Unterhaltsam: „Ein Sommernachtstraum“ in Hannover
Shakespeare ist zurück in den Herrenhäuser Gärten von Hannover. Schon in den Sommermonaten der Jahre 2003 bis 2006 war die Musical-Bearbeitung des Shakespeare-Klassikers “Ein Sommernachtstraum“ aus der Feder von Heinz Rudolf Kunze und Heiner Lürig in Hannovers Gartentheater zu sehen. Regisseur Christian von Götz hat das Stück jetzt als Neuinszenierung auf die Bühne gebracht. “Ein Sommernachtstraum“ stellt dabei den ersten Teil der Shakespeare-Trilogie von Kunze und Lürig dar, zu der auch “Kleider machen Liebe“ und “Der Sturm“ gehören.
Für das Erstlingswerk hat Heiner Lürig eingängige Musik komponiert, die gut ins Ohr geht. Zu den poppigen Up-Tempo-Nummern und lyrischen Balladen steuert Heinz Rudolf Kunze Songtexte mit seinem bekannten Sprachwitz bei, was mal glücklich und mal weniger glücklich klingt. Souverän umgesetzt wird die Musik von einer sechsköpfigen Band unter der Leitung von Andreas Unsicker.
Die für eine Bühne ungewohnte Tiefe nutzt Christian von Götz voll aus und lässt seine Akteure oft vom hinteren Ende auftreten und abgehen. Nach vorn wurde die steinerne Bühne sogar noch um einen kleinen Holzsteg verlängert, den die Darsteller als Zugang zum Zuschauerraum nutzen. Wo die Handwerkertruppe – die anlässlich eines großen Festes von Fürst Theseus in Athen ein stümperhaftes Theaterstück auf die Beine stellt – in der vorigen Inszenierung noch auf Fahrrädern angeradelt kam, darf sie in von Götz’ Inszenierung nun mit einem laut knatternden, dreirädrigen Lieferwagen auf die Bühne fahren. Ein schöner Einfall, der vom Publikum mit Szenenapplaus honoriert wird. Die Choreografie von Verena Hierholzer hingegen wirkt ein wenig uninspiriert, zumal das Stück musikalisch sowieso nicht mit großen Tanznummern aufwarten kann.
Auch ein Bühnenbild sucht man in den schönen Barockgärten vergeblich, und so sind es lediglich Ergänzungen, die Bühnen- und Kostümbildner Michael Goden geschaffen hat. Während die von vergoldeten Bleistatuen, Taxuspyramiden, Hecken und Laubbäumen gesäumte Bühne bereits das Grundgerüst stellt, wurde darin noch ein abstraktes Gestänge aus Aluminiumrohren integriert. Zwei Bänke, eine Wand aus künstlichem Buchsbaum und eine auf dem dreirädrigen Lieferwagen aufgebaute Minibühne für das Trash-Theaterstück der Handwerker sind alles, was als Bühnenbild vorhanden und nötig ist. Mit Beginn der Dämmerung verwandelt sich das Gartentheater dann auch mittels Lichttechnik und Bühnennebel sehr effektvoll in einen mystischen Wald.
Die Kostüme wurden seit der Uraufführung weiterentwickelt, und so kommen die Athener Bürger um Herzog Theseus und seiner Hippolyta nicht mehr nur in schlichtem Weiß daher. Stattdessen darf gerade Anke Fiedler als Hippolyta sehr schöne Kleider tragen, und das Damenensemble zeigt sich zum Teil sehr aufreizend, wie zum Beispiel in schwarzen BHs in Kombination mit schwarzen Blazern. Sehr farbenfroh und fantasievoll mit Glitter und Pailletten gestaltet sind auch die Kostüme von Oberon, Titania und den Waldgeistern. Doch der absolut schillerndste Paradiesvogel ist Felix Martin in der Rolle des Kobolds Puck, der aufgrund seines extravaganten Kostüms und des reich kolorierten Make-ups fast nicht zu erkennen ist. Ohnehin ist Felix Martin als Puck, wie schon sein Vorgänger Jens Krause, der Publikumsliebling. Schauspielerisch überzeugt er als quirlig-verrückter, hinterlistiger und leicht sexistischer Kobold. Auch gesanglich lässt Martin nichts zu wünschen übrig, obwohl er mit “Schabernack der Nacht“ einen offenbar nicht sehr fordernden – wenn auch eingängigen – Song zu singen hat.
Anke Fiedler gelingt die Darstellung ihrer Doppelrolle Hippolyta/Titania hervorragend. Ist sie als Hippolyta die liebende Ehefrau an der Seite des Herzogs Theseus, so gibt sie die Titania als vorlaute Elfenkönigin. Und auch Michael Ophelders als Theseus/Oberon muss sich nicht hinter Timo Ben Schöfer verstecken, der diese Doppelrolle im vergangenen Jahr spielte. Sowohl Fiedler als auch Ophelders können schauspielerisch wie gesanglich überzeugen.
Mirja Regensburg, die ihr komödiantisches Talent bereits im Quatsch Comedy Club unter Beweis gestellt hat, ist in der Rolle des Blondchens Helena hauptsächlich damit beschäftigt, ihrem angebeteten Demetrius (Thomas Sprekelsen) hinterherzulaufen und ihre Liebe zu selbigem mit klarer Stimme zu besingen. Sprekelsen hingegen gibt einen von Helena genervten Demetrius, der eigentlich in Hermia (Milica Jovanovic) verliebt ist, die aber keinerlei Interesse an ihm hat, da sie ihr Herz bereits an Lysander (Florian Lüdtke) verloren hat. Das Quartett der Liebenden ist hervorragend besetzt und sorgt mit seinem Liebesverwirrspiel für viele lustige Szenen.
Mit Bernd Tauber wurde außerdem ein aus Film und TV bekannter Schauspieler verpflichtet. War er einst der Obersteuermann in Wolfgang Petersens Film “Das Boot“, so gibt er nun im “Sommernachtstraum“ die Rolle des zeitweise in einen Esel verwandelten Handwerkers Bottich, für dessen Darstellung er vom Publikum mit etlichen Lachsalven belohnt wird.
Gelacht wird während der Vorstellung ohnehin sehr viel – Heinz Rudolf Kunze und Heiner Lürig scheinen den Geschmack des Publikums getroffen haben, auch wenn ihre Bearbeitung von Shakespeares “Ein Sommernachtstraum“ genauso wie das Original keine große Handlung bieten kann. Doch unterhaltsam ist es allemal. Lediglich der Begriff Musical ist für diese Produktion ein wenig zu hoch gegriffen. Was Kunze und Lürig ihrem Publikum präsentieren, ist vielmehr ein mit Musik unterlegtes Sprechtheaterstück, in dem viel gesprochen und relativ wenig gesungen wird.
Text: Dominik Lapp