Interview mit Pauline Schubert: „Ich möchte einen vielschichtigen Charakter entwickeln“
Pauline Schubert absolvierte ihr Musicalstudium in London. Zurück in Deutschland, spielte sie Janet in der „Rocky Horror Show“, ein Soulgirl in „Jesus Christ Superstar“ sowie Cathy in „Die letzten fünf Jahre“. Danach übernahm sie den Part der Chrissi in „Pyjama Party“, ging als Karin mit „Kein Pardon“ auf Tour, stand bei den Gandersheimer Domfestspielen in „Der kleine Horrorladen“ auf der Bühne und spielt aktuell Karen im „SpongeBob Musical“. Im Interview spricht sie unter anderem über diese außergewöhnliche Produktion und die Erarbeitung ihrer Rolle.
Von Käffchen-Karin in „Kein Pardon“ zu Computer-Karen in „SpongeBob“: Zwei ähnliche Namen, aber unterschiedliche Charaktere, oder?
Sehr unterschiedlich! (lacht) Eine meiner ersten Rollen war Cathy in „Die letzten fünf Jahre“. Davon ausgehend, dachte ich, dass ich auf jeden Fall eine dramatische Schauspielerin bin. Aber 2022 ist das mitnichten so gewesen, was nicht weiter schlimm ist. Auch bei Comedy habe ich das Gefühl, etwas Besonderes daraus machen zu können. Karin und Karen sind komödiantisch, aber dennoch unterschiedliche Seiten von mir. Karin habe ich aus der Realität geholt und dann zugespitzt, Karen hat dagegen eine Cartoonvorlage, die ich vermenschlicht habe.
Was ist das Besondere an Karen in „SpongeBob“?
Karen ist in der Serie ein Computer. Deshalb hatte ich sehr wenig Vorlage, um diesen Charakter auf die Bühne zu bringen. Ich hatte das Gefühl, deshalb im Probenprozess die größte künstlerische Freiheit zu haben. Es waren nicht wirklich Verhaltensweise vorgegeben. Deshalb habe ich versucht, das Roboterhafte in die Figur zu bringen und sie nicht als Trophy Wife anzulegen, sondern als Frau, die Plankton unterstützt und gewissermaßen sogar steuert.
Warum ist es gut, dass man die Mitwirkenden im Musical „SpongeBob“ nicht in Schaumstoffkostüme gesteckt hat, sondern eure jeweiligen Charaktere nur stilisiert dargestellt werden? Man hätte ja auch eine Figurenparade à la Themenpark erwarten können.
Ja, ich glaube auch, dass es das ist, was manche Menschen denken, wenn sie „SpongeBob“ auf unseren Plakaten lesen. Sicherlich gibt es Leute, die eine Kindershow erwarten – die es gar nicht ist. Ich habe mich bewusst beworben, weil ich die Broadway-Version schon kannte und informiert war, dass wir nicht in Schaumstoffkostüme gesteckt werden. Ich bin Schauspielerin und möchte einen vielschichtigen Charakter entwickeln. Das kann nur so funktionieren wie wir „SpongeBob“ auf die Bühne gebracht haben.
Wie sind die Publikumsreaktionen, vor allem von Leuten, die mit anderen Erwartungen in das Stück gegangen sind?
Was wir mitbekommen, sind es mal Menschen, die erst mit anderen Erwartungen zu uns kommen und dann mitgerissen werden. Oder wir haben auch solche Mittdreißiger bei uns, die den Junggesellenabschied bei uns feiern und richtig gut drauf sind. Am Ende haben wir immer Standing Ovations, die Leute rasten aus und sind fröhlich.
Hast du die Serie früher selbst gesehen?
Eher weniger, da ich nicht fernsehen durfte und mich auch der laute Titelsong eher abgeschreckt hat. Die Vielschichtigkeit und was alles darin steckt, habe ich erst entdeckt, als ich die Serie während des Engagements sah. Die Freundschaft zwischen den beiden Hauptcharakteren und diese bedingungslose Liebe zum Beispiel.
Wo du die Vielschichtigkeit gerade ansprichst: Die Musik ist ebenfalls sehr vielschichtig, denn im Grunde hat jeder Song einen eigenen Komponisten oder eine eigene Komponistin. Das ist recht ungewöhnlich, dass ein Musical von so vielen Menschen geschrieben wurde. Wie kam das eigentlich?
Es waren verschiedene Rock- und Popgrößen, die alle jeweils einen Song für das Stück geschrieben haben – und sie alle sind große „SpongeBob“-Fans. Natürlich wollen dann alle eine Riesennummer schreiben. Es folgt Hit auf Hit. Dadurch haben wir keine Nummern zum Durchatmen, die man sonst aus dramaturgischen Gründen schon mal hat. Das ist für uns Darstellerinnen und Darsteller anders und herausfordernd.
Dieses Jahr hattest du gut zu tun: Im Frühjahr mit „Kein Pardon“ auf Tour, im Sommer bei den Gandersheimer Domfestspielen und im Herbst mit „SpongeBob“ unterwegs. Wie glücklich macht dich das?
Ich habe ja meinen Master in London gemacht, bin in der Corona-Zeit wieder nach Deutschland gekommen und war superglücklich, als es letztes Jahr losging. Ich bin jetzt seit anderthalb Jahren voll dabei und arbeite non-stop. So hatte ich dieses Jahr auch noch keinen Urlaub, weil sich die Verträge immer überlappt haben. Je länger ich diesen Beruf machen, desto mehr liebe ich ihn. Ich merke aber gerade, dass ich nach der Tour erst mal eine Pause brauche, wo ich Halt bei meinen Liebsten bekomme.
Woher nimmst du die Energie?
Auf jeden Fall keine Party, gar keinen Alkohol, gesundes Essen, viel schlafen und häufiger Nein sagen, wenn es darum geht, sich in jeder Tourstadt mit Freunden zu treffen – und natürlich Geld sparen für die spielfreie Zeit, um dann in den Urlaub zu fahren. Das klingt sicher langweiliger als es sich Menschen vorstellen, die nicht in der Musicalbranche arbeiten. (lacht)
Als Musicaldarstellerin bist du nicht nur Schauspielerin, sondern auch Sängerin. Was bedeutet dir Gesang?
Es ist eine Sache, die mich immer glücklich macht – egal wie der Tag war. Es ist meine Therapie und mein liebster Freizeitvertreib. Die Musik in mir lässt mich immer wieder fühlen, dass ich genau da bin, wo ich immer sein wollte.
Gibt es eigentlich einen Unterschied, ob du eine originäre oder eine auf einer Vorlage basierende Rolle spielst?
Der große Unterschied ist die Hintergrundarbeit, die man machen muss. Also aus welchem Zeitalter oder aus welcher Umwelt kommt die Figur? Bei „SpongeBob“ ist es dagegen die Körperlichkeit, die wichtig ist. Wie ist meine Figur und wie interagiert sie mit den anderen Figuren?
Du hast dieses Jahr in gleich drei Musicals gespielt, die allesamt auf Filmen oder Serien basieren: „Kein Pardon“, „Der kleine Horrorladen“ und „SpongeBob“. Das war aber sicher nur Zufall, oder?
Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, aber es stimmt. (lacht) Es sind auch alles sehr ulkige Filme mit einem sehr speziellen Humor. Eine wirklich schöne Beobachtung. Ich spiele gern weiterhin in Musicals, die auf Filmen basieren. Es werden ja auch viele Filme für die Musicalbühne adaptiert.
Mal angenommen, du würdest wirklich in der „SpongeBob“-Stadt Bikini Bottom leben: Was wäre mega und was weniger?
Mega wäre natürlich der Burgerladen „Krusty Krab“, wo es die besten Burger gibt. Denn ich liebe Burger. Nicht so cool wäre, dass in meiner Umwelt keine physikalischen Gesetze gelten. In Bikini Bottom kann man schließlich ein Feuer unter Wasser machen. (lacht)
Interview: Dominik Lapp