Louisa Heiser (Foto: Dominik Lapp)
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Interview mit Louisa Heiser: „Unsere Premiere fand unter Polizeischutz statt“

Sie ist noch relativ frisch im Geschäft, hat aber schon in einigen Musicals auf der Bühne gestanden: Louisa Heiser schloss 2020 ihre Musicalausbildung ab und übernahm seitdem Rollen in „Blues Brothers“, „Saturday Night Fever“, „Hair“, „Jesus Christ Superstar“, „Hairspray“, „Cabaret“ und „Ghost“. Im Interview spricht sie über ihre aktuellen Engagements in „Sister Act“ und „Parade“, über Alltagsrassismus, colourblind Casting und darüber, warum die „Parade“-Premiere in Regensburg unter Polizeischutz stattfand.

Dieses Jahr warst du schon in den Musicals „Hairspray“, „Sister Act“, „Ghost“ und „Parade“ zu sehen. Alles an verschiedenen Orten, darunter eine Tour. Bist du ein Organisationstalent?
Ja, eigentlich müsste ich meinen Wohnsitz bei der Deutschen Bahn anmelden, weil ich fast nur im Zug bin. (lacht) Es ist viel zu fahren, aber ich habe einen Kalender und eine Exceltabelle – damit funktioniert es ganz gut.

„Sister Act“ hast du in Wiesbaden gespielt, aktuell spielst du die Show in Meppen. Musstest du die Rolle der Deloris trotzdem noch mal neu erarbeiten oder einfach abrufen?
Ein paar Sachen wurden geändert, aber im Grunde sind beide Inszenierungen identisch. Einige Chorstellen wurden zum Beispiel geändert, so dass ich die Lead Voice anpassen musste. Was irritierend war, sind die weiten Wege. Die Freilichtbühne Meppen ist sehr groß, deshalb funktionieren die Schritte, die ich in Wiesbaden gegangen bin, nicht mehr. (lacht) Es hat aber nicht lange gedauert, mich daran zu gewöhnen. Interessanter war dagegen mein Walk-in in Ulm, wo ich als Deloris eingesprungen bin. Das war eine andere Inszenierung, wo viel geändert und gestrichen wurde.

Wie läuft so was? Wirst du angerufen und gefragt, ob du einspringen kannst?
Dort war es so, dass sie bereits eine Besetzung für Deloris hatten, die jedoch abgesprungen ist. Jetzt haben sie zwei Darstellerinnen gefunden, die sich die Rolle teilen. Aber weil die gleichzeitig Sperrtermine haben, wurde ich gefragt, ob ich einspringen kann.

Was ist das Spannende an Deloris van Cartier?
Am spannendsten finde ich ihren Zwiespalt, wenn sie am Ende merkt, dass sie zu ihren Klosterschwestern gehört und dort Freunde hat. Jedes Mal, wenn Curtis reinkommt und sie erschießen will, muss ich bei der Zeile „Meine Schwestern sind mir nah, wenn ich sie brauche, sind sie da“ mit den Tränen kämpfen. Das kommt automatisch, weil die Geschichte in dem Moment so schön ist.

Auch bei „Parade“ in Regensburg stehst du auf der Bühne. Wie ist es, bei einer so selten gespielten Produktion mitzuwirken?
Das war superspannend und das erste Mal, dass ich eine Erstaufführung gespielt habe. Es ist eine echte Ehre, auch weil es parallel am Broadway läuft und sonst nirgends auf der Welt. Es war wirklich schön, das Stück entstehen zu sehen und in diesem tollen Bühnenbild zu spielen.

Das Broadway-Revival von „Parade“ wurde von Störungen durch Neonazis begleitet. In Regensburg soll es im Vorfeld der Premiere auch einen Vorfall gegeben haben. Kannst du das näher ausführen?
Ja, unsere Premiere fand unter Polizeischutz statt. Ich habe auf Facebook Nachrichten von einem sehr rechts orientierten Menschen erhalten, wo er fragte, wie wir denn so eine „Geschichte von einem jüdischen Kinderschänder“ auf die Bühne bringen könnten. Da er sich auch telefonisch beim Theater meldete, wurde das an die Polizei weitergegeben, wo man das sehr ernst nahm. Letztendlich ist nichts passiert, aber es hat mich trotzdem sehr irritiert.

In deiner Instagram-Story hast du kürzlich von einer Situation im Zug mit Alltagsrassismus erzählt. Wie oft sind People of Color eigentlich solchen Situationen ausgesetzt?
Ich persönlich öfter als man denkt. Es ist eher unterschwellig, also nicht so, dass man direkt das N-Wort an den Kopf geschmissen bekommt. Das ist mir, glaube ich, nur einmal im Leben passiert. Aber man wird anders wahrgenommen, wenn man einen Raum betritt, man wird anders angesprochen, anders kontrolliert. Das habe ich leider öfter als ich es mir wünschen würde. Ich hoffe, dass sich das bessert, wobei es mittlerweile schon besser ist als noch vor ein paar Jahren.

Und wie ist das im Job? Erlebt man da Alltagsrassismus? Wird man da anders behandelt oder wahrgenommen?
Unter den darstellenden Personen nicht. Ich kann nur für Schwarze Frauen sprechen, bei Männern weiß ich es nicht. Aber bei Frauen ist es so, dass man anders angesehen wird. Es heißt, dass wir sowieso gut singen können. Also wird gefordert, dass wir alle Songs immer auf eine eins bringen. Sei es beim Proben oder sonst wo. Das ist nicht immer, aber manchmal, dass mit einer PoC-Darstellerin anders gearbeitet wird als mit einer hellhäutigen.

Glücklicherweise bewegt sich im Musicalgeschäft mittlerweile ein bisschen. Rollenbilder werden geöffnet, es wird diverser gecastet, aber es ist sicher noch viel zu tun. Was ist das Wichtigste, das sich noch ändern muss?
Es wäre am wichtigsten, dass man nicht nach Farbe oder Aussehen besetzt. Zumindest dann nicht, wenn es ohnehin keinen historischen Background gibt. Man sollte – egal ob Asian, Black/White oder sonst was – einfach besetzen, wie es am besten passt, wie die Stimme am besten passt. Das wäre schön, wenn sich das ändert. Ja, hier bewegt sich bereits was, aber es ist noch schleppend.

Wenn man deine letzten Rollen betrachtet, sind das alles Charaktere, die klassischerweise mit People of Color besetzt werden. Nun sagst du, solange es keinen historischen Hintergrund gibt, sollte colourblind besetzt werden. Aber „Hamilton“ hat uns ja eines Besseren belehrt. Also historische Vorbilder hin oder her: Müsste es nicht auch möglich sein, dass du mal eine Kaiserin Elisabeth spielst?
Es wäre superschön! Ich weiß nicht, ob das in Deutschland zeitnah passiert – in den USA oder Großbritannien sicher eher. Ich glaube, in dieser Hinsicht sind wir hier noch etwas hinterher. Außerdem würde es sicherlich Gegenstimmen geben, die sagen, dass sich PoC-Darstellende dann nicht beschweren dürfen, wenn umgekehrt auch Rollen wie eine Aida mit hellhäutigen Menschen besetzt werden. Bei einem Stück wie „Hairspray“ würde es nicht wirklich passen, wenn Motormouth Maybelle mit einer hellhäutigen Darstellerin besetzt wäre, die davon singt, wie Schwarze unterdrückt werden. Oder wenn Jim Conley in „Parade“ singt, dass Schwarze versklavt sind. Man müsste einen Mittelweg finden und zumindest bei manchen Rollen etwas offener sein, was die Besetzung betrifft. Ich finde es zum Beispiel supercool, dass Eliza Doolittle in „My Fair Lady“ mit PoC-Kolleginnen besetzt wurde.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".