Interview mit Jennifer Haben: „Wacken war schon ziemlich fett“
Sie ist zierlich, rockig und laut: Die Sängerin Jennifer Haben ist die Frontfrau der Symphonic-Metal-Band „Beyond the Black“. Als Kind sang sie im Kirchenchor, lernte mehrere Instrumente, gewann Gesangswettbewerbe und sammelte Erfahrungen in der Mädchenband „Saphir“. Seit 2014 ist sie nun der Kopf von „Beyond the Black“, die regelmäßig auf dem „Wacken Open Air“ auftreten und unter anderem schon Support-Act für „Aerosmith“, „Scorpions“ und „Within Temptation“ waren. Im Interview spricht Jennifer Haben darüber, welche Rolle Musik in ihrem Leben spielt, was Metalheads auszeichnet und warum ihre Teilnahme an dem TV-Format „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ kein Stilbruch war.
Jennifer Haben, erst sind Sie mit „Beyond the Black“ vor 75.000 Menschen beim „Wacken Open Air“ aufgetreten, eine Woche später dann vor 2.000 Menschen beim Festival „Hütte rockt“. Das ist schon ein Unterschied, oder?
Das ist natürlich ein riesiger Unterschied. Auch wenn man Clubshows spielt. Das ist immer komplett anders, weil man bei einer Clubshow viel näher dran ist an den Leuten. Das kann total geil sein, wenn man hört, wie die ganze Halle laut mitsingt. Das hört man auf der Bühne eher, als wenn ganz viele Leute ganz weit weg stehen und mitsingen. Es ist intimer bei Clubkonzerten und kleinen Festivals. Aber Wacken war natürlich auch geil, das war mega big. Das kann man kaum in Worte fassen, weil man es erst nach dem Auftritt wirklich realisiert. Das ganze Wochenende war auch total stressig, weil wir da Promo-Marathon gemacht haben. Erst danach haben wir das realisiert. Da denkt man dann auch: Wow, das war echt fett. Wir haben uns danach die Aufzeichnung angesehen – das sieht dann noch mal größer aus als von der Bühne. Da sind wir schon ziemlich stolz drauf. Also Wacken war schon ziemlich fett. Trotzdem treten wir auch total gern auf kleineren Festivals wie „Hütte rockt“ auf.
Geht man da anders ran?
Nein, man geht da nicht anders ran. Klar ist Wacken etwas Besonderes, weil es auch so was wie unsere zweite Heimat geworden ist. Aber die Leute wollen hier wie da eine Show – und die bekommen sie.
Woher kommt eigentlich die Begeisterung für Metal?
Wow, schwierige Frage! Ich glaube, dass Metal ein gutes Ventil sein kann. Ich beobachte immer, dass die Metalheads die liebsten Menschen der Welt sind. Und ich glaube, dass Metal ein Ventil sein kann, um das Brutale rauslassen und sich komplett von allem freimachen zu können. Das ist ein Gefühl von Freiheit. Metalheads sind einfach eine große Familie.
Also sind Metalheads tolerant?
Metalheads sind tolerant gegenüber allen, die ihre Musikrichtung gut finden. Aber klar kann man auch mal beobachten, dass die Toleranz hier und da schwindet, wenn es musikalisch zu sehr in den Mainstream oder Kommerz geht – zumindest bei den Leuten, die sich als „true“ bezeichnen.
Sie haben als Kind im Kirchenchor gesungen, später in einer Mädchenband. Aber jetzt ist Jennifer Haben die Frontfrau einer Metalband. Das ist schon ein krasser Fachwechsel. Wie kam es dazu?
Ich war schon ganz früh ganz offen gegenüber allen Musikrichtungen. Das bin ich auch heute noch. Als ich angefangen habe, selber Musik zu machen, habe ich versucht, herauszufinden, wo ich möglichst alles zeigen kann, was in mir steckt. Das konnte ich bei Symphonic Metal extrem gut. Hier kannst du die harten Powernummern genauso spielen wie Balladen – da verlieren selbst Metalheads auch mal eine Träne. Deshalb passt Metal für mich extrem gut, weil ich alles zeigen kann.
Sie singen aber nicht nur, sondern spielen auch mehrere Instrumente.
Richtig. Ich spiele Gitarre, Klavier und Saxofon.
Dann muss Musik in Ihrem Leben eine wirklich große Rolle spielen.
Absolut. Für mich gab es nie etwas Anderes in meinem Leben außer Musik und meine Familie. Das ist bis heute so geblieben. Ich studiere außerdem Musikwissenschaft, also auch etwas mit Musik. Mein ganzes Leben ist voll mit Musik. Ich glaube auch nicht, dass ich irgendetwas anderes hätte machen können. Schon früher in der Schule hatte ich die ganze Woche voll mit Musik. Ich hatte Bandprobe, bin zum Klavierunterricht gegangen, habe Saxofon gelernt, bin zum Chor gegangen, habe getanzt und hatte am Wochenende Auftritte mit meiner Band. So war mein ganzes Leben immer schon voll mit Musik. Und ich wollte das unbedingt machen. Also eigentlich wollte ich auch noch Querflöte lernen. Aber meine Eltern meinten dann irgendwann, dass ich mich mal auf die Sachen konzentrieren soll, die ich habe. Mich musste man da schon ziemlich bremsen.
Zuletzt waren Sie in dem TV-Format „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ auf VOX zu sehen. Was haben Sie daraus mitgenommen, und wie wichtig war Ihre Teilnahme, um Metal vielleicht auch einer breiten Masse schmackhaft zu machen?
Ich nehme mit, dass es unheimlich wichtig ist, offen gegenüber anderen Genres zu sein. Das war ich zwar immer schon. Aber die Sendung hat mir einfach noch mal gezeigt, dass man Dinge nicht wertschätzen kann, wenn man zu verschlossen ist. Ich habe danach so viele Kommentare gelesen von Leuten, die geschrieben haben, dass sie nie zuvor Metal gehört haben und dass sie sich jetzt auch mal Musik von anderen Metalbands angehört haben. Die fanden das megageil und wussten gar nicht, dass Metal auch in so eine symphonische Richtung gehen kann. Das fand ich total wichtig, und deswegen habe ich das auch so gern gemacht.
War das denn nicht eine Art Stilbruch?
Nein, das war kein Stilbruch. Ich war ja für mein Genre da und habe gezeigt, was mein Genre kann. Und es war total interessant, auch mal in andere Sachen reinzuschnuppern. Es war einfach ein Türöffner, und ich wurde sehr positiv überrascht.
Aber es gab auch negative Stimmen über Ihre Teilnahme. Oder nimmt man das gar nicht wahr?
Doch, das nimmt man schon wahr. Magazine haben auch geschrieben, wie man stolz sein kann, an so einer Sendung teilzunehmen. Das ist ja kommerziell und so. Aber das finde ich schade. Die Musik verändert sich doch nicht, weil ich da mitmache. Unsere Fans von „Beyond the Black“ haben das gut aufgenommen und unterstützt. Aber wenn andere Leute in dem Genre meinen, sie dürfen ihre Bands in Käfige sperren, finde ich das schade. Ich schreibe ja auch niemandem vor, welche Bands man hören darf und welche nicht.
Wird man als Frau in der Szene eigentlich gut behandelt?
Ich werde super behandelt. Sowohl in der Band als auch in der Szene. Natürlich muss man beweisen, dass man musikalisch hart genug ist für dieses Genre. Aber als Frau hat man es im Metal schon gut. Die Leute wissen, dass wir ordentlich die Hütte abreißen können. (lacht)
Interview: Dominik Lapp