Interview mit Carolina Walker: „Ich freue mich über inspirierende Begegnungen“
Sie ist eine talentierte Newcomerin: Carolina Walker schloss zwar erst im Sommer 2016 ihr Musicalstudium in Osnabrück ab, stand aber schon in einigen Rollen auf der Bühne. So sah man sie unter anderem als Kate Monster in „Avenue Q“ (Hagen), als Nellie in „Jekyll & Hyde“ (Osnabrück) und als Camila in „In the Heights“ (Hagen). Mit der Mrs. Lovett in der Oldenburger Inszenierung von „Sweeney Todd“ vertraute man ihr direkt nach dem Studium eine sehr anspruchsvolle und herausfordernde Rolle an. Anschließend kam, ebenfalls in Oldenburg, die Maria Magdalena in „Jesus Christ Superstar“, worauf als nächstes die Rolle der Blanche in „Bonnie & Clyde“ am Theater Lüneburg folgt. Außerdem sang Carolina Walker bei der Gala „Next Generation“ und war zweimal im Finale des Bundeswettbewerbs Gesang. Im Interview spricht sie über Glücksmomente und ihre ersten Rollen.
Wann wussten Sie, dass Sie Musicaldarstellerin werden möchten?
Ich wusste das relativ spät und habe das Studium erst mit 22 Jahren angefangen. Ich war zwar auf einer Waldorfschule und hatte da auch immer viel Spaß an den Schulmusicals und Theaterstücken. Aber das zu studieren, war sehr weit weg für mich. Ich wollte Medizin studieren, hatte nur ganz am Anfang mal überlegt, Schauspiel zu studieren. Doch dann bin ich da mehr oder weniger hineingestolpert. Ich habe nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr und anschließend ein Vorbereitungsjahr fürs Studium gemacht. Beworben habe ich mich nur am Institut für Musik in Osnabrück und wurde da auch prompt angenommen. Es war also kein vorgepflasterter Weg, aber ich bin ihn gegangen und es hat alles geklappt.
Sie haben vor zwei Jahren Ihren Musicalabschluss in Osnabrück gemacht und seitdem schon einige Rollen gespielt. Welche sind die Momente, an die Sie gern zurückdenken, wenn Sie die letzten zwei Jahre Revue passieren lassen?
Das sind vor allem die Glücksmomente, wenn man einen Anruf bekommen hat wegen der Zusage einer Rolle. Das ist toll, wenn man so einen Anruf mit einer positiven Nachricht bekommt. Dann weiß man, dass sich die schweißtreibende Ausbildung, die Auditions und die vielen Reisen gelohnt haben. Das ist eine schöne Bestätigung und man weiß, dass man gesehen wird. Die größte Herausforderung nach der Ausbildung ist nämlich, dass man sich erst einmal im Audition-Dschungel zurechtfinden muss. Ich brauchte da ein bisschen Übung, bis ich sagen konnte: Okay, jetzt habe ich mich mal so präsentiert, wie ich es mir vorgestellt habe. Es sind erst zwei Jahre bei mir, aber das Ende des Studiums und die ersten Rollen gingen bei mir Hand in Hand. Und weil ich bis jetzt oft eher ältere Rollen gespielt habe, war ich immer froh, wenn man mir diese Rollen schauspielerisch abgenommen hat. Schöne Erinnerungen habe ich außerdem an Premierenfeiern, das Ensemblegefühl in Produktionen und die ersten Freundschaften, die sich durch Ausbildung und Job ergeben haben. Ich freue mich immer über tolle Menschen und inspirierende Begegnungen.
Sie haben es selber schon angesprochen, dass Sie zuletzt Rollen gespielt haben, für deren Profil Sie eigentlich noch zu jung waren. Das waren Camila Rosario in „In the Heights“ und Mrs. Lovett in „Sweeney Todd“. Versucht man da auf alt zu spielen oder eher natürlich zu bleiben?
Ich musste es schnell knicken, auf alt zu spielen – wegen meiner Stimme. Meine Stimme kann nämlich sehr bissig und hell sein. Aber wiederum strahle ich eine gewisse Wärme und Weiblichkeit aus. Also habe ich versucht, warme Töne zu finden, um die Mutter in „In the Heights“ zu spielen. Bei „Sweeney Todd“ war ich dagegen ganz froh, dass mein Sweeney auch nicht sehr alt war. Also haben wir im Spiel miteinander eher eine Natürlichkeit gefunden. Sobald man eine Situation begriffen hat, entsteht auch von ganz allein etwas, um möglichst authentisch zu spielen.
Musicals wie „In the Heights“ und „Sweeney Todd“ unterscheiden sich ziemlich stark, allein schon musikalisch. Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, die Balance zwischen solch unterschiedlichen Produktionen zu halten? Spielt und singt man Stephen Sondheim anders als Lin-Manuel Miranda?
Ich möchte das gar nicht so grob voneinander trennen. Aber „In the Heights“ hatte viel mit Herz und Gemeinschaft zu tun. Allerdings war gerade mein Song sehr sprechnah und darin ging es darum, jemandem eine richtige Ansage zu machen. Das wiederum war gar nicht so weit weg von Mrs. Lovett. Generell sind Sondheims Werke schon sehr intelligent und man muss es als Künstlerin haargenau verstanden haben und immer auf der Hut sein. Bei „In the Heights“ konnte man sich einfach mehr reinwerfen.
Hat man eigentlich nur eine beschränkte Auswahl bei Rollen, wenn man erst zwei Jahre im Job? Nimmt man da alles, was kommt?
Ich finde, es klingt zu hart, wenn ich jetzt sagen würde, dass ich nehme, was kommt. Ich bin der Meinung, es kommt immer das, was kommen soll. Bis jetzt war es zumindest so und ich bin bislang ganz gut damit gefahren. Wenn etwas gar nicht passt, sollte man es einfach nicht machen. Mich reizt ein Sondheim-Stück genauso wie etwas Modernes. Grundsätzlich mag ich einfach gute Geschichten, die clever geschrieben sind.
Aktuell spielen Sie wieder die Maria Magdalena in „Jesus Christ Superstar“ in Oldenburg. Die Inszenierung ist kein Kostümschinken, sondern recht modern gehalten. Wer ist Maria Magdalena in dieser Inszenierung?
Maria Magdalena ist in der Oldenburger Inszenierung ein Teil der Soulgirls. Und es ist ein riesiges Event, wenn die einzige weibliche Solorolle in dem Stück singt. Denn „Jesus Christ Superstar“ ist ja ein unglaublich männerlastiges Stück. Es gibt nur Männer, jeder Jünger hat einen Namen. Und dann gibt’s da Maria Magdalena und die Soulgirls. Von daher ist es eine echt große Verantwortung, die ich in dieser Rolle habe. Ich verkörpere eine Weiblichkeit, die eine Art Füllmasse oder Kissen zwischen den rockigen Momenten der Show ist. Trotzdem gibt es einen Beschützerinstinkt in mir und ich fühle mich als Löwin, die für Jesus kämpft und ihn zu schützen versucht. Weil der aber in seiner eigenen Welt lebt, ist das für mich wie ein Kampf gegen Windmühlen.
Ist es Maria Magdalena, die einen Keil zwischen Jesus und Judas treibt?
In gewisser Weise schon. Aber sie macht das nicht absichtlich oder mit bösen Hintergedanken. Sie hat ein reines Herz, liebt Jesus und will ihn beschützen. Judas hat ein Problem mit ihr. Er sagt, dass sie stört. Er hat das Gefühl, dass er durch Maria Magdalena seinen besten Freund verliert. Deshalb ist sie wie ein Blitzableiter für Judas, der seine ganze Wut an ihr ablässt. Trotzdem versucht sie, zu vermitteln und läuft dabei gegen Wände oder kämpft wie gesagt gegen Windmühlen.
„Jesus Christ Superstar“ wurde in Oldenburg zunächst im Theater gespielt, dann ist die Produktion aufgrund von durchzuführenden Brandschutzmaßnahmen vom Theater in ein Zirkuszelt an den Hafen gezogen. Mittlerweile wird wieder im Theater gespielt. Inwiefern war die Produktion im Zelt anders?
Ich hatte das Gefühl, dass im Zelt alles etwas natürlicher war, weil das Publikum näher dran war und um die Spielfläche herumsaß, wie es beim Zirkus üblich ist. Es gab also nicht die klassische Guckkastenbühne. Deshalb musste man nicht so viel zu einer Seite senden, weil die Leute total nah dran waren und das Geschehen sehr direkt aufnehmen konnten, sie wurden fast Teil der Geschichte.
Interview: Dominik Lapp