Petra Radulovic (Foto: Dominik Lapp)
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Interview mit Petra Radulovic: „Ich hatte nie geplant, Opernsängerin zu werden“

Die aus Montenegro stammende Sopranistin Petra Radulovic studierte an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, der Boston Arts Academy sowie der St. Croix Preparatory Academy in Stillwater. Ihre Ausbildung begann sie bereits im Alter von 16 Jahren, als sie ganz allein in die USA zog. Inzwischen, mit 25 Jahren, ist sie auf Opern- und Konzertbühnen zu Hause. Im Interview spricht Petra Radulovic über ihren spannenden und von Zufällen geprägten Weg dorthin sowie über drei Spielzeiten an der Staatsoper Hannover, wo sie unter anderem in „The Fall of the House of Usher“, „Die Zauberflöte“, „L’Orfeo“, „Der Vampyr“, „Humanoid“, „Die Hochzeit des Figaro“ und „Sweeney Todd“ auf der Bühne stand.

Du bist erst 25 Jahre alt und gehörtest schon mit 22 Jahren zum Opernstudio der Staatsoper Hannover. Wie ist der Wunsch entstanden, Opernsängerin zu werden?
Ich hatte nie geplant, Opernsängerin zu werden. Ich wollte Schauspielerin werden, weil ich schon als Kind als Statistin gearbeitet und mich ins Theater verliebt habe. Ich war an der Musikschule, habe sieben Jahre Klavierunterricht bekommen und im Chor gesungen. Als ich auf dem Gymnasium war, hat man mich eingeladen, bei einem Weihnachtskonzert einzuspringen. Danach entschied ich mich, wieder an die Musikschule zu gehen, wollte eigentlich Jazz machen. Als ich 16 Jahre alt war, habe ich Aufnahmeprüfungen in verschiedenen Städten an der US-Ostküste gemacht und wurde in Boston angenommen. Zu dem Zeitpunkt wollte ich immer noch Schauspielerin werden, bin aber auch zum ersten Mal mit Musicals in Berührung gekommen. Das war neu für mich, weil es in Montenegro keine Oper und kein Musiktheater gibt. Als ich nach Minnesota zog, habe ich dort in den Musicals „Guys and Dolls“ und „A little Night Music“ gesungen sowie an einem Wettbewerb teilgenommen. Eine mir bis heute unbekannte Lehrerin sagte zu mir, dass ich eine große Stimme hätte und es mit der Oper versuchen sollte. Dabei hatte ich noch nie in meinem Leben eine Oper gesehen. Ich fing also mit alten italienischen Liedern an und habe mich damit gut gefühlt. Nach Gesprächen mit verschiedenen Lehrern haben wir entschieden, dass ich nach Europa zurückgehe, wo ich sieben Monate Deutsche gelernt habe. Mit 18 Jahren wurde ich in Wien an der Universität für Musik und Darstellende Kunst aufgenommen. Für meine Eltern, die mich immer unterstützt haben, und mich war das ein Zeichen, dass ich Opernsängerin werden sollte.

In Wien hast du dann deinen Bachelor gemacht und parallel schon an der Staatsoper Hannover gesungen.
Genau. Ich habe meinen Bachelor gemacht und war zwei Spielzeiten Mitglied im Opernstudio an der Staatsoper Hannover. Jetzt mache ich Wien meinen Master und bin in der Spielzeit 2023/2024 für die Wiederaufnahmen von „The Fall of the House of Usher“ und „Die Zauberflöte“ nach Hannover zurückgekehrt.

Welche Partie von denen, die du bisher gesungen hast, haben dich am meisten herausgefordert?
Ich denke, Madeline Usher in „The Fall of the House of Usher“ war bislang die größte Herausforderung. Das war sehr über meinem Fach, und ich wusste nicht, was mich erwartet. Natürlich wusste ich, wie Philip Glass komponiert, hatte aber noch nie zuvor Glass gesungen. Diese Partie ist sehr stark und hat mich als Künstlerin einerseits herausgefordert und andererseits gepusht. Aber auch Johanna in „Sweeney Todd“ war eine wichtige Partie. Ich bin ohne Proben eingesprungen und hatte vorher nur zugeschaut, bis ich die Rolle dann für ein paar Vorstellungen übernehmen durfte. Das war für mich ein großer Schritt, so jung auf der großen Bühne der Staatsoper Hannover zu stehen. Eine kleine Partie, aber sehr interessant, hatte ich außerdem in „Der Vampyr“.

Mit welcher Regisseurin oder welchem Regisseur hast du in Hannover besonders gern gearbeitet?
Alle waren fantastisch. Aber wenn ich mich entscheiden muss, würde ich Lydia Steier nennen. Sie ist eine wirklich große Regisseurin. Ich liebe ihre Arbeit sehr.

Petra Radulovic (Foto: Dominik Lapp)

Obwohl du nicht mehr im Opernstudio bist, konntest du in der jetzt zu Ende gegangenen Spielzeit noch einmal für zwei Wiederaufnahmen nach Hannover zurückkehren. Wie war die Rückkehr?
Es ist immer eine Freude, weil es mein Zuhause, mein Opernzuhause, ist. Als junge Sängerin habe ich ja noch nicht so viel Erfahrung mit Opernhäusern. Ich habe Konzerte gesungen, Touren gemacht, aber ich hatte noch kein festes Opernhaus, wo ich mich fühlen konnte, als würde ich nach Hause kommen. In Hannover ist es immer schön, ich kenne alle Kollegen. Und die Kollegen, die schon an vielen Opernhäusern waren, sagen immer, dass es in Hannover eine besondere Atmosphäre ist. Es gibt hier so eine unglaubliche Energie, die Leute sind füreinander da. Wir sind ein gutes Team, das ist sehr angenehm. Außerdem hat es mir großen Spaß gemacht, noch einmal die Papagena in der „Zauberflöte“ zu singen. Die hatte ich schon in Wien an der Uni gesungen, das ist ein großer Spaß.

„The Fall of the House of Usher“ war eine sehr moderne und reduzierte Inszenierung, du hast aber auch in der pompösen Inszenierung von „Die Hochzeit des Figaro“ und sogar im Schloss Schönbrunn gesungen. Magst du diese Abwechslung?
Ja, ich liebe die Abwechslung und die Unterschiede. Man kreiert als Sängerin ja auch etwas auf einer Bühne. Aber manchmal geht die Kreation verloren, wenn man einen großen Chor und viele Statisten hat. Da geht man vielleicht etwas unter. Bei solchen Inszenierungen wie „Usher“ oder auch in Schönbrunn hat man eine Intimität, wo man selbst mehr kreieren und zeigen kann.

Wie bereitest du dich auf Partien vor? Nutzt du zum Beispiel, wenn möglich, Filme oder Bücher?
Filme mag ich zur Vorbereitung nicht, weil man dann schon ein Bild vor sich hat. Dann ist meine Partie nicht meine, sondern ist geprägt von einem Einfluss. Wenn ich dagegen etwas lese, mache ich mir selber ein Bild und entwickle Gefühle. „Usher“ kannte ich noch aus der Schule, das Buch von Edgar Allan Poe haben wir gelesen. Aber es war interessant, den Stoff jetzt als Erwachsene neu zu entdecken und mit Victoria Stevens, unserer Regisseurin, zu erarbeiten. Es ist eine schwere Geschichte, bei der es interessant war, die eigenen Grenzen zu erfahren. Und wir haben eine ganze Woche nur gedreht für die Filmsequenzen, die in der Vorstellung gezeigt werden. Das war eine sehr intensive Zeit.

Nachdem du bereits Musicals und Opern gesungen hast: Was ist dabei der größte Unterschied für dich als Sängerin?
Der größte Unterschied ist, dass man beim Musical ein Mikro hat. Da kann ich viel mehr Farben zeigen. Natürlich nutzt man im Musical auch den Körper, aber bei der Oper noch mehr. Johanna in „Sweeney Todd“ ist sehr opernhaft und somit nicht ganz so weit weg von dem, was ich sonst singe. Aber ich musste wegen des Mikros lernen, leiser zu singen.

Petra Radulovic (Foto: Dominik Lapp)

Wenn man die Stücke betrachtet, die du in den vergangenen drei Jahren in Hannover gesungen hast, fällt auf, dass es oft sehr düstere Stücke waren. Was was macht diese Stoffe so interessant für dich? 
Für mich ist jeder Stoff interessant. Ich denke, man lernt dazu und singt keine Partie wie die andere. Mit jeder Partie und jedem Stoff sammelt man neue Erfahrungen, muss aber selbst nicht diese Erfahrungen der jeweiligen Rolle durchlebt haben. Für mich ist es immer spannend, mich auf neue Stoffe einzulassen, die Rollen kennen zu lernen und sie zu etwas von mir zu machen.

Sind Werke von Britten oder Glass schwieriger zu singen als zum Beispiel von Mozart?
Ich finde es schwieriger, ja. Ich hatte bei zeitgenössischen Opern Phasen, wo ich mich richtig leer gefühlt habe. Für die Science-Fiction-Oper „Humanoid“ von Leonard Evers, wo wir Roboter waren, haben wir im Vorfeld eine Roboterfabrik besucht und selbst programmiert, damit wir sehen, wie sie sich bewegen, wo ihre Grenzen sind, was sie können und nicht können. Das war für mich körperlich anstrengend. Ich konnte nicht so gut in meinem Körper sein und meine Stimme nicht normal benutzen, weil ich ein Roboter war. Auch wenn man acht Wochen lang täglich acht Stunden „Usher“ probt, kann man irgendwann nicht mehr abschalten. Dieser Stoff nimmt einen mit, da fühlt man sich crazy. Das ist ganz anders als bei einer leichten, komischen Partie.

Du hast einige Gesangswettbewerbe gewonnen. Wie wichtig ist das für dich?
Solche Wettbewerbe sind gut fürs Business, um das Netzwerk zu erweitern, sich verschiedenen Operndirektoren, Intendanten oder Agenten zu präsentieren. Das ist also immer gut, sich in so einem Rahmen zeigen zu können. Aber Opernvorstellungen singe ich viel lieber als Konzerte oder Wettbewerbe. Bei einem Konzert bin ich Petra, in einer Oper spiele ich eine Rolle, da kann ich viel tiefer vordringen und eine andere Persönlichkeit zeigen. Das mag ich sehr gern.

Wie geht’s jetzt beruflich bei dir weiter?
Zunächst mal werde ich mein Masterstudium in Wien beenden. Danach werde ich sehen, wie es weitergeht. Ich würde gern freischaffend arbeiten, hätte aber auch nichts dagegen, fest in einem Opernensemble zu sein, um mir ein Repertoire aufzubauen und an meiner Stimme zu arbeiten. Ich bin ja noch jung und werde nicht unbedingt morgen an der Met singen. (lacht)

Wer weiß …
Ich hätte nichts dagegen. (lacht)

Interview: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".