Interview mit James Edgar Knight: „Ich bin besessen von der Oper“
Der Tenor James Edgar Knight ist voller Leidenschaft für die Oper. Er gehörte fast zehn Jahre lang zu Opernensembles in Karlsruhe, Chemnitz und Osnabrück, wird fortan aber freiberuflich arbeiten. Im Interview spricht der Australier über seine Initialzündung, intensive Studienjahre in New York und bedeutende Engagements in Deutschland sowie über die Herausforderungen und Freuden seines Berufs.
Warum bist du Opernsänger geworden?
Ich habe als Kind Geige gelernt und zehn Jahre lang gespielt. Wir spielten eines Tages mit unserem Orchester und Chor im Opernhaus von Sydney. Da war auch ein professioneller Sänger dabei, ein Tenor. Er trug die traditionelle Kleidung, wie man sie von Tenören wie Luciano Pavarotti kannte, mit dem Taschentuch und dem Glanz. Ich war total fasziniert davon. Zu dieser Zeit hatte ich noch nicht gesungen, sondern nur Geige gespielt und auch in Theaterstücken mitgespielt. Ich war immer sehr am Theater interessiert und liebte es, auf der Bühne zu stehen. Die Musik, die vom Orchester kam, hat mich fasziniert. Ich dachte mir, ich würde lieber das tun, was der Tenor da vorne macht, anstatt im Orchester zu sitzen. Der Klang seiner Stimme, der den ganzen Raum erfüllte, war für mich unglaublich.
Studiert hast du in New York. War von Anfang an klar, dass du Tenor bist?
Ja, ich kam nach New York, um Musik zu studieren. Ich habe mich an Konservatorien beworben und wurde an der Mannes School of Music für den Bachelor und dann an der Juilliard School für meinen Master aufgenommen. Ich kam mit wenig spezifischer Ausbildung als Bariton an. Viele Stimmen beginnen als Bariton, und dann entscheidet der Lehrer, ob man ein Tenor, Bass oder Bariton ist. Mein Lehrer hat mich hoch und runter auf dem Klavier singen lassen und entschieden, dass ich ein Tenor bin. So fing das an.
Wie kam es dazu, dass du von New York nach Deutschland gegangen bist?
Als ich an der Juilliard School war, habe ich ein Sommerprogramm in Neumarkt in Bayern gemacht, die Internationale Meistersinger Akademie. Ich war drei Sommer dort, jeweils sechs Wochen intensives Training, Unterricht, Coachings, Konzerte und Meisterkurse. Das war meine erste Erfahrung in Deutschland, und ich habe es wirklich geliebt. Die Landschaft, die Kultur, die Menschen, die Musik und die Wertschätzung für Oper und Gesang haben mich beeindruckt.
Es folgten feste Engagements in Karlsruhe und Chemnitz, zuletzt in Osnabrück. Welche Highlights gab es in drei Spielzeiten am Theater Osnabrück?
Ein besonderes Highlight war die Titelpartie in „Peter Grimes“. Das war eine unglaubliche Erfahrung. Es ist eine fantastische Oper und eine erstaunliche Rolle. Von all den Rollen, die ich bisher gespielt habe, wahrscheinlich um die 30 Opern mit verschiedenen Charakteren, ist „Peter Grimes“ die Nummer eins für mich. Ich denke, das wird auch lange so bleiben. Vom Anfang bis zum Ende ist die Reise dieses Charakters, das Hinabgleiten in den Wahnsinn, sehr interessant. Die Musik von Britten ist auch unglaublich. Jede Aufführung war ein absolutes Vergnügen für mich, und ich war sehr glücklich damit.
Ein weiteres Highlight war „Don Carlo“, eine wirklich schöne Oper von Verdi und wohl auch eine der besten. Wir haben die italienische Version in vier Akten gespielt, die ich der französischen Fassung in fünf Akten vorziehe. Wir hatten ein Ensemble, das fast vollständig aus Mitgliedern des Hauses bestand. Nur eine Gastrolle war dabei. Das war auch ein stolzer Moment für mich und das Ensemble, dass wir eine solche Oper ohne viele Gäste auf die Bühne bringen konnten. Ich denke, es war eine großartige Erfahrung für uns alle, dieses Ensemblegefühl aufzubauen.
Aber auch der Eisenstein in „Die Fledermaus“ ist mir in guter Erinnerung geblieben. Es war meine erste Operette mit Dialogen auf Deutsch, was sehr schwierig war. Es erfordert viel Mut, auf der Bühne eine Sprache zu sprechen, die nicht die eigene ist. Es kann passieren, dass man etwas vergisst oder improvisieren muss. Auf Englisch ist das für mich kein Problem, aber auf Deutsch ist es eine andere Geschichte. Ich lerne meine Texte auswendig und wiederhole sie immer wieder, damit sie in meinem Kopf bleiben. Wenn etwas schiefgeht und ich das Falsche sage, kann das beängstigend sein, aber es war eine großartige Erfahrung. Eisenstein war auch ein sehr lustiger Charakter. Er denkt, er sei der klügste Mann im Raum, ist es aber eigentlich nicht. (lacht)
Ein weiteres Highlight war die Zusammenarbeit mit Susann Vent-Wunderlich. Diese Kollegin ist fantastisch, ich schätze sie sehr. Sie hat eine großartige Stimme, und wenn wir zusammen die hohen Töne singen, geben wir uns gegenseitig die Energie, die wir brauchen. Generell war die Zusammenarbeit mit dem Ensemble in Osnabrück wunderbar. Ich kam mit dem Intendantenwechsel ans Haus, viele im Ensemble waren neu. Mit jedem Stück haben wir uns besser kennen gelernt und sind zusammengewachsen. Das war etwas Besonderes.
Gab es am Theater Osnabrück bei den Proben eine bestimmte Arbeitssprache oder wechselte das?
Meistens war es auf Deutsch. Aber normalerweise fingen wir auf Deutsch an und irgendwie sprachen wir alle am Ende der Probe Englisch. (lacht)
Künftig wirst du als freischaffender Sänger arbeiten, aber weiterhin in Osnabrück wohnen. Hast du Lieblingsorte in der Stadt?
Osnabrück ist eine wunderschöne Stadt – klein, aber fein. Einer meiner Lieblingsorte ist wohl das Nettebad. Ich liebe es, denn ich schwimme schon mein ganzes Leben lang. Als Kind war ich oft im Wasser, wie viele Australier. Wir sind eben umzingelt von Wasser. (lacht) In meiner Schulzeit war ich im Schwimmteam und habe an Wettkämpfen teilgenommen. Das Nettebad ist schön, weil sie ein großes Schwimmbecken haben, aber auch Wasserrutschen und eine Sauna. Das gefällt mir sehr. Ein weiterer Ort, an dem man mich oft findet, ist die Altstadt, besonders der Bereich zwischen Dom und Rathaus. Ich esse gerne im Ratskeller, wo es fantastisches deutsches Essen gibt. Ich mag aber auch das Hotel Walhalla und die Gegend zwischen Katharinenviertel und Westerberg. Es ist ein sehr schöner Teil der Stadt, und wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe, gehen wir oft zum Westerberg, wo es schöne Häuser gibt. Wir laufen dann oft bis zum Rubbenbruchsee.
Ein Festengagement am Theater bedeutet Sicherheit, was das Einkommen betrifft. Warum ist es der richtige Schritt, jetzt freischaffend zu arbeiten?
Ich bin seit 2015 in festen Ensembles gewesen. Ich denke, nach fast zehn Jahren ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um freischaffend zu arbeiten. Für junge Sänger ist es fantastisch, in einem Ensemble zu sein, um sich zu entwickeln, die Technik zu verbessern und Bühnenerfahrung zu sammeln. Man lernt so unglaublich viel. Aber jetzt freue ich mich, dass ich mich auf spezifischere Rollen konzentrieren kann, die zu meiner Stimme passen.
Dein nächster Job führt dich nach Dänemark, wo du an der Nationaloper in Aarhus den Manolios in „The Greek Passion“ singen wirst. Die Rolle hast du bereits in Osnabrück gesungen. Wie sehr freust du dich auf diesen weiteren Kontakt mit der Partie?
Ich habe die Rolle wieder studiert – und es war fantastisch, wieder zu ihr zurückzukehren. Wenn man eine Partie schon mal gemacht hat und sie dann eine Zeit lang hat ruhen lassen, ist es wirklich interessant und macht Spaß, sie neu zu entdecken. Ich liebe das Stück, ich liebe die Musik. Manolios ist eine fantastische Rolle. Deshalb freue ich mich, es in Dänemark wieder zu machen und mit neuen Leuten zusammenzuarbeiten. Einige Kollegen, wie Rhys Jenkins als Priester, werden zurückkehren. Aber da der größte Teil der Besetzung neu ist, wird es spannend in einer anderen Konstellation von Mitwirkenden und Stimmen.
In der kommenden Spielzeit wirst du außerdem noch den Canio in „Pagliacci“ am Theater Altenburg Gera singen. Es ist dein Haus- und Rollendebüt. Wie bereitest du dich vor?
Ich lerne momentan alles. Man kann eine Oper nicht in einer Woche lernen. Also kann man schon, aber sollte man nicht. Ich lasse mir deshalb so viel Zeit wie möglich und lerne langsam die Rolle, die Musik, die Worte, bringe alles in meine Stimme, in meine Technik. So bin ich gut vorbereitet, wenn die Proben beginnen.
Wie wichtig ist ein Management für einen Sänger und wie kommt man als freischaffender Opernsänger an neue Jobs? Ist das Management dafür wichtig?
Sehr wichtig. Als ich nach Karlsruhe kam, hatte ich keinen Manager. Ich habe diesen Job allein bekommen, habe viele E-Mails an verschiedene Häuser geschickt, gerade als ich meinen Abschluss an der Juilliard School gemacht habe. Ich habe meinen Lebenslauf und einige Aufnahmen geschickt und um ein Vorsingen gebeten. Nicht alle haben geantwortet, aber einige schon, und ich hatte Glück. Ich habe mit einigen Agenturen und Managern zusammengearbeitet, und sie sind sehr wichtig für die Organisation von Vorsingen, Verträge und alles andere. Es ist nicht möglich für mich, die Bayerische Staatsoper anzurufen und zu sagen, dass ich dort singen möchte. So funktioniert das nicht. Die Agenten finden heraus, welche Rollen in verschiedenen Häusern noch besetzt werden müssen, rufen an oder schicken E-Mails und organisieren ein Vorsingen. Sie sind die Vermittler zwischen den Häusern und Sängern.
Welche Rolle spielen Kritiken? Manchmal sieht man auf Webseiten von Opernsängern Zitate aus Kritiken. Ist das etwas, womit man sich einfach schmückt, oder ist das vielleicht sogar etwas, was bei Jobvergaben eine Rolle spielt?
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie sehr das eine Rolle spielt. Es ist immer schön, eine gute Kritik zu bekommen. Ich teile positive Kritiken vielleicht auf Facebook oder Instagram, um sie meinen Freunden und meiner Familie zu zeigen. Ich habe Familie auf der ganzen Welt, in den USA, in Australien. Es ist schön für sie, etwas Nettes zu lesen, das über mich geschrieben wurde. Ob Kritiken für Casting-Direktoren wichtig sind, weiß ich nicht. Wenn ich eine Oper besetzen würde, würde ich den Sänger bei einem Vorsingen hören oder mir eine Aufführung mit ihm ansehen und meine eigene Entscheidung treffen.
Gibt es Traumpartien, die du noch singen möchtest?
Ja, natürlich. Ich liebe die Oper, ich bin besessen von der Oper. Man muss auch besessen davon sein, um das beruflich zu machen. Natürlich habe ich Träume für die Zukunft in Bezug auf Repertoire und Rollen. Die Geschichte der Oper ist so wichtig. Sie besteht seit 400 Jahren. Ich schaue immer in die Vergangenheit und versuche zu verstehen, wie die Tenöre vor mir es gemacht haben. Eine Traumrolle für mich ist die Titelpartie in Verdis „Otello“, aber ich bin dafür noch etwas zu jung. Man muss seine Stimme und sein Repertoire langsam aufbauen. Eine andere Traumrolle ist Siegmund in Wagners „Die Walküre“. Mein Hund, eine Französische Bulldogge, heißt Siegmund – nach der Opernfigur. Im Moment freue ich mich sehr auf Canio in „Pagliacci“.
Interview: Dominik Lapp