Der Zauber der Filmmusik: „At the Movies“ in Bielefeld
Wenn sich hochkarätige Musicaldarsteller zusammenschließen und ein farbenfrohes, buntes Showprogramm auf die Beine stellen, kann dies nur eines bedeuten: Es hebt sich der (virtuelle) Vorhang für einen Abend der Extraklasse, an dem man gesanglich und künstlerisch keineswegs enttäuscht, sondern exzellent unterhalten wird. Nach „Ladies sing Gentlemen- Guys sing Dolls“ ist „At the Movies“ unter der führenden Feder von Yara Hassan (Regie) und Andreas Luketa (Konzept) nun ein weiteres Streaming-Konzert aus der Reihe der Sound of Music Concerts. 32 Songs sowie jede Menge Witz, Charme und große Emotionen laden ein zu einem Streifzug durch die letzten Jahrzehnte der Film- und Fernsehgeschichte, ein Streifzug, der zum Träumen verführt und die Sehnsucht nach Kino und Musical wieder einmal schmerzlich aufflammen lässt. Aber, wie dankbar kann man sein für diesen mitreißenden Abend und ein Feuerwerk unvergleichlicher Stimmen! Dass Alexander Klaws, Drew Sarich, Mark Seibert, Andreas Bieber und Maya Hakvoort zu den ganz Großen im Musicalgeschäft gehören, ist keine Neuigkeit, aber auch Misha Kovar, Laura Saleh und vor allem Michaela Schober machen mit ihren fantastischen Stimmen die Riege der Stars an diesem Abend komplett. Sie alle zeigen ihr vollstes Repertoire an Talent, Hingabe und Entertainment und haben die eine oder andere Überraschung im Gepäck.
Auch hier bietet Streaming wieder eine wundervolle Alternative, solange man auf Live-Konzerte dieser Art noch verzichten muss. Eine einwandfreie Technik und enthusiastische Musiker an Keyboard, Drums, Bass und Gitarre unter der Leitung von Bernd Steixner sorgen für schwungvolle Untermalung und bringen einen Hauch von Hollywood, Glitzer und Glamour in die heimischen Wohnzimmer.
Nach dem glanzvollen Opening mit „Don‘t forget about me“ („Breakfast Club“) und „Love is all around“ („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) eröffnet Andreas Bieber charmant den Abend und lädt ein auf eine Reise durch die Musik der großen Kinofilme und Serien. Schmunzelnd nimmt er Bezug auf die acht Kameras im Raum, die sie „beglotzen“ und bringt diese in Verbindung mit dem Zauber der Traumfabrik Kino und der Filmmusik, welche wiederum die großen Blockbuster erst zum Erlebnis werden lässt.
Unvergleichliche Melodien entführen die Zuschauer direkt nach Kalifornien zu „Hollywoods schönstem Lächeln“ alias Julia Roberts mit den großen Hits wie „When you see nothing at all“ aus „Notting Hill“ (Alexander Klaws featuring Laura Saleh) oder „It must have been Love“ aus „Pretty Woman“ (Misha Kovar featuring Andreas Bieber) sowie im Anschluss einmal rund um den Erdball in die Südsee zu Disneys „Vaiana“ („Ich bin bereit“ von Maya Hakvoort). Denn was wären Kino und Film ohne grenzenlose Fantasie und Träume? Als Alexander Klaws das Publikum mit auf die Reise in den Dschungel nimmt und in seiner Darbietung zu „Fremde wie ich“ aus „Tarzan“ das Leben im Urwald mit sichtlicher Freude erneut aufleben lässt, mag den ein oder anderen die Sehnsucht nach Musicals und Live-Theater enorm packen. Und wo wir schon bei Träumen sind, dürfen auch Märchen natürlich nicht fehlen: Mit „Küss mich, halt mich, lieb mich“ von Michaela Schober und Laura Saleh finden sich die Zuschauenden im glitzernden Zauber des Winters und in der fantasievollen, romantischen Welt des Klassikers „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ wieder.
Es folgen die großen Filmklassiker der 1990er Jahre, und manch einer mag sich an die Konzertreihe „Hollywood Dreams“ erinnern, als Mark Seibert und Maya Hakvoort „Up where we belong“ („Ein Offizier und Gentleman“) wunderbar weich und harmonisch interpretieren oder Alexander Klaws zum Mittanzen auffordert, als er „Eye of the Tiger“ aus „Rocky“ anstimmt und über die Bühne rockt.
Auch Drew Sarich darf hier keinesfalls unerwähnt bleiben, ist er ein doch eher selten gesehener Gast bei Sound-of-Music-Konzerten. Herausragend gelingt es ihm mit seiner großartigen Interpretation von „I don‘t wanna miss a Thing“ („Armageddon“) mit Michaela Schober zu zeigen, dass er für diese gefühlvolle Rockballade die perfekte Besetzung ist. Er interpretiert die Nummer nicht nur, er lebt sie, er verschmilzt mit ihr und dem Publikum im hypnotisierenden Zusammenspiel mit der Kamera.
Doch nicht nur die typischen Hollywoodblockbuster finden ihren Platz auf der Bühne bei „At the Movies“, sondern auch TV-Serien, die über viele Jahrzehnte hinweg Fernsehgeschichte schrieben und ganze Generationen miteinander verbanden. So zum Beispiel ein äußerst amüsantes Kinderserien-Medley, in dem vor allem Andreas Biebers charmante „Biene Maja“ oder Mark Seiberts und Alexanders Klaws‘ rockiger Kinderheld „Wickie“ hervorstechen.
Nach einer kurzen Pause wird sich im zweiten Teil hauptsächlich den bekannten Fernsehserien der letzten Jahre gewidmet und die beiden Berlin-Serien „Babylon Berlin“ und „Ku‘damm 56“ stellen sicher eines der absoluten Highlights des Abends dar, sind es doch Songs, die ihren Weg (noch) nicht auf die große Bühne gefunden haben. Mit „Zu Asche zu Staub“ („Babylon Berlin“) gelingt Andreas Bieber eine sagenhafte, magnetisierende, fesselnde Darbietung. Äußerst kreativ, energetisch, hypnotisierend und wie in Trance lockt er das Publikum durch die Kamera an, fängt es ein und schafft einen brodelnden Spannungsaufbau, der sich in einer faszinierenden Showeinlage, bei dem ihm das restliche Ensemble meisterhaft unterstützt, entlädt. Was für ein Knaller! Dem folgt, nicht weniger explosiv, Drew Sarichs Interpretation zu „Berlin, Berlin“, die erste Auskopplung des neuen Ku‘damm-Musicals, das im November in Berlin Premiere feiern soll. Gemeinsam mit Mark Seibert im Back-off rockt er voller Hingabe die Bühne in einer Hommage an die verrückte, liebenswerte Hauptstadt.
Ein wenig schade ist, dass es im zweiten Teil von „At the Movies“ fast ausschließlich bei Balladen bleiben wird, hatte das Ganze doch sehr verheißungsvoll mit den beiden „Knallern“ begonnen und Fahrt aufgenommen. Dadurch wird dem Konzert der Drive genommen, etwas mehr Stimmungsmacher hätten dem Format gut getan.
Dennoch kann man sich über mangelnde Abwechslung nicht beschweren, die Songauswahl ist sehr vielfältig und nicht jedes Lied mag einem sofort bekannt sein. Es folgen Highlights aus „Outlander“ („Sing mir ein Lied/ Skye Boat Song“ von Michaela Schober und Andreas Bieber), „Robin Hood“ (unglaublich berührend: Mark Seibert mit „Everything I do“) und „Highlander“ („Who wants to live forever“ von Misha Kovar und Alexander Klaws), welche abschließen mit dem einem allseits bekannten, preisgekrönten Hollywoodstreifen, der ganze Generationen prägte: „My Heart will go on“ aus „Titanic“ darf hier natürlich nicht fehlen. Sicherlich schon mehr als oft gehört, allerdings sehr überraschend, begonnen durch die männliche Riege, steigen die Damen erst zum Refrain ein, eine Version, wie man sie sonst eher selten dargeboten bekommt.
Nach fast zweieinhalb Stunden nimmt das Konzert Kurs Richtung großem Finale. Und hier hat man zwei Songs ausgewählt, die schon nach wenigen Jahren Musikgeschichte geschrieben haben und auf keinem Konzert zur Filmmusik fehlen dürfen. In „A Million Dreams“ aus „The Greatest Showman“ lässt Maya Hakvoort das Publikum an ihren Träumen teilhaben und als beinahe krönenden Abschluss performt Michaela Schober mit allen Solisten im Backup „This is me“ und bringt hiermit noch einmal die Bühne zum Beben – nicht zuletzt dank ihrer fantastischer Stimme. Doch es ist nicht nur ihre Stimme, es sind das Strahlen in ihren Augen, ihr Enthusiasmus und die Kraft, die sie in den Song legt, so dass es sicherlich Menschen vor dem Bildschirm aus den Stühlen, pardon, von der Couch reißen mag. Ein Feuerwerk, das etwas gebremst wird durch eine erneute Ballade – wenn aber auch nur etwas: Laura Saleh führt mit „Unruly Heart“ aus „The Prom“ das Konzert zum funkelnden Finale, so dass es ganz am Ende in der Zugabe heißt: „It‘s time to dance!“
Es ist wahrhaftig eine Freude, all die Künstlerinnen und Künstler wiedervereint auf der Bühne zu sehen, voller Leidenschaft für ihr Genre und ihren Beruf, voller Liebe zur Bühne und zur Musik. Auch wenn Streaming nur ein Trostpflaster in dieser beschwerlichen Zeit ist und Live-Theater nie ersetzen kann und auch nicht soll: In manchen Momenten fühlt sich das Konzert in dieser wunderbaren Zusammensetzung fast an, wie nach Hause zu kommen.
Text: Katharina Karsunke