Interview mit Dominik Hees: „Musik spielt für mich die größte Rolle“
Er ist gebürtiger Kölner und ein richtiges Musikgenie: Dominik Hees begann im Alter von fünf Jahren, Klavier zu spielen. Später brachte er sich Schlagzeug, Gitarre und Bass selbst bei. Er stand schon früh auf der Musicalbühne, übernahm tragende Rollen in Produktionen wie „Das Wunder von Bern“ oder „Artus – Excalibur“ und spielt jetzt Charlie Price in dem gefeierten Hamburger Musical „Kinky Boots“. Im Interview spricht er über sein Faible für Schuhe, seine Rolle in „Kinky Boots“ und wie es ist, als Mann auf High Heels zu laufen.
In Ihnen schlummerte sicher schon immer ein Faible für Schuhe. Und jetzt freuen Sie sich doch bestimmt, dass Sie bei „Kinky Boots“ den Beruf des Musicaldarstellers mit der Leidenschaft für Schuhe verbinden können, oder?
Ich hatte tatsächlich ein Faible für Schuhe. Für schöne braune, klassische Herrenschuhe hatte ich schon immer ein Faible. Und meine Lieblings-Anzugschuhe sehen sogar fast genauso aus wie die, die wir bei „Kinky Boots“ in der Fabrik herstellen. Nur sind meine mehr wie ein Halbstiefel.
In Kinky Boots geht’s aber nicht nur um Schuhe. Worum geht’s denn genau?
In „Kinky Boots“ geht es um Akzeptanz gegenüber anderen, Akzeptanz darüber, wer man selbst ist. Es geht darum, den Spaß am Leben zu behalten und durch Liebe und Akzeptanz zu einem glücklichen Leben zu finden.
Sie spielen in der Show Charlie Price. Was ist Charlie für ein Charakter?
Charlie Price ist am Anfang der Geschichte verloren. Er weiß nicht genau, was er will und lässt sich leiten von den Erwartungen anderer, wie seiner Verlobten und seinem Vater. Er ist hin- und hergerissen und möchte eigentlich nicht in Northampton bleiben und die Schuhfabrik des Vaters übernehmen. Dann stirbt sein Vater und Charlie wird vor die Aufgabe gestellt, diese Firma irgendwie zu retten. Er scheint aber gegen eine Wand zu laufen und weiß nicht, wie er das hinkriegen soll. Er ist jemand, der überhaupt keinen Durchblick hat. Und dann trifft er Simon, eine Drag Queen aus London. Durch diese Begegnung findet er zu der Erkenntnis und zur Kraft, die er braucht, um die Fabrik zu retten.
Ist eine Rolle wie Charlie nur eine Rolle wie jede andere oder gibt es vielleicht sogar Parallelen? Denn Charlie ist ja eine Figur aus dem Hier und Jetzt, im Gegensatz zu anderen Rollen, die Sie gespielt haben, wie beispielsweise Rum Tum Tugger in „Cats“ oder Lancelot in „Artus“.
Es ist eine sehr reale, menschliche und direkte Geschichte, die wir erzählen. Das Stück lebt von dem Herz und der Direktheit zwischen Charlie und Simon. Es ist sehr penibel an den Dialogen gearbeitet worden und die größte Aufgabe war es, so echt wie möglich zu sein in einer kunterbunten Show. Ich glaube, das ist die große Stärke von „Kinky Boots“, dass sie eben mit Kostümen, Licht und Choreografie unterhält, aber eben auch mit einer berührenden und echten Männerfreundschaft.
„Kinky Boots“ basiert auf einer wahren Begebenheit. Spielt man so ein Stück anders als ein rein fiktives Stück? Versucht man, der Person, die man spielt, besonders gerecht zu werden?
Ja, „Kinky Boots“ beruht auf einer wahren Begebenheit. Es gab ja auch einen Film dazu, aber die Bühnenfassung ist ein bisschen anders. Für mich ist sehr hilfreich, dass das Set, in dem wir spielen, sehr detailliert gearbeitet ist und dass die ganze Umgebung sehr real wirkt. Dadurch ist es relativ einfach, sich da hineinzufinden.
Wenn man sich Ihre Vita durchliest, stellt man fest, dass Sie schon sehr früh Musik gemacht und in Bands gespielt haben. Musik scheint also schon immer eine große Rolle in Ihrem Leben gespielt zu haben.
Ja, eigentlich die größte Rolle. Musik und Sport waren immer die Sachen, die ich am meisten gemocht habe. Auch schon in der Schule – oft zum Leid meiner Lehrer. Aber ich war im Kopf immer bei meiner Band oder beim Fußball oder beim Triathlon. Und Musik war von Anfang an, als ich vier oder fünf Jahre alt war, ein Bestandteil in meinem Leben. Ich wollte auch Musik studieren und bin dann schon zum Musical gekommen, bevor ich es überhaupt studieren konnte. Das war sehr früh und mehr oder weniger durch einen Zufall. Ich habe früher Musical im Amateurbereich gemacht und es einfach ausprobiert bei einer Audition für eine professionelle Produktion. Das hat dann geklappt und ich habe zwei, drei Jahre später immer noch daran gedacht, vielleicht doch noch mal das Handwerk von Grund auf zu lernen, Schauspiel oder Musik oder Musiktheater zu studieren. Aber irgendwie bin ich doch dabei geblieben, mich in dem Job weiterzubilden.
Dann muss es beim Musical „Das Wunder von Bern“ ja ein kleiner Traum gewesen sein, das Thema Fußball mit Musik verbinden zu können.
Ja, das war ein Traum in vielerlei Hinsicht. Weil Fußball und Musiktheater miteinander vereint waren. Dann die Rolle, die ich kreieren konnte und wo mir alle Freiräume gelassen wurden. Ich konnte mich unglaublich austoben und habe mich mit dem Regisseur und dem ganzen Team so gut verstanden und mich wohlgefühlt. Es war am Ende auch noch eine grandiose Show. Das war der Sechser im Lotto für uns als Schauspieler in einem Long-Run-Musical, wo man das achtmal pro Woche reproduzieren musste. Es war ein Geschenk, so ein Stück zu haben und zur Arbeit zu gehen, aber gar nicht das Gefühl zu haben, zur Arbeit zu gehen. Es war ein Ort, wo man sein Hobby ausleben konnte.
Wie Ihr Kollege Gino Emnes hatten Sie schon vor Ihrem Engagement bei „Kinky Boots“ Erfahrung mit High Heels. Denn wie Gino haben auch Sie den Frank’n’Furter in der „Rocky Horror Show“ gespielt. Das Laufen auf hohen Schuhen müsste Ihnen also leichtfallen.
Erstaunlicherweise ja. Wie ich mal gehört habe, ist es für Männer sowieso einfacher, auf hohen Schuhen zu laufen, als für Frauen. Das hat wohl mit der Achillessehne zu tun, die bei Männern anscheinend flexibler ist. Als ich das erste Mal auf High Heels stand, musste ich wirklich hart trainieren. Das hat auch einfach nach einer halben Stunde so wehgetan, dass man sich gar nicht mehr auf den Text konzentrieren konnte, weil man nur noch an die Füße gedacht hat. Man hat bei jedem Schritt den Schmerz gefühlt. Doch es ist wie mit jeder Sache: Es erfordert einfach unheimlich viel Arbeit. Und man muss vielleicht auch mal über den Schmerz hinwegsehen. Irgendwann gewöhnt sich der Körper nämlich daran, wenn man vier oder fünf Wochen lang jeden Tag drei bis vier Stunden am Stück auf diesen Schuhen steht. Das wird zu einer beiläufigen Sache. Man spürt die Füße zwar immer noch, aber man ist davon nicht mehr ganz so abgelenkt.
Ist es denn schwieriger, richtig auf High Heels zu laufen oder wie in der Mailand-Szene in „Kinky Boots“ so zu tun, als könnte man gar nicht auf so hohen Schuhen laufen?
Die Mailand-Szene am Ende musste ich auch erst mal üben, also das Unbeholfene und Stolpern. Aber der Regisseur hat mir das vorgemacht und ich habe ihn einfach imitiert. Daraus ist dann etwas Lustiges erstanden. Aber es stimmt – wenn man gelernt hat, auf den Schuhen zu laufen, ist es fast schwieriger, so auszusehen, als könnte man es nicht.
Interview: Dominik Lapp