Interview mit Bettina Mönch: „Ich möchte aufgehen in der Inszenierung“
Ihren Namen kennt man in der Musicalbranche seit Jahren: Bettina Mönch. Geboren in München und künstlerisch ausgebildet am Konservatorium der Stadt Wien, spielte die Preisträgerin des Bundeswettbewerbs Gesang Hauptrollen in Musicals wie „Aida“, „The Producers“ oder „Evita“ und steht aktuell als Sheila im Rock-Musical „Hair“ bei den Bad Hersfelder Festspielen auf der Bühne. Im Interview spricht die vielseitige Musicaldarstellerin über ihr aktuelles Engagement, das Eintauchen in Rollen, die Nische, die sie bedient und über die Zusammenarbeit mit ihrem Partner, dem Regisseur Gil Mehmert.
Das Musical „Hair“ wurde 1968 uraufgeführt. Warum ist es jetzt, 50 Jahre später, immer noch aktuell?
Immer aktuell und zeitlos ist die Musik, die einfach nichts von ihrer Energie und ihrem Rock’n’Roll eingebüßt hat. Außerdem übt die ganze Hippie-Bewegung noch immer eine gewisse Faszination aus. Und leider sind die Themen Krieg und USA nach wie vor brandheiß. Ganz besonders aber geht es in dem Stück – zumindest in unserer Inszenierung – ja auch um gewaltfreien, friedlichen Widerstand, was hervorragend in die Gegenwart passt. Es ist eine harte Zeit, in der Gewalt an der Tagesordnung steht. Ich habe das Gefühl, dass Gewalt auch durch die Unterhaltungsindustrie gefördert wird. Und deswegen finde ich die Botschaft vom friedlichen Widerstand wirklich schön. Selbst wenn wir in unserer Inszenierung keinen Bezug zur heutigen politischen Lage haben, gibt es viele Aspekte in „Hair“, die universell und gegenwartsnah sind.
Wie sind Sie an „Hair“ herangegangen, vor dem Hintergrund, dass dieses Stück ja schon weltweit unzählige Male inszeniert wurde?
Ich bin an „Hair“ sehr frisch rangegangen und finde es gerade bei diesem Stück gar nicht so schwierig, weil ich es ein paar Mal gesehen habe – und es war immer unterschiedlich. Vor allem ist „Hair“ aber ursprünglich ja mehr oder weniger eine Improvisationsshow gewesen. Unsere Inszenierung ist allerdings anders als andere Inszenierungen. Es ist eine Hommage an die Hippie-Zeit. Deshalb war es für mich nicht schwer, frisch und unbelastet an den Stoff heranzugehen.
Welche Bedeutung hatte der Film von Milos Forman für Ihre Rollenvorbereitung?
In meinem Leben hat der Film eine ganz große Bedeutung, weil ich ihn mit 12 oder 13 Jahren zum ersten Mal gesehen habe und dann eine Hippie-Phase hatte. Ich kenne ihn in- und auswendig. Wie es wahrscheinlich vielen Leuten geht, die den Film vor dem Musical sahen, habe ich, als ich „Hair“ zum ersten Mal auf der Bühne gesehen habe, die Story total vermisst. Das war damals, als ich das Stück auf der Bühne sah, zwar sehr gut und mitreißend, aber eben nicht die Handlung aus dem Film. Ich denke, dass in der Bad Hersfelder Inszenierung von Gil Mehmert Charaktere geschaffen wurden, mit denen man mitgehen kann – obwohl es auch anders ist als der Film. Gerade meine Rolle der Sheila ist ja ganz anders. Im Film ist Sheila anfangs gar kein Hippie und im Musical ist sie von Anfang an ein Hippie – aber von der intellektuellen Seite, also eine Studentin, die die politische Seite der Hippies vertritt.
Wie passen denn Hippies und die Stiftsruine zusammen?
Total super! Ich finde, das Stück passt perfekt in die Stiftsruine. Das ist eine einzigartige Atmosphäre. Besser geht’s gar nicht.
Und wie ist es, bei hochsommerlichen Temperaturen auf einer Freilichtbühne zu spielen?
Das Stück verlangt uns alles ab. Selbst bei normalen Temperaturen ist „Hair“ für uns Darsteller ein Höllenritt. (lacht) Es ist das anstrengendste Stück, das ich bisher gespielt habe. Da kann ich besser eine Doppelshow „Evita“ spielen, was nicht so zermürbend ist wie eine „Hair“-Vorstellung.
Krass. Das würde man gar nicht denken.
Ja, das hatte ich auch nicht gedacht. Aber es ist wirklich ein Höllenritt. Vor dem Sommer habe ich noch gehofft, dass es nicht so kalt wird wie seinerzeit bei „Cabaret“, als wir das in Bad Hersfeld gespielt haben. Da hatten wir nämlich einige Regenvorstellungen, wo es nur in Strapsen bekleidet und durchnässt tierisch kalt war. Jetzt ist es das Gegenteil. Ich bin ein Mensch, dem es eigentlich nicht heiß genug sein kann, aber diesen Sommer habe sogar ich mal genug von der Hitze. (lacht) Bei den Temperaturen ist es einfach viel schwerer zu spielen.
Ihr Partner Gil Mehmert hat „Hair“ in Bad Hersfeld inszeniert. Ist das ein anderes Arbeiten als sonst? Trennen Sie Privates und Berufliches dabei?
Ich würde gar nicht sagen, dass wir Privates und Berufliches strikt trennen. Wir reden auch privat ganz viel über Theater. Es ist toll, mit ihm zu arbeiten. Wir haben uns ja auch bei der Arbeit kennen gelernt. Und es ist schön, dass wir sehr gut miteinander harmonieren, beruflich wie privat. Wir brüllen uns nicht an. Weder auf der Probe noch zu Hause. Wir sprechen eine Sprache, ich verstehe seinen Geschmack und verstehe, was er von mir als Künstlerin will. Dadurch ist es ein sehr angenehmes Arbeiten.
Sie sind ja nahezu permanent im Job, spielen eine Rolle nach der anderen, müssen dadurch viel reisen. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut? Gibt’s da nicht die Angst vor einem Burn-out?
Nein, gar nicht. Ich habe eher Angst, dass irgendwann nichts mehr nachkommt. Man weiß als Künstlerin ja nie, ob es immer so weitergeht. Wenn man tolle Angebote bekommt, möchte man sie auch annehmen und diese Jobs machen. Es gab super anstrengende Phasen, als ich zum Beispiel in Städten gespielt habe, die keinen Flughafen haben. Da sitzt man dann sehr lange im Zug, was ich als sehr anstrengend empfinde. Aber ich liebe meinen Beruf. Und schöne Rollen zu spielen, finde ich so toll, dass es jede Anstrengung wert ist. Ich hoffe, dass es so weitergeht.
Nimmt man als Künstlerin eigentlich alles mit, was so an Rollen angeboten wird?
Nein, ich nehme nicht alles mit. Aber ich habe einfach das Glück, dass ich immer sehr interessante Angebote bekommen. Ich glaube, es war noch nichts dabei, das ich aus Desinteresse abgelehnt habe. Mich haben irgendwie immer die richtigen Dinge gefunden.
Hand aufs Herz: Müssen Sie zu Auditions gehen oder bekommen Sie gezielte Angebote?
Ich habe das große Glück, dass ich wenig zu Auditions gehen muss. Das ist schön und wirklich ein ganz großer Vorteil. Gerade im Stadttheaterbereich ist es von Vorteil, wenn einen die Häuser, die Intendanten und Regisseure kennen. Viele nehmen dann gern ihre bewährten Leute, was sehr angenehm für mich ist.
Welche Rolle hat Sie in den letzten Jahren am nachhaltigsten beeindruckt und warum?
Auf jeden Fall Evita, weil ich diese Rolle in den letzten vier Jahren in drei verschiedenen Inszenierungen gespielt habe. Mit der Rolle habe ich mich viel beschäftigt und aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, was drei Inszenierungen einfach mit sich brachten. Jeder hat ja eine andere Sicht auf so eine Rolle. Aber für mich ist es eine der größten Rollen, die ich bislang gespielt habe und ich habe sie sehr liebgewonnen. Als Evita bin ich fast ununterbrochen auf der Bühne, singe sehr viel und kann viele Facetten zeigen. Das hat mich schon sehr nachhaltig beeindruckt. Eine weitere Rolle, die mich nachhaltig beeindruckt hat, ist Sally Bowles in „Cabaret“. Es ist mein Lieblingsstück und ich wollte es immer spielen. Dass ich das dann in der Stiftsruine spielen durfte, war wirklich eines meiner Highlights.
Beschäftigen Sie sich bei Rollen wie Evita auch sehr stark mit der Biografie der wahren Person, die Sie spielen?
Ja, ich habe mehrere Biografien über Evita gelesen. Dazu kommt, dass das Stück in seiner Struktur durchkomponiert ist und rein musikalisch dem Charakter schon viel vorgibt. Ich finde, es ist sehr treffend komponiert für diese Figur. Evita ist eine harte Frau, die sich von ganz unten nach oben gekämpft hat mit den Mitteln, die eine Frau zu der Zeit in Argentinien hatte. Diese Willensstärke von Evita ist nicht unbedingt immer sympathisch – und es ist gewissermaßen eine Gratwanderung, die man schaffen muss. Aber ich liebe, dass sie bis zum Schluss diese Verbissenheit hatte. Es ist sehr besonders, das zu spielen und sich in diese Rollen hineinzufühlen.
Wirft man einen Blick in Ihre Vita, erkennt man einerseits einen Hang zu komödiantischen Rollen und zum anderen zu Stücken, die man als Klassiker bezeichnet, wie zum Beispiel „Anything Goes“, „Singin’ in the Rain“ oder „On the Town“. Ist das gewollt oder Zufall?
Zufall ist das sicher nicht. Ich verkörpere einen sehr speziellen Typ. Und weil ich ein Talent zur Komik habe, bin ich eben für Rollen wie Irene („Crazy for You“) oder Ulla („The Producers“) prädestiniert. Ich denke mal, das hat mit meiner äußeren Erscheinung und meiner Ausstrahlung zu tun. Wobei ich sagen muss, dass ich diese Rollen wirklich gern spiele. Und obwohl sie alle in eine Richtung gehen, sind die Rollen ja doch sehr unterschiedlich. Ich habe also nicht das Gefühl, immer das Gleiche zu spielen. Und was die Stücke angeht: Ich glaube, dass meine Stimme gut für diese Stücke passt. Außerdem mag ich diese Stücke, obwohl ich keine klare Präferenz habe. Ich mag also genauso Rock-Musicals wie „Hair“. Diese Vielfalt ist das, was meinen Beruft ausmacht und was ich so sehr liebe. Es hat sich aber wohl so entwickelt, weil in den alten Musicals oft so genannte „Triple Threats“ gefragt sind, die also gleichwertig singen, tanzen und spielen können. Das ist eine Nische, in die ich ganz gut passe. Somit hat es sich also von selbst so ergeben, aber ich liebe es auch.
Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie eine Rolle spielen?
Der Optimalzustand ist für mich, wenn ich total eintauche in die Figur, das Stück und das ganze Gefüge. Ich muss voll eintauchen in die Inszenierung, die ich gerade spiele und denke dabei gar nicht an das Publikum und auch nicht an mich. Ich möchte aufgehen in der Inszenierung. Deshalb bin ich auch gar nicht so scharf darauf, eine Soloshow zu machen. Ich bin nicht gern ich auf der Bühne, sondern mag es, in eine Rolle und eine Welt einzutauchen. Natürlich möchte ich aber auch, dass das Publikum ebenfalls in diese Welt eintaucht. Was ich dagegen schwierig finde, ist Zuschauer-Interaktion. Das reißt mich so aus meiner Welt raus.
Interview: Dominik Lapp