In eigener Sache: Wie sich das Coronavirus auf die Tätigkeit eines freien Kulturjournalisten auswirkt
Sicher, wir können es alle nicht mehr lesen und hören. Coronavirus hier, Coronavirus da. Immer mehr Veranstaltungen werden abgesagt, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Das ist sicher vernünftig. Aber was bedeutet das eigentlich für die Veranstaltungsbranche? Was bedeutet es für einen freien Kulturjournalisten wie mich? So viel vorweg: Durch die Veranstaltungsabsagen aufgrund des Coronavirus sind mir innerhalb von 24 Stunden Aufträge mit einem Umsatzvolumen von mehr als 1.000 Euro weggebrochen.
Als Selbstständiger brauche ich auch nicht auf staatliche Unterstützung zu hoffen. Kurzarbeitergeld greift bei mir nicht, Verdienstausfall bekomme ich nur, wenn ich selbst in Quarantäne muss. Ich bin aber nicht in Quarantäne. Einen Verdienstausfall von mehr als 1.000 Euro habe ich jetzt aber schon zu verbuchen. Das ist Geld, das mir nächsten Monat fehlt. Was für ein Großunternehmen Peanuts sind, ist für mich als zweifacher Familienvater, der jeden Monat 1.312 Euro Miete aufbringen muss, schlichtweg eine Katastrophe. Aber wie kam es dazu, und wie verdiene ich eigentlich mein Geld?
Als freier Kulturjournalist arbeite ich für unterschiedliche Auftraggeber. Ich besuche Veranstaltungen, über die ich berichte oder die ich fotografiere. Meine Texte und Fotos verkaufe ich an Redaktionen. Darüber hinaus betreibe ich das Onlinemagazin kulturfeder.de. Wie ihr wisst, sind alle Inhalte auf kulturfeder.de kostenlos zu lesen, es gibt keine Bezahlschranke wie sie von großen Verlagen mittlerweile standardmäßig eingesetzt wird. kulturfeder.de finanziert sich somit ausschließlich durch Werbung.
Wie ich innerhalb von 24 Stunden mehr als 1.000 Euro Umsatz verloren habe: Angefangen hat es damit, dass ich am Dienstagmorgen eine E-Mail erhielt, in der mir die Absage eines Konzerts angekündigt wurde. Über diese Veranstaltung hätte ich für eine Zeitung berichten, Text und Foto liefern sollen. Selbstverständlich habe ich Verständnis für die Absage. Als Veranstalter hat man eine große Verantwortung, ich selbst war oft genug Veranstalter von kulturellen Events. Mit der Absage dieser einen Veranstaltung ist mir jetzt natürlich mein fest eingeplantes Honorar weggebrochen. Das hat mich zunächst noch nicht beunruhigt. Ich ahnte an dem Morgen ja noch nicht, dass diese E-Mail erst der Anfang sein würde.
Im Laufe des Tages erreichten mich aber immer mehr E-Mails. Immer mehr Absagen von Veranstaltungen, über die ich hätte berichten sollen. Immer mehr Honorare, die ich nicht mehr in Rechnung stellen kann. Außerdem haben Werbekunden von kulturfeder.de ihre Anzeigenbuchungen storniert. Verständlich. Diese Kunden sind in der Regel Theater und Veranstalter. Wenn diese nun ihre Veranstaltungen absagen müssen oder große Einbußen durch rückläufigen Ticketverkauf haben, brauchen sie auch keine Veranstaltungen mehr bewerben oder müssen Kosten sparen. Wer weiß schon, wann die Theater wieder öffnen. Wer weiß schon, wann das Publikum wieder beginnt, Tickets zu kaufen. Auch am nachfolgenden Morgen trudelte eine Nachricht über eine Veranstaltungsabsage ein, die mich sehr überrascht hat. Denn verboten sind in Nordrhein-Westfalen Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Zuschauern. Besagte Veranstaltung hat aber deutlich weniger Platzkapazitäten. Trotzdem hat der Bürgermeister die Veranstaltung abgesagt und der Veranstalter musste das akzeptieren.
Bundeswirtschaftsminister Altmaier sagt: „Kein Unternehmen soll wegen Corona in die Insolvenz gehen.“ Es stünden mehrere Milliarden Euro zur Verfügung, um die ökonomischen Folgen abzufedern. Toll. Von dem Geld werden doch nur die Big Player etwas sehen. Aber was ist mit den kleinen Freiberuflern und Selbstständigen? Was ist mit dem freien Kulturjournalisten wie mir, der wegen abgesagter Veranstaltungen auf sein Honorar verzichten muss? Was ist mit dem freien Künstler, der jetzt nicht auftreten darf und somit auf seine Gage verzichten muss?
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt im Bezug auf Fußballspiele ohne Zuschauer: „Spiele vor leeren Rängen sind nicht das Schlimmste, das diesem Land passieren kann.“ Da mag sie Recht haben. Was dabei aber vergessen wird: Sowohl Sport- als auch Kulturveranstaltungen dienen nicht nur der Unterhaltung. Sie sind unverzichtbar für unser gesellschaftliches Leben. Dahinter stecken zudem Jobs – und zwar nicht nur die direkt damit in Verbindung gebrachten Jobs, sondern eben auch die Jobs von Dritten. Ein für sechs Wochen geschlossenes Theater bedeutet ja auch: Umsatzeinbußen bei den Taxifahrern, die die Theaterbesucher nach einer Vorstellung nach Hause bringen. Umsatzeinbußen beim Cateringservice, der im Theater die Pausenbewirtung übernimmt. Umsatzeinbußen bei den Veranstaltungshallen, denen Mieteinnahmen entgegen. Das kann ich munter so weiterführen.
Angst vor dem Coronavirus? Habe ich nicht. Wovor ich Angst habe, sind die nicht abschätzbaren wirtschaftlichen Folgen – insbesondere für den Kulturbereich, für Freiberufler und alle, die bei der staatlichen Hilfe durchs Raster fallen werden. Und es werden Leute durchs Raster fallen. Auch wenn Kulturstaatsministerin Monika Grütters von einem Notfallfonds spricht.
Wer darüber hinaus der Meinung ist, dass kulturelle Veranstaltungen verzichtbar sind, dem sage ich: Kulturelle Veranstaltungen, Konzerte, Theater, Kinos machen das Leben erst lebenswert. Hoffen wir also das Beste.
Text: Dominik Lapp