Auch konzertant ein loderndes Feuer: „Adriana Lecouvreur“ in Oldenburg
Eine typische Primadonnen-Oper ist „Adriana Lecouvreur“ von Francesco Cilea, musikalisch und dramatisch äußerst stark konstruiert – und sie funktioniert ganz hervorragend, wenn die Titelrolle mit einer Sängerin mit großer Ausstrahlung besetzt wird. Dann funktioniert diese Oper auch konzertant und trotz der Corona-Plexiglaswände, die die Sängerinnen und Sänger voneinander trennen, wie jetzt auf der Bühne des Oldenburgischen Staatstheaters.
Raumgreifend ist Lada Kyssys erster Auftritt. Sie betritt die Bühne und flutet das Auditorium mit dem Wohlklang ihrer Stimme, agiert – auch wenn es konzertant ist und die Plexiglaswände nicht viel Raum zulassen – wunderbar mit den weiteren Solistinnen und Solisten. Als geradezu ideal erweist sich die Rolle der Adriana für die Stimme von Lada Kyssy. Sie rezitiert mit Pathos, lässt ihre Adriana brodeln und scheint sich in den hohen Spitzentönen wohlzufühlen. Ihre Darbietung gleicht einer Offenbarung.
In der Rolle der Fürstin von Bouillon läuft aber auch Ann-Beth Solvang zur Höchstform auf. Mit ihrem durchsetzungsstarken Mezzosopran gelingt ihr im zweiten und dritten Akt eine fulminante Intonation der gekränkten Gegenspielerin Adrianas. Als Fürst von Bouillon bewährt sich Ill-Hoon Choung mit seinem erdigen Bass, wohingegen Jason Kim als sächsischer Graf Moritz in einer ganzen Reihe von schmelzend schönen Tenorarien gesanglich begeistert und viel Leidenschaft in seine Rolle legt.
Eine solide Leistung bringt zudem Johannes Leander Maas, Mitglied des Opernstudios, der klitzekleine darstellerische Unsicherheiten charmant weglächelt und trotz seiner relativ kleinen Rolle gesanglich einen positiven Eindruck hinterlässt. Als stimmliche Bereicherung erweisen sich weiter Leonardo Lee als Michonnet sowie die bezaubernde Martyna Cymerman als Mademoiselle Jouvenot und die großartige Erica Back als Mademoiselle Dangeville.
Bei so einer konzertanten Aufführung besteht immer die Gefahr, dass ein Stück lediglich heruntergesungen wird. Dies ist in Oldenburg aber glücklicherweise nicht der Fall. Alle Sängerinnen und Sänger legen sich ordentlich ins Zeug, überzeugen mit authentischer und niemals übertrieben künstlicher Mimik und Gestik. Vielmehr lassen sie gemeinschaftlich ein Feuer lodern, bringen Emotionen und Leidenschaft in ihre Rollen ein und agieren im Rahmen ihrer eingeschränkten Möglichkeiten selbst durch Plexiglasscheiben hindurch exzellent miteinander – auch dank sparsam eingesetzter Kleinrequisiten.
Das Oldenburgische Staatsorchester – hinter den Sängerinnen und Sängern auf der in verschiedenen Farben ausgeleuchteten Bühne (Licht: Sophie Thyssen) platziert – spielt Cileas Partitur unter der Leitung von Vito Cristofaro mit äußerst großer Sorgfalt und entzündet durch die detailfreudige, lebhafte Interpretation ebenfalls ein Feuer und brennt so eine Vorstellung nieder, die noch lange positiv nachhallt.
Text: Dominik Lapp