunkt schon drei Kurze getrunken wurden. Die Stimmung ist also entsprechend ausgelassen“, weist Regisseur Lars Linnhoff seine Leute auf der Probe an. Es scheint, als würde es ein feucht-fröhlicher Musicalabend werden. Dass es sich bei den sechs Frauen und einem Mann, die sich im Casting durchgesetzt haben, um Laien handelt, merkt man nicht. Schnell wird deutlich, dass hier typgerecht besetzt wurde. Emsländische Originale spielen emsländische Rollen, die scheinen, als seien sie ihnen auf den Leib geschrieben worden.
Neben dem Ensemble besteht auch das Kreativteam vornehmlich aus Meppenern: Komponist Michael Potthast und Ideengeber Jens Menke sind in der Kreisstadt schon seit über 20 Jahren als Veranstalterduo bekannt, der viel zu früh verstorbene Librettist Florenz Potthast stammte ebenfalls aus der Stadt. Für die musikalische Leitung und Begleitung am E-Piano konnte dagegen mit Jason Weaver ein waschechter Amerikaner, der in Arizona und Texas studiert hat, gewonnen werden – doch auch er ist mittlerweile Wahl-Meppener und bekannt unter anderem durch seine Tätigkeit für die Emsländische Freilichtbühne sowie als Dirigent der Symphoniker Hamburg.
Regisseur ist Spezialist für Musicals mit Lokalkolorit
Neu im Team ist Lars Linnhoff, der es aus Osnabrück jedoch nicht weit hat und zudem als Spezialist für Musicals am Originalschauplatz und die Zusammenarbeit mit Laien gilt. Als Regisseur verantwortete er nämlich bereits mehrere Inszenierungen auf der Waldbühne Kloster Oesede, wo er 2021 außerdem „History re-imagined“ – ein Abend mit elf Mini-Musicals rund um die Ortsgeschichte Kloster Oesedes – auf die Bühne brachte. Jetzt bringt er seine Erfahrungen im Emsland ein und will mit dem Musical „Bis nach Meppen“ ein immersives Theatererlebnis schaffen. Ob das gelingt, wird sich mit der Uraufführung am 10. März 2023 zeigen. Bis dahin wird in den altehrwürdigen Mauern des Historischen Rathauses noch konzentriert geprobt. Was aber nach einem Probenbesuch schon mal klar ist: Der Song „Home is where the Heart is“ hat das Potenzial zum Ohrwurm und macht neugierig auf die weitere Musik.
Text: Dominik Lapp