Bombast-Rock: „Bat out of Hell“ in Oberhausen
Was für eine Show! Mit „Bat out of Hell“ hat eine bombastische Rockshow Einzug gehalten im Metronom Theater Oberhausen. Zugegeben, nur ein weiteres Jukebox-Musical mit einem ziemlich dürftigen Buch und flachen Dialogen, aber dennoch sehenswert – und ganz besonders hörenswert. Denn die Show lebt nicht nur von der grandiosen Ausstattung, sondern auch von der starken Rockmusik aus der Feder Jim Steinmans und den ebenso starken Darstellern.
Was wohl eher unbekannt sein dürfte: Schon das erste „Bat out of Hell“-Album von Meat Loaf war ursprünglich als Musical konzipiert worden. Komponist Jim Steinman schwebte dabei eine Art moderne „Peter Pan“-Geschichte vor. Doch es dauerte 40 Jahre, bis aus den insgesamt drei „Bat out of Hell“-Alben tatsächlich ein Musical wurde. Der Stoff erzählt eine diffuse Geschichte, die in der fiktiven Stadt Obsidian in der Zukunft angesiedelt ist und in groben Zügen wirklich an „Peter Pan“, aber auch an die „West Side Story“ erinnert. Im Fokus steht dabei eine Gruppe von Jugendlichen, die nicht altern können, weil ihre DNA nach einem chemischen Krieg eingefroren ist.
Doch das schwache Buch einmal vernachlässigt, lohnt sich ein Besuch des Stücks schon allein aufgrund der Musik von Jim Steinman, der bereits die Musik zum Musicalerfolg „Tanz der Vampire“ beisteuerte. So werden Fans der Vampire in „Bat out of Hell“ einige Songs aus „Tanz der Vampire“ wiedererkennen. Aufgrund der Musik und der futuristischen Handlung spielt „Bat out of Hell“ in einer Liga mit Queens „We Will Rock You“. Die Show wartet mit unverwüstlichen Rocksongs auf – alle großen Hits der drei „Bat“-Alben wurden im Musical verarbeitet. Mit dem Song „Wo tut mir der Schmerz am meisten weh“ gibt es außerdem einen Titel, den Steinman eigens für das Musical geschrieben hat und der sich hervorragend in den bereits bestehenden Score einfügt.
Das Orchester unter der Leitung von Martin Gallery vollbringt eine wahre Glanzleistung, um den ausladenden Rocksongs gerecht zu werden. Der unvergleichliche Wagnerian-Rock-Sound, der in Anlehnung an die Musik Richard Wagners das Markenzeichen von Jim Steinman ist, klingt in jedem Song exzellent durch. Der Wechsel zwischen den harten Rocknummern und den ruhigeren Rockballaden gelingt den Musikern fabelhaft. Sie lassen den Boden im Zuschauerraum erbeben und liefern einen musikalischen Glanzpunkt nach dem anderen, so dass mal wieder deutlich wird, wie wichtig Livemusik in einem Musical ist.
Neben der Musik hat „Bat out of Hell“ zudem optisch eine ganze Menge zu bieten, wie zum Beispiel einen rund 17 Meter hohen Turm, den so genannten Falco Tower. Aus Stahl, Holz und Spiegelfläche wurde der Turm konstruiert und dient als wandelbare Spiel- und Projektionsfläche auf mehreren Ebenen. Aufwändig perspektivisch gestaltete Bühnenräume lassen die Bühne dabei in einer nicht real existierenden Tiefe erscheinen. Als besonderer Kniff werden die Szenen, die im Falco Tower spielen, live gefilmt und auf eine große Leinwand sowie auf mehrere in den Bühnenrand integrierte Röhrenfernseher übertragen, um sie für das Publikum sichtbarer zu machen. Auch kommen einige spektakuläre Effekte sowie Verwandlungen zum Einsatz, die an dieser Stelle aber nicht verraten sein sollen. Die Kostüme von Meentje Nielsen ergänzen das Erscheinungsbild sehr gut und lassen Hauptcharakter Strat und seine Gang wie Punkrocker der 1980er Jahre erscheinen.
Jim Steinman zeichnet nicht nur als Komponist für „Bat out of Hell“ verantwortlich, sondern hat auch die englischen Original-Songtexte und das Buch geschrieben. Zwar ist das Werk dadurch aus einem Guss, doch wird gerade das der Show zum Verhängnis, weil Buch und Dialoge recht dünn sind – trotz der gelungenen Übersetzung von Roland Schimmelpfennig. Aber gegen eine schwache Vorlage ist auch der beste Übersetzer machtlos und kann nur versuchen, zu retten, was zu retten ist. Bei den Songtexten hat sich Frank Ramond von Steinmans wuchtigen Originalen weitestgehend freigemacht. Dafür hat er deutsche Versionen geschaffen, die noch einige englische Zitate beinhalten und die Dialoge gut weitererzählen.
Leider wird allerdings nicht deutlich, warum sich die Verantwortlichen für diesen Deutsch-Englisch-Mix entschieden haben. Während es bei „We Will Rock You“ nur allzu klar ist, dass die Rebellen auf Englisch und die Gaga-Kids und Globalsoft-Anhänger auf Deutsch singen, werden die Zuschauer bei „Bat out of Hell“ gänzlich im Unklaren gelassen, warum es in den deutschen Songtexten und Dialogen immer wieder englische Einschübe gibt – was aber nichtsdestotrotz genial klingt.
Genial ist auch das Tempo, mit dem Regisseur Jay Scheib (Einstudierung: Nick Evans) die Handlung vorantreibt. Zwar ist der erste Akt buchbedingt noch recht lahm und wirr, doch der zweite Akt reißt das wieder raus – da erklingen dann nämlich die weitaus besseren Songs und die Story entwickelt mehr Spannung. Die Personenregie und Charakterentwicklung weist allerdings große Defizite auf. So entwickelt sich keine Rolle wirklich weiter und die Charaktere bleiben ziemlich oberflächlich. Die größte Entwicklung gibt es noch bei dem herrschsüchtigen Falco und Strats bestem Freund Tink.
Das Aushängeschild der Produktion sind die hochkarätigen Solisten und das impulsive Ensemble, das eine unglaubliche Energie ins Auditorium überträgt – besonders in den furios von Emma Portner choreografierten und von Michael Naylor einstudierten Nummern. Robin Reitsma gibt Strat schauspielerisch überzeugend als Helden, Revoluzzer sowie unermüdlichen Freiheitskämpfer und heizt dem Publikum mit seinem hellen Tenor ordentlich ein. Warum er jedoch, das Rockerklischee bedienend, immer wieder mit nacktem Oberkörper auftreten muss und sich wiederholt das Shirt vom Leibt reißt, bleibt wohl ein Geheimnis des Regisseurs.
Als Raven kann Sarah Kornfeld begeistern – insbesondere mit ihrem Gesang. Mit dem rockigen Timbre macht sie sich jeden ihrer Songs zu eigen und schauspielerisch gelingt ihr der Wandel von einem im goldenen Käfig gefangenen Mädchen zur rebellischen Rockerbraut mit Bravour, auch wenn ihr Charakter aufgrund der zickig-pubertären Art irgendwann nervt.
Eine wahre Naturgewalt ist jedoch Alex Melcher. Nach vielen Jahren im Musicalbusiness und zahlreichen Hauptrollen beweist der charismatische Darsteller als Falco in „Bat out of Hell“ einmal mehr, dass er eine absolute Rampensau ist. Sein Falco ist durch und durch ein Tyrann – sowohl als Herrscher über Obsidian als auch in der strengen Vaterrolle. In seinem Falco Tower herrscht er wie einst Donald Trump im Trump Tower („Make Obsidian great again!“). Die Charakterzeichnung Falcos gelingt Melcher nicht nur im Schauspiel exzellent, sondern insbesondere gesanglich. Alle seine Songs interpretiert er mit einnehmendem Rocktimbre und durchschlagender Kraft. Großartig!
Nicht weniger beeindruckend ist Willemijn Verkaik als Falcos Ehefrau Sloane. Schauspielerisch begeistert sie ganz besonders durch ihren trockenen Humor in den lakonischen Dialogen zwischen Sloane und Falco. Eindrucksvoll wechselt sie zwischen Gefühlen hin und her, wenn Sloane zunächst ihrem Mann die Meinung geigt und sich dann ganz einfühlsam auf ihre Tochter einlässt. Gesanglich läuft sie sowohl solo als auch im harmonischen Duett mit Alex Melcher zu Hochtouren auf und fesselt wie gewohnt mit ihrer kraftvollen Beltstimme.
Leider erschließt sich nicht, warum so ein starkes Leading-Paar wie Verkaik und Melcher von der Regie gezwungen wird, sich die Klamotten vom Leib zu reißen und den Beischlaf so peinlich zu vollziehen, dass es zum Fremdschämen ist. Ebenfalls aufs Minuskonto gehen die meist langweiligen Kostüme und die altbackene Perücke von Sloane.
Ein verheißungsvolles Paar sind darüber hinaus Aisata Blackman als Zahara und Benet Monteiro als Jagwire. Ihnen gehören nicht nur einige der musikalisch stärksten Nummern in der Show, sie wissen sie mit ihren Stimmen auch äußerst gewaltig zu interpretieren. Rollendeckend sind außerdem Michael Moore als Ledoux und Lorenzo Di Girolamo als Blake sowie Tom van der Ven, der als Tink zwar immer im Schatten seines besten Freunds Strat steht, aber alles – vor allem im zweiten Akt – aus dieser recht kleinen Rolle herausholt und damit positiv im Gedächtnis bleibt.
Obwohl „Bat out of Hell“ nur eine dünne Story und flache Dialoge vorzuweisen hat, bleiben auf der Habenseite die spielfreudigen und stimmstarken Darsteller, die grandiose Rockmusik von Jim Steinman und eine beeindruckende visuelle Umsetzung, so dass das Stück sicherlich sein Publikum in Deutschland finden wird. Ein sehenswertes Spektakel mit Bombast-Rock!
Text: Dominik Lapp