Das waren meine persönlichen Musical-Highlights 2024
Zum Jahresende blicke ich wieder zurück auf die vergangenen zwölf Monate, in denen ich neben Konzerten, Shows, Sprechtheaterstücken, Opern und Operetten auch wieder einige Musicals gesehen habe. Insgesamt komme ich im Jahr 2024 auf 38 Musicalvorstellungen – das sind zehn weniger als im Vorjahr, weil ich das Jahr 2024 in Bezug auf Musicals ziemlich unspektakulär fand. Bei meiner persönlichen Top-10-Liste habe ich auf eine Gewichtung oder Platzierung verzichtet. Die Reihenfolge dieser Liste entspricht dabei der Reihenfolge, in der ich die Stücke besucht habe.
„Sweeney Todd“ in Dresden
An der Staatsoperette Dresden ist es sehr gut gelungen, die düstere, blutige Welt von „Sweeney Todd“ mit zeitgemäßen Elementen zu verbinden. Das Stück ist einerseits ein Gruselschocker, bietet andererseits aber auch großen Unterhaltungswert, so dass sich die Momente abwechseln, in denen einem zuerst ein kalter Schauer über den Rücken jagt und man gleich darauf wieder lachen oder schmunzeln muss. Die moderne Inszenierung von Martin G. Berger hat mich durch ihren Ideenreichtum sehr begeistert und viel besser unterhalten als die vielfach gefeierte (aber für mich eher langweilige) Inszenierung von Gil Mehmert in Dortmund.
„Titanic“ in Erfurt
Die „Titanic“-Inszenierung von Stephan Witzlinger am Theater Erfurt war ein beeindruckendes Spektakel, das durch geisterhafte Elemente eine faszinierende Ebene erreichte. Die Verwendung von geschickt geschminkten Darstellerinnen und Darstellern und verwittert anmutende Kostüme verliehen den Toten der Titanic eine authentische und unheimliche Präsenz. Die Bühnengestaltung setzte auf Andeutungen von Kulissen – mal eine Reling, mal die vom Salzwasser angegriffenen Spiegelwände im Salon der Ersten Klasse oder Stühle mit fehlender Rückenlehne intensivierten die Atmosphäre des Schiffsunglücks. Ein spannender neuer Blickwinkel auf dieses schon zahlreich inszenierte Musical!
„Aida“ in Scheveningen
In Deutschland schon lange nicht mehr auf einer Bühne zu sehen, erlebte das Musical „Aida“ von Elton John und Tim Rice sein Revival im niederländischen Scheveningen, wo es im Circustheater bereits von 2001 bis 2003 aufgeführt wurde. Disney und Stage Entertainment haben das Stück jetzt grundlegend überarbeitet und in den Niederlanden eine Neuinszenierung präsentiert, die sehr gelungen dem aktuellen Zeitgeist angepasst wurde und ein starkes Frauenbild etabliert.
„Mamma Mia!“ in Tecklenburg
Die Freilichtspiele Tecklenburg präsentierten in diesem Jahr zum ersten Mal in Deutschland eine freie Inszenierung des Musicals „Mamma Mia!“ unter freiem Himmel. Ulrich Wiggers, der das Stück aus mehr als 1.000 eigenen Vorstellungen bestens kennt, führte dabei Regie und brachte eine besondere Note ein: In seiner Inszenierung kam die griechische Atmosphäre und das Gefühl einer großen Sommerparty noch stärker über die Rampe als in der Originalinszenierung. Ein weiteres Highlight: Das Bühnenbild, das Jens Janke dafür geschaffen hat, war wahrscheinlich sein bislang bestes.
„Jesus Christ Superstar“ auf Niederlande-Tour
Mehr als 50 Jahre nach der Uraufführung mag man kaum glauben, dass es noch möglich ist, das Musical „Jesus Christ Superstar“ so zu inszenieren, dass es frisch, heutig, mit neuem Blickwinkel und so gewaltig rüberkommt, wie man es wahrscheinlich noch nie zuvor gesehen hat. Die Neuinszenierung von Ivo van Hove, die dieses Jahr in den Niederlanden auf Tour war, hat aber genau das geschafft. Für mich die größte Überraschung in diesem Jahr!
„Bonnie & Clyde“ in Bad Gandersheim
Die Gandersheimer Domfestspiele boten mit ihrer Inszenierung des Musicals „Bonnie & Clyde“ ein packendes Erlebnis. Das Stück, basierend auf dem Leben der berüchtigten Gangster Bonnie Parker und Clyde Barrow, erzählt ihre Geschichte von der ersten Begegnung bis zu ihrem tragischen Ende. Die Inszenierung von Sandra Wissmann bestach durch eine spannende Mischung aus historischen Fakten und dramatischer Interpretation. Ein echtes Juwel, musikalisch wie dramaturgisch echt gelungen!
„3 Musketiere“ in Meppen und Tecklenburg
Das Musical „3 Musketiere“ war im Sommer auf gleich zwei Freilichtbühnen zu sehen, die keine 100 Kilometer voneinander entfernt sind. Die Inszenierungen von Iris Limbarth (Meppen) und Andreas Gergen (Tecklenburg) waren sehr unterschiedlich, konnten mich aber beide gleichermaßen abholen. Während die Meppener Inszenierung mehr die humoristische Seite der Story beleuchtete, war die Tecklenburger Version wesentlich blutiger und brutaler. Optisch punkteten beide Produktionen mit Bühnenbild und Kostümen.
„John & Jen“ in Münster
Auf das Musical „John & Jen“ bin ich vor einiger Zeit aufmerksam geworden, als ich erfahren habe, dass Timothy Roller die deutsche Übersetzung anfertigt. Am Theater Bielefeld habe ich das Stück vor ein paar Jahren allerdings leider verpasst. Also musste ich die Chance nutzen, es jetzt endlich in Münster zu sehen. Ohne große Erwartungen bin ich in die Vorstellung gegangen – einfach nur neugierig auf das Musical. Was sich mir dann bot, war eine regelrechte Achterbahn der Gefühle, die mich emotional tief berührt hat.
„Mozart!“ in München
Auch Andreas Gergens mutige Neuinszenierung von „Mozart!“ in München hat mich positiv überrascht. Gergen und das gesamte Kreativteam bewiesen in allen Aspekten Mut und Liebe zum Detail. Die Verknüpfung von Tradition und Moderne, von Musik und Bühnenbild, war für mich eine meisterhafte Umsetzung, die mir für immer im Gedächtnis bleiben wird. Um es anders auszudrücken: Genau 25 Jahre nach der Uraufführung ist „Mozart!“ in der Gegenwart angekommen und öffnet sich einem neuen, jungen Publikum. Grandios!
„MJ“ in Hamburg
Ganz ehrlich: Ich hatte gar keine Lust auf „MJ“. Ich bin also komplett unvorbereitet, ohne Erwartungen und fast schon gelangweilt in die Vorstellung gegangen – um mich dann von der Musik, dem Buch und der Inszenierung umhauen zu lassen. Ich kann gar nicht nachvollziehen, akzeptiere es aber selbstverständlich, dass es Menschen gibt, die bemängeln, das Stück hätte kaum Handlung. Allein wie Buch und Regie die Zeitebenen miteinander verweben und zwischen Michael Jacksons Konzertszenen, Probenatmosphäre und privaten Momenten fließend wechseln, fand ich großartig. Das war ein gelungener Jahresabschluss!
Text: Dominik Lapp