Fake-Follower bei Instagram (Foto: Dominik Lapp)
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Kritisch betrachtet: Fake-Follower im Musicalbereich – mehr Schein als Sein auf Instagram

Wer in der deutschsprachigen Musicalwelt auf Instagram unterwegs ist, hat es vielleicht schon bemerkt: Immer mehr Accounts, die sich als Influencer sehen, sprießen wie Pilze aus dem Boden. Doch Hand aufs Herz: Gibt es im Musicalbereich wirklich ernst zu nehmende Influencer, die so viele Menschen erreichen, dass sie wirklich jemanden beeinflussen oder als Meinungsmacher agieren? Kaum. Man kann sie an einer Hand abzählen – und sie haben ihre Follower und Reichweite über Jahre organisch aufgebaut.

Was auffällig ist: Dubiose Instagram-Profile, die in kürzester Zeit Tausende Follower gewinnen – vermeintlich. Denn ein genauer Blick auf die Followerlisten offenbart schnell, was hier gespielt wird: Fake-Accounts, oft aus Ländern wie Indien oder Russland, die Tausenden anderen Profilen folgen und keinerlei Interesse an Musical-Content haben.

Das Problem dabei: Gekaufte Follower mögen die Zahl im Profil beeindruckend aussehen lassen, aber sie sind für den Möchtegern-Influencer absolut wertlos. Solche Accounts interagieren nicht, schauen keine Storys und interessieren sich nicht für die Inhalte. Trotzdem vermitteln diese vermeintlichen Influencer ihren echten Followern sowie Künstlern und Veranstaltern eine falsche Relevanz. Veranstalter laden sie zu Presse-Events ein, Künstler geben ihnen Interviews – und alles basiert auf einer Scheinwelt.

Das schadet langfristig der ganzen Szene. Solche Accounts nehmen mittlerweile zum Teil sogar der Presse und leidenschaftlichen Content-Creators, die ihre Reichweite über Jahre aufgebaut haben, die Plätze bei Veranstaltungen weg. Immer häufiger müssen Veranstalter selektieren, wen sie einladen – und da fallen Leute durchs Raster, die tatsächlich fundierte Berichterstattung liefern, die Szene mit Leidenschaft und Sachverstand repräsentieren sowie eine echte Followerschaft mitbringen.

Gerade Künstler und Veranstalter sollten sich die Follower solcher Accounts genauer ansehen, bevor sie Pressekarten vergeben oder Interviews zusagen. Ein schneller Blick auf die Followerliste genügt oft schon, um Fake-Accounts zu erkennen. Und ja, Künstler müssen auch lernen, Nein zu sagen. Es ist keine Schande, ein Interview abzulehnen – vor allem, wenn der Interviewer offensichtlich nicht aus Leidenschaft für das Genre handelt, sondern nur auf kostenlosen Eintritt oder Zugang zu Stars aus ist.

Das Phänomen der Hobby-Journalisten ist nicht neu. Doch während es einst um echte Leidenschaft ging, hat sich das heute geändert. Viele spielen nur deshalb Influencer, um sich Vorteile zu erschleichen: kostenlose Tickets, Einladungen zu Presse-Events wie Probenbesuche oder die Möglichkeit, Künstlerinnen und Künstler zu treffen. Die Leidenschaft dafür und der eigene Anspruch, den Followern einen echten Mehrwert zu bieten mit wichtigem, relevanten Content? Oft Fehlanzeige.

Für die Musical-Community ist das ein ernstes Problem. Die Szene lebt von authentischem Engagement, von Menschen, die mit Herzblut berichten und andere mit ihrer Begeisterung anstecken, und von Menschen, die wirkliche Geschichten aus der Szene erzählen und die Köpfe hinter diesen Geschichten vorstellen möchten. Wer hingegen auf Fake-Follower setzt, schadet nicht nur seiner eigenen Glaubwürdigkeit, sondern auch der Glaubwürdigkeit aller anderen.

Zur besseren Einordnung: kulturfeder.de ist seit 2016 auf Instagram und hat seitdem etwas mehr als 4.000 Follower aufgebaut, die Kollegen der Musicalzentrale sind erst seit 2023 auf Instagram und haben in dieser Zeit rund 3.000 Follower für sich begeistern können. Die beiden Youtuber der Red Curtain Show sind seit 2016 am Start und zählen 10.000 Follower. Musicalzone hat seit 2015 knapp 12.000 Follower gesammelt. Der Youtuber von Bergmanns Bühne ist seit wenigen Monaten auf Instagram vertreten und hat bis jetzt 800 Follower. Diese Accounts sind positive Beispiele, die langsam und organisch gewachsen sind. Wie realistisch ist es also, dass ein paar Newbies zwischen 10.000 und 15.000 Instagram-Follower aufbauen, von denen mehrere Tausend innerhalb weniger Tagen dazugekommen sind? Klar, in Indien und Russland interessiert man sich natürlich brennend für deutschsprachigen Musical-Content. Nicht.

Es ist also Zeit, genauer hinzusehen – und klare Grenzen zu ziehen. Theater, Künstler und Musicalfans sollten sich nicht länger blenden lassen und ihren Teil dazu beitragen, dass Qualität und Authentizität wieder vor Quantität stehen. Andererseits gibt es leider auch Künstlerinnen und Künstler mit gekauften Followern. Vielleicht wollen sie so für Theater interessanter erscheinen, mit Kolleginnen und Kollegen mithalten, die Fans blenden oder einfach ihr Ego aufwerten. Doch dadurch produzieren sie ihren Content lediglich für eine leere Blase. Das ist bedauernswert, passt aber irgendwie auch zum Showbiz. Mehr Schein als Sein eben.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".