Interview mit Natalja Joselewitsch: „Ich finde Shakespeare immer spannender“
Natalja Joselewitsch studierte Schauspiel in Leipzig und übernahm schon während des Studiums erste Rollen am Theater. Sie wirkte in TV-Serien wie „Tatverdacht“ und „SOKO Leipzig“ mit und ist als Sprecherin für Hörspiele tätig. Zuletzt gehörte sie drei Jahre lang zum Schauspielensemble am Theater Münster. Bei den Bad Hersfelder Festspielen übernimmt Natalja Joselewitsch als Viola de Lesseps die weibliche Hauptrolle in der deutschen Erstaufführung von „Shakespeare in Love“. Im Interview spricht sie über diese Rolle, das Stück und ihre Arbeit.
In dem Theaterstück „Shakespeare in Love“ spielen Sie Viola de Lesseps. Was für ein Mensch ist Viola?
Viola ist ein Wirbelwind und lässt sich nicht unterordnen von diesen sehr harschen Strukturen, in denen sie lebt. Sie hat einen ganz großen Idealismus, was ihr Leben betrifft: Sie möchte Liebe, Poesie und Abenteuer in ihrem Leben und sie glaubt ganz fest daran, dass das so sein wird. Sie hat sehr viel Energie und Optimismus, was ihre Träume angeht, obwohl ihr bewusst ist, in welchen Strukturen sie lebt. Doch sie lässt sich das nicht gefallen. Sie will Liebe und sie bekommt die Liebe. Viola ist eine sehr sinnliche Frau mit einer Ader für Poesie, Theater und Emotionen – denn denen fühlt sie sich verbunden und dafür bringt sie pure Leidenschaft mit.
„Shakespeare in Love“ basiert auf dem gleichnamigen Film und in der Rolle der Viola treten Sie in die Fußstapfen von Gwyneth Paltrow. Setzt Sie das gewissermaßen unter Druck, weil das Publikum sicher eine Erwartungshaltung mitbringt oder machen Sie sich ganz frei davon?
Ich setze mich nicht unter Druck, weil eine Hollywood-Größe meine Rolle im Film gespielt hat. Es ist natürlich immer schwer, wenn man den Film gesehen hat, sich komplett von diesem Bild zu befreien. Aber ich entdecke in der Rolle immer wieder neue Sachen und gewissermaßen auch noch viel mehr, als ich bei Gwyneth Paltrow gesehen habe. Sie hat das wunderbar gespielt, aber es war nun mal ein Hollywood-Film. Im Film spielt man anders als man es auf der Bühne macht. Somit kann ich ganz frei an die Rolle herangehen, sie entwickeln und meine eigene Viola erschaffen.
Den Film haben sie also gesehen. Direkt zur Rollenvorbereitung?
Nein, nicht für die Proben. Ich habe ihn vor einigen Jahren mal gesehen und habe ihn mir noch mal angeschaut, als klar war, dass ich zum Vorsprechen gehen würde. Danach habe ich ihn mir aber ganz bewusst nicht mehr angesehen, weil man sonst alles schon ganz genau im Kopf hat, was die anderen spielen – und das ist schwierig, sich davon zu lösen. Also bin ich mit freiem Kopf in die Proben gegangen.
„Shakespeare in Love“ wird erstmals in Deutschland gespielt. Am Theater Münster haben Sie in den vergangenen Jahren auch immer wieder an deutschsprachigen Erstaufführungen und Uraufführungen mitgewirkt. Wie wichtig ist es für eine Schauspielerin, ein Teil von solch neuen Werken zu sein und Rollen neu zu kreieren?
Das kann ich gar nicht pauschal sagen. Natürlich interessieren sich die Entscheider in Theatern für Erst- oder Uraufführungen, weil ihr Haus dadurch in der Theaterszene vielleicht mehr wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite hat man ein total unbekanntes Stück, das die Leute nicht kennen und wo sie nicht wissen, was sie erwartet. Aber ich finde es sehr spannend, mich als Schauspielerin mit neuen Stoffen auseinanderzusetzen, die noch gar nicht oder noch nicht so häufig gespielt wurden und wo ich eine Rolle noch ganz neu erschaffen kann. Sonst geht es mir bei Rollen so, dass ich immer etwas finden muss, das ich anders spiele als meine Kolleginnen, die diese Rolle alle schon gespielt haben. So ein Stück wie „Romeo und Julia“ wurde schon tausendfach gespielt. Das stellt mich als Schauspielerin natürlich vor die Herausforderung, die Julia so zu spielen, wie sie noch nie jemand gesehen hat. Das ist bei einer Erstaufführung anders. Aber beides hat seine Reize und ist unglaublich spannend.
Viola verliebt sich in Shakespeare, der aber schon verheiratet ist. Das erinnert ganz vage an „Match Point“, wo Sie Nola Rice spielten, die ebenfalls eine Affäre mit einem verheirateten Mann einging. Was ist so reizvoll, so was wie eine Femme fatale zu spielen?
Ich würde nie sagen, dass ich eine Femme fatale spiele. Ich spiele eine Person, die eine Geschichte hat, die viel erlebt hat, die etwas in sich trägt und mit einer Attitüde verpackt. Ich kann diese beiden Rollen auch gar nicht miteinander vergleichen, weil sie sehr unterschiedlich sind. Bei Nola Rice in „Match Point“ fand ich es sehr spannend, so eine Frau zu spielen, die sehr geradeaus ist und einfach mal was raushaut. Die Viola in „Shakespeare in Love“ dagegen ist viel unbedarfter und hat Witz. Und dass Shakespeare noch verheiratet ist, wird auch gar nicht so sehr erwähnt in der Geschichte, weil es viel mehr um Viola geht.
Als Schauspielerin spielt man durchaus mal in Werken von Shakespeare. Wie ist es, jetzt in einem Werk zu spielen, in dem Shakespeare selbst eine tragende Rolle einnimmt?
Das finde ich lustig. (lacht) Wir hatten gerade am Theater Münster „Der Kaufmann von Venedig“ gespielt, was bei mir noch relativ präsent ist. Aber so oft denke ich jetzt nicht daran, dass es in „Shakespeare in Love“ diese eine Figur gibt, die viele bekannte Stücke geschrieben hat. Doch im Stück gibt es einige Anspielungen auf Shakespeares Stücke, was wiederum sehr lustig ist. Ich finde auch, dass das wirklich sehr gut gemacht ist: Viele Elemente, die Shakespeare benutzt hat, hat man auch in „Shakespeare in Love“ verwendet. So schließt sich der Kreis. Und gerade das Ende, wo er durch seine Erlebnisse mit Viola „Was ihr wollt“ schreibt, finde ich sehr berührend.
Welche Beziehung haben Sie, Natalja Joselewitsch, zu Shakespeare und seinen Werken?
Ich habe von Shakespeare bisher erst „Wie es euch gefällt“ und „Der Kaufmann von Venedig“ gespielt, aber ich mag es immer mehr. Früher habe ich mich mit den ganzen Spielereien und den Frauen, die mit Bärten herumlaufen, damit sie keiner erkennt, etwas schwergetan. Inzwischen blicke ich aber besser dahinter, was das zu bedeuten hat und welche Möglichkeiten sich Shakespeare dadurch boten, Sachen in seinen Stücken zu beschreiben. Seitdem kann ich sagen: Ich finde Shakespeare immer spannender. Oft hängt es aber auch mit den Übersetzungen seiner Werke zusammen. Es gibt Übersetzungen, die sehr sperrig sind und wiederum welche, durch die eine ganz neue Welt entsteht.
Interview: Dominik Lapp