Interview mit Dieter Falk: „Chöre haben mich mein ganzes Leben begleitet“
Mit „Bethlehem“ wurde die traditionelle Weihnachtsgeschichte in ein modernes Chormusical verwandelt. Im Interview gibt Komponist Dieter Falk Einblicke in die Entstehungsgeschichte, spricht über die Bedeutung von Laienchören und seine persönliche Verbindung zur Weihnachtszeit. Außerdem verrät er, wie die Zusammenarbeit mit seinem Sohn Paul neue musikalische Impulse brachte.
Wie kam die Idee zum Chormusical „Bethlehem“ zustande, und was hat dich dazu inspiriert, die Weihnachtsgeschichte in diesem Format zu erzählen?
Die Idee kam von Michael Kunze, der mir 2017 auf einer gemeinsamen Zugfahrt von Hamburg nach Berlin sagte, dass er gern ein modernes Weihnachtsoratorium schreiben würde. Uns beiden war natürlich klar, dass es mit Bachs Weihnachtsoratorium ein monumentales Vorbild gibt. Aber der Gedanke, die Weihnachtsgeschichte in ein modernes Musical zu übertragen und in die heutige Zeit zu transportieren, fanden wir beide äußerst spannend. Es war schnell klar: Let’s do it!
Wie lief anschließend die kreative Zusammenarbeit zwischen euch beiden ab?
Wir trafen uns zu Beginn einige Male, um die Grundidee und den Aufbau des Stücks zu besprechen, aber Michael ist der Storyarchitekt. Er entwickelt also den Plot mit den handelnden Personen und schreibt dann das Libretto. Gemeinsam haben wir über die musikalische Untermalung der Akteure gesprochen. Da Michael in Hamburg wohnt und ich in Düsseldorf lebe, lief der Austausch anschließend überwiegend digital. Ich habe ihm meine ersten musikalischen Ideen als MP3s geschickt – oft mit improvisierten englischen Texten oder Tonsilben. Michael hat daraufhin die endgültigen Texte verfasst und zurückgeschickt. Danach habe ich die Stücke erneut aufgenommen, und so gingen die Lieder mehrmals hin und her, bis sie final standen. Wie auch bei den Vorgängerstücken „Die 10 Gebote“ und „Luther“ war der Prolog die aufwändigste Anfangsarbeit. ImFall von „Bethlehem“ war der Prolog dann auch gleich der Titelsong.
Was macht die Musik von „Bethlehem“ besonders? Gibt es bestimmte musikalische Elemente oder Stilrichtungen?
Wie bei allen Chormusicals, die ich bisher mit Michael geschrieben habe, spielt auch bei „Bethlehem“ das Gospelelement eine zentrale Rolle. Neben vielen Neukompositionen haben wir bekannte Weihnachtsmelodien neu arrangiert. Michael hat darauf neue Texte geschrieben. Zum Beispiel ist „Maria durch den Dornwald ging“ ein zentrales Lied, das unsere Maria für ihr neugeborenes Kind singt. Prophetisch vorausschauend auf eine schwere Zukunft, singt sie dann „Du wirst stets mein Kind sein“. Andere Beispiele sind „Adeste Fidelis“ oder „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, die ich neu arrangiert habe. Außerdem haben wir „Joy to the World“ aus dem angelsächsischen Repertoire aufgenommen, das bei uns „Freue dich, Welt“ heißt. Zusätzlich haben wir einen neuen Choral komponiert, der sich wie ein roter Faden durch das Musical zieht. Uns ist wichtig, mit Reprisentechniken zu arbeiten, damit der Zugang zum Stück durch die wiederkehrenden Melodien einfacher wird. Zuletzt hat mein Sohn Paul einige Melodien beigesteuert.
Das Musical wird in jeder Stadt von Chören aus der jeweiligen Region aufgeführt. Wie wichtig ist dir die Einbindung von Laienchören?
Das ist für uns absolut zentral! Ich komme selbst aus der Chorszene – meine Mutter leitete einen gemischten Chor, in dem ich schon als Kind mitsang. Vor dem Stimmbruch im Sopran und Alt, danach im Tenor und Bass. Mit 16 gründete ich zusammen mit meinem damals 18-jährigen Bruder Martin einen Gospelchor in unserer Kirche. Chöre haben mich mein ganzes Leben begleitet, und auch in meiner Karriere als Produzent haben Background Vocals immer eine wichtige Rolle gespielt. Selbst als ich bei „Popstars“ in der Jury saß und mit den Damen von „Monroes“ gearbeitet, waren Gospelchöre immer ein Teil der Produktionsarbeit. Die Leidenschaft für Chöre war also immer da, und deshalb habe ich damals die Idee der Stiftung Creative Kirche, mit „Die 10 Gebote“ ein Chormusical zu schreiben, sehr gerne aufgenommen. Auch dort war Gospel schon die zentrale musikalische Stilrichtung.
Wie stellt ihr sicher, dass die musikalische Qualität bei den Laienchören trotz unterschiedlicher Probenorte gewährleistet ist?
Das war tatsächlich eine unserer größten Herausforderungen, als wir 2009 anfingen. Es funktioniert so: Die Sängerinnen und Sänger, die zum Teil lange nicht mehr in Chören gesungen haben, bereiten sich anhand der Noten und Übungs-CDs vor, auf denen die jeweilige Stimme laut gemischt ist. Dieses Material hören die Teilnehmenden oft monatelang, teilweise auf dem Weg zur Arbeit. Ich kenne witzige Storys, wo im Hochsommer im Auto mit runtergekurbelten Scheiben Weihnachtslieder gesungen werden und bei roten Ampeln natürlich für interessante Reaktion der nebenstehenden Autoinsassen sorgen. Überall entstehen so genannte Projektchöre, denen man sich anschließen kann, die aber meist mit sechs bis sieben Probeneinheiten auskommen. Die beiden großen gemeinsamen Proben im direkten Vorfeld der Show sind dadurch äußerst effizient, weil alle bereits sehr gut vorbereitet sind. Das hat uns von Anfang an positiv überrascht.
Wie ist deine persönliche Verbindung zur Weihnachtsgeschichte?
Ich komme aus einem christlichen Elternhaus, und die Kirche war für mich immer auch eine Art erste Bühne. Weihnachten ist für mich ein traditionelles Fest und eine Zeit der Besinnung. Nach einem oft sehr anstrengenden Jahr ist es eine Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Zeit mit Familie und geliebten Menschen zu verbringen. Für mich gehört zu Weihnachten auch ein Gottesdienst mit Weihnachtsliedern und einer hoffentlich guten Predigt. Bei uns zu Hause läuft übrigens das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach in Dauerschleife.
Bei „Bethlehem“ hast du mit deinem Sohn Paul zusammengearbeitet, mit dem du außerdem das Musical „Maria Theresia“ geschrieben hast, das nächstes Jahr in Wien zur Uraufführung kommt. Paul hat früher bereits bei deinen Werken „Die 10 Gebote“ und „Luther“ auf der Bühne gestanden, ihr hattet außerdem zusammen mit deinem weiteren Sohn Max die Combo „Falk & Sons“. Wie ist es, mit Familienmitgliedern gemeinsam künstlerisch zu arbeiten?
Es ist ein großes Privileg. Die Zusammenarbeit begann tatsächlich durch eine verrückte Idee eines Theaterintendanten, der vorschlug, unsere Kinder für ein Schulkonzert mitzunehmen. Obwohl sie damals keine begeisterten Übenden waren, haben sie auf der Bühne schnell gemerkt, wofür man übt – und das Feuer war entfacht. Daraus entstand unser Act „Falk & Sons“, der uns zehn Jahre lang begleitet hat. Beide Kinder wohnen noch in Düsseldorf, wir sehen uns häufig – Weihnachten sowieso. Bei unseren gemeinsamen Treffen – manchmal zweimal in der Woche – entstehen neue musikalische Ideen. Max ist mittlerweile Arzt, hört aber alle Produktionen von Paul und mir und gibt Feedback. Dass Paul in der Musik landen würde, war schnell klar. Er hat zwar eine Schauspielausbildung absolviert, ist jetzt aber Komponist und Produzent, arbeitet für Künstler wie Helene Fischer, Roland Kaiser oder Howard Carpendale. Und ich freue mich sehr, dass wir weiterhin gemeinsam Projekte umsetzen können. Bei „Bethlehem“ hat Paul immer in die Stücke reingehört, mitarrangiert und zwei Nummern beigesteuert, bei „Maria Theresia“ war es dagegen von Anfang an ein richtiges Teamwork.
Interview: Dominik Lapp