Sabrina Weckerlin (Foto: Dominik Lapp)
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Interview mit Sabrina Weckerlin: „In voller Montur in den Petersdom“

Sabrina Weckerlin stammt aus Furtwangen im Schwarzwald und absolvierte ihre Ausbildung zur Musicaldarstellerin an der renommierten Joop van den Ende Academy in Hamburg. Ihre erste Hauptrolle, die Constance in „3 Musketiere“, spielte sie bereits während ihrer Ausbildung. Später folgten Hauptrollen in Musicals wie „Elisabeth – Die Legende einer Heiligen“, „Wicked“, „Die Päpstin“ oder „Marie Antoinette“. Im Interview lässt sie den Sommer 2012 noch einmal Revue passieren und blickt zurück auf die beiden großen Rollen, die sie in diesem Jahr gespielt hat: Johanna in „Die Päpstin“ und Margrid Arnaud in „Marie Antoinette“.

Die Doppelbelastung, jeweils eine Hauptrolle in zwei großen Musicals zu spielen, gehört nun – zumindest für das Jahr 2012 – der Vergangenheit an. Wie fühlen Sie sich?
Ich fühle mich gut. Ich hatte nach dem riesigen Pensum ja die Chance, alles herunterzufahren. Und jetzt bin ich auf Konzerttournee und habe sehr viel Spaß dabei. Ich war schon nach der Dernière von „Marie Antoinette“ echt traurig, weil mir die Rolle der Margrid sehr am Herzen liegt und ich auch schon 2009 sehr traurig war, als es in Bremen endete. Deshalb war ich echt glücklich, dass ich die Chance bekommen habe, dieses Jahr wieder Margrid, aber dazu auch noch Johanna in „Die Päpstin“ spielen zu können. Der Sommer 2012 war eine tolle Erfahrung für mich, und es war auch meine erste Freilichterfahrung. Ich bin glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte, sowohl in „Marie Antoinette“ als auch in „Die Päpstin“ zu spielen. Aber dennoch war es in der Tat eine Doppelbelastung. Vor allem das Pendeln zwischen Fulda und Tecklenburg war hart. Wenn ich schon zehn Shows auf dem Buckel hatte und dann wieder anreisen musste, um in der nächsten Produktion Vollgas zu geben, hat mich das viel Kraft gekostet. Aber ich bin erstaunt, wie gut es lief. Ich war zwar immer sehr müde, aber es ging mir dabei gut.

Zwei Rollen wie Margrid und Johanna parallel zu spielen, ist nicht alltäglich. Weibliche Rollen sind im Musical ohnehin rar, und wenn man älter wird, wird es noch schwieriger, eine Rolle zu bekommen. Haben Sie sich also gedacht, Sie nehmen einfach alles mit, solange Sie jung sind?
Ach, ans Älterwerden denke ich noch gar nicht. Ich bin auch nicht so ein Mensch, der Trübsal bläst, wenn man mal kein Engagement hat. Ich habe viele Projekte und begeistere mich auch für viele andere Dinge, die nicht unbedingt etwas mit Musicals zu tun haben. Von daher mache ich mir auch keinen Stress. Aber natürlich war es von den Rollen her gesehen ein Luxusproblem, und da darf ich mich nicht beschweren. Deshalb habe ich mir auch den Stress angetan und beide Rollen gespielt. Es wäre nicht infrage gekommen, Abstriche zu machen und zu sagen, dass die eine Rolle besser als die andere ist. Das waren zwei riesige Projekte, und ich bin unendlich dankbar, dass sich die Produzenten beider Musicals auf dieses Wagnis eingelassen haben. Manchmal hätte ich mir aber einen Fahrer gewünscht, der mich zwischen Tecklenburg und Fulda hin- und hergefahren hätte. (lacht)

In diesem Jahr spielte „Die Päpstin“ nicht nur in Fulda, sondern erstmals auch in Hameln. Haben Sie von der Stadt auch etwas mitbekommen?
Ja, ich habe super viel mitbekommen von Hameln. Die ersten drei Tage war ich nur für Promotion- und Pressetermine dort und habe auch eine Stadtführung gemacht. Das war echt toll. Und Hameln ist auch eine wunderschöne Stadt. Ich mag sowieso solche historischen Orte mit hübschen Altstädten. Ich finde Hameln wunderschön und faszinierend.

Hat es sich eigentlich nur zufällig ergeben, dass Sie bislang vornehmlich dramatische Rollen gespielt haben?
Das hat sich tatsächlich so ergeben. Grundsätzlich muss mich eine Rolle reizen. Aber ich hatte bisher das Glück, dass ich schon viele wunderbare Rollen spielen durfte. Ich habe auch lustige Sachen gemacht, aber die waren dann nicht so im großen Rahmen. Generell liegen mir dramatische Stoffe einfach mehr als ein Wir-klatschen-alle-in-die-Hände-Musical. Es ist dabei nicht mal so, dass ich leichtere Stoffe nicht mag. Aber ich mag es, wenn Leute ohne Erwartung in eine Vorstellung kommen, sich von einem dramatischen Stoff berühren lassen und etwas mitnehmen, wenn sie nach Hause gehen. Denn als Darstellerin gebe ich den Zuschauern ja etwas mit, wenn ich mich emotional in meine Rolle hineinsteigere. Das ist das Tolle an meinem Beruf, auch wenn es müde macht.

Also kostet dieser Job viel Energie?
Ja, das kostet echt viel Energie. Ich vergleiche das mit Hochleistungssport. Auf der Bühne sieht alles immer so leicht und einfach aus, aber die Proben sind sehr anstrengend. Und natürlich soll es am Ende leicht und einfach aussehen. Wenn ich Leute berühren oder ihnen in verschiedenen Lebenslagen Kraft geben kann, ist das für mich einfach schön und gibt mir das Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben. Da lohnt sich dann auch die ganze Arbeit.

Wenn Sie sagen, dass Ihnen dramatische Stoffe mehr liegen, käme eine Rolle wie die Sophie in „Mamma Mia!“ wohl eher nicht infrage, oder?
Das würde ich nicht ausschließen. Aber ich sehe mich selbst nicht in so einer Rolle. Das liegt aber auch daran, weil man immer denkt, ich sei 1,80 Meter groß, was ich gar nicht bin. (lacht) Wahrscheinlich machen das meine Haare (lacht). Wie dem auch sei – ich denke, ich bin nicht der Typ dafür. Vielleicht bin ich später mal eher eine Tanja in „Mamma Mia!“. Ich schließe generell erst mal nichts aus. Ich hatte auch schon zweimal das Angebot, die Amneris in „Aida“ zu spielen, was dann aus zeitlichen Gründen aber leider nicht geklappt hat. Und Amneris ist ja durchaus eine Rolle mit viel Komik, die aber trotzdem auch eine tragische Seite hat. Das ist eine ganz tolle Rolle. Na ja, und alle guten Dinge sind drei. Ich hoffe also, dass ich diese Rolle irgendwann mal spielen kann.

Sabrina Weckerlin (Foto: Dominik Lapp)

Könnten Sie sich vorstellen, einen Tag im 9. Jahrhundert, also in der Zeit, in der „Die Päpstin“ spielt, zu leben?
Nein, denn ich bin froh, dass ich im 21. Jahrhundert lebe und nicht mehr darum kämpfen muss, als Frau ein Buch lesen zu dürfen. Ich mag zwar Historie sehr gern, bin aber froh, in einer anderen Zeit geboren worden zu sein. Ich bin immer ganz froh, wenn ich tolle Momente erlebe – und da ist es egal, in welchem Jahrhundert man lebt. Aber im 9. Jahrhundert muss ich nicht unbedingt gelebt haben.

Die Titelrolle in „Die Päpstin“ haben Sie rund 200-mal gespielt. Was macht für Sie den Reiz dieser Rolle aus?
Ich glaube, der Reiz ist, sich jeden Tag irgendwie auch dazu zu zwingen, an die Emotionen dieser Rolle erneut heranzugehen. Oftmals haben wir auch zweimal täglich gespielt. Wer denkt, dass wir die Shows da einfach nur abspulen, dem muss ich sagen, dass das wirklich nicht so ist. Ich bin super selbstkritisch. In dem Augenblick, wenn ich anfange zu singen, beurteile ich das für mich schon und weiß sofort, was ich in der nächsten Show besser machen will. Ich habe mir auch das Buch immer wieder zur Hand genommen, habe noch mal darin gelesen und nachgeschlagen, um mir neue Ideen zu holen, wie ich etwas auf der Bühne noch anders spielen oder interpretieren kann. Es gibt bei mir eigentlich keine Show, nach der ich sage, dass es jetzt supertoll war. Ich bin stets auf der Suche nach etwas Neuem. Wenn ich mal eine Show hätte, wo ich alles super fand, dann könnte ich mir wahrscheinlich einen neuen Beruf suchen. (lacht)

Welche Rolle ist schwieriger: Päpstin Johanna oder Margrid Arnaud?
Das kann ich gar nicht wirklich sagen. Jede Rolle hat ihre jeweilige Herausforderung. Johanna ist generell im zweiten Akt einfach sehr schauspielintensiv – und das meistens zweimal am Tag ist für den Körper einfach sehr anstrengend. Gesanglich ist es toll, weil ich bei der Entstehung der Songs aktiv mitgearbeitet habe und mir das nicht so schwerfällt. Margrid ist einfach ein Kampf. (lacht) Ein toller aber harter Kampf, denn ich singe von Anfang bis Ende des Stückes unzählige Stücke. Michael Kunze und Sylvester Levay schreiben sehr anspruchsvolle Musik, die man nicht einfach mal so wie im Schlaf singt. Schauspielerisch habe ich auch den ganzen Abend zu tun, vor allem die weiten Wege in Tecklenburg haben mich einige Nerven gekostet. (lacht) Wenn ich mal während einer Szene Pause hatte, musste ich mich entweder schnell umziehen oder im Dunkeln so schnell zu meinem nächsten Auftritt – aus irgendeinem Loch der Burg – rennen, dass ich immer völlig außer Atem war, wenn ich auf die Bühne kam. Da musste ich manchmal selber lachen, weil ich mich wie ein Marathonläufer gefühlt habe, der gerade ins Ziel gekommen ist. (lacht)

Also zerren solche gewichtigen Rollen an den eigenen Kräften?
Auf jeden Fall. Aber ich höre auch von Kollegen, die vielleicht nur eine Szene pro Akt haben, dass sie nach einer Vorstellung viel müder sind als ich. Die sind dann viel frustrierter, weil sie müde sind, obwohl sie gar nicht so viel zu tun hatten auf der Bühne. Bei der „Päpstin“ ist es ja so, dass ich erst mal die kleine Johanna spielen lasse und da noch nichts zu tun habe auf der Bühne. Allerdings muss man sagen, dass ich bei der „Päpstin“ immer in der Maske bin, wenn ich gerade nicht auf der Bühne stehe. Ich bin zu Beginn des Stücks ein Mann, dann kommt die Rückverwandlung in eine Frau, dann werde ich wieder ein Mann. Das war vor allem immer dann quälend, wenn ich zwei Shows am Tag gespielt habe: Make-up drauf und wieder runter und wieder drauf und wieder runter.

Das muss ja auch die Haut sehr strapazieren.
Ja, total. Besonders schlimm war es, als ich Elphaba in „Wicked“ gespielt habe. Die grüne Farbe hat auf meiner Haut so gut gehalten, dass ich sie fast nicht mehr wegbekommen habe. Wenn ich wusste, dass ich am nächsten Tag sowieso wieder spiele, habe ich natürlich auch nicht stundenlang geschrubbt. Ich hatte also immer noch irgendwo grüne Farbe, einen Fleck im Ohr oder so. Und ich hatte immer einen grauen Schleier im Gesicht. Ich war mal wegen einer Allergie bei einer Hautärztin und hatte noch grüne Streifen auf der Haut. Die hat wahrscheinlich erst gedacht, dass sie den Fund ihres Lebens gemacht hat. (lacht) Vielleicht hat sie schon an den Nobelpreis gedacht. (lacht) Aber dann habe ich ihr gesagt, dass das nur Farbe ist.

Um zum Schluss wieder auf „Die Päpstin“ zurückzukommen: Die Uraufführung 2011 in Fulda wurde auch von Kritik der katholischen Kirche begleitet. Was denken Sie, warum sich die Kirche teilweise so negativ geäußert hat?
Ich weiß nicht, was die Kirche für ein Problem mit einem Theaterstück hat. Mich interessiert’s auch nicht wirklich. Ich finde es super lächerlich, denn es ist eine Fiktion. Ob ich die Legende von der Päpstin glaube, liegt im Auge des Betrachters. Diese Kritik am Musical von Seiten der katholischen Kirche hat mich aber nie interessiert. Ich fand’s eher amüsant, und es hat uns eine super Presse gebracht. Ich denke, einige Leute haben sich das Stück auch deshalb angesehen, weil sich der Bischof so aufgeregt hat. Ich fand’s aber auch komisch, dass ich dort mit reingezogen wurde. Ich bin ja lediglich eine Schauspielerin, die die Päpstin spielt. Ich hatte ja nicht vor, in voller Montur in den Petersdom einzumarschieren und dort eine Messe abzuhalten. (lacht) Aber wenn ich es mir recht überlege: Warum eigentlich nicht? (lacht)

Interview: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".