„Beatles an Bord“ (Foto: KATiELLi Theater)
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Witzig und originell: „Beatles an Bord“ in Datteln

Sanfte Bossa-Nova-Melodien säuseln aus den Lautsprechern, sobald man den Zuschauerraum im KATiELLi Theater in Datteln betritt. Erst beim zweiten Hinhören stellt man fest, dass es sich bei der Hintergrundmusik um südamerikanische Orchesterarrangements von Beatles-Songs handelt. Unverzüglich stellt sich ein entspanntes Urlaubsgefühl ein, das noch durch ab und an eingespielte Flughafendurchsagen verstärkt wird. Und damit befindet man sich auch schon inmitten der Handlung des Comedy-Musicals „Beatles an Bord“ von Enrique Keil.

Babette, Jeanette und Raclette, drei adrette Stewardessen der französischen Billigairline „Jet Baguette“, heißen das Publikum beziehungsweise die Passagiere auf dem Linienflug von Dortmund-Holzwickede nach Paris willkommen. Doch wer mitfliegen will, braucht starke Nerven und sollte alle Flugangst gleich über Bord werfen, denn leider hat die Fluggesellschaft „alle Kosten und Mühen gescheut“: Beim Jungfernflug der inzwischen schrottreifen Maschine vor fast 60 Jahren waren schon die Beatles mit von der Partie. Die Wandverkleidung in der Kabine erinnert an verblichene Prilblumen, auch die Sitze und Anschnallgurte scheinen nicht mehr ganz verkehrstauglich. Kaum ist die Klapperkiste über den Wolken, kommt es noch schlimmer: Der betrunkene Pilot Jean-Pierre Sarkozy (dessen Stimme nur aus dem Off zu hören ist) hat sich verflogen, der Co-Pilot Maurice liegt tot in der Gepäckablage und die gesamte Bordverpflegung ist am Flughafen vergessen worden.

Zum Glück bleiben wenigstens die drei Flugbegleiterinnen in ihren fröhlich-frischen weiß-gelben Kostümen mehr oder weniger gelassen. Mit beständigem Lächeln und charmantem, französischem Akzent („Wir können alles – außer ‘ochdeutsch.“) versuchen sie, die Passagiere bei Laune zu halten. Dabei wird das Publikum immer wieder angesprochen oder zum Mitmachen animiert, um von den zahlreichen Pannen abzulenken. Amüsant sind auch die etwas eigenwilligen Auslegungen von Sprichwörtern. So wird das einzig Essbare an Bord – das vegetarische Menü, zwei Apfelhälften, kombiniert mit dem fleischhaltigen Gericht, einer Scheibe Wurst als Belag – nach reiflicher Überlegung an den Passagier mit dem teuersten Sitzplatz vergeben, während sein Sitznachbar ihm beim Essen zuschauen darf. Immerhin: „Das Auge isst mit.“

Als der Tank leckt und beide Triebwerke ausfallen, droht eine Notlandung auf dem Rhein-Herne-Kanal. Doch auch diese Situation meistern die Damen, wie alle anderen Pannen, indem sie den passenden Beatles-Song dazu singen: „With a little Help from my Friends”, da sind sie sicher, kann der drohende Absturz verhindert werden. Für das Musical wurden 26 Hits der Liverpooler Legenden neu arrangiert, von Tango über Reggae oder Jazz bis hin zu Klassik in unterschiedliche Musikstile verpackt und in die Handlung eingebettet. Die Musik wird hier als Halbplayback eingespielt, während die Stimmen der drei Stewardessen wirklich gut miteinander harmonieren. Jeanettes „Eight Days a Week“ mit verführerischen Tanzeinlagen klingt wie ein französisches Chanson, für Raclettes „Fool on the Hill“ greifen die drei kurzerhand zur Blockflöte und Babettes „Help!“ wird zur pathetischen Opernarie, während der von allen heißgeliebte, aber bereits zerstückelte Co-Pilot Maurice die Damen zu einem schwärmerischen „I want to hold your Hand“ hinreißt.

Seinen Höhepunkt erreicht das Geplänkel der drei Grazien zwischen Gezicke und Liebeskummer, als ein positiver Schwangerschaftstest auf dem Bord-WC gefunden wird. Die herrlich überzogenen und auch treffend besetzten weiblichen Charaktere bedienen alle Klischees, die man sich in dem Zusammenhang nur denken kann. Rosaly Oberste-Beulmann stellt Jeanette als naive Blondine mit entsprechender Mimik dar, die Niveau gerne mit der Hautcreme verwechselt, in jeder Stadt eine Affäre hat und häufiger mal wie aus Versehen auf dem Schoß eines Passagiers landet.

Ihr genaues Gegenteil ist die etwas ältere und seriös-strenge Chefstewardess Babette, brünett und mit Brille überzeugend dargestellt von Stefanie Kirsten. Nichts ist ihr wichtiger als die Einhaltung der Bordregeln. Wer hätte gedacht, dass gerade sie „eine Leiche im Keller“ hat? Ricarda Gernhardt spielt die Rolle der Raclette als rothaariges, etwas unbeholfenes, aber liebenswertes Pummelchen (ihr Kostüm ist extra ausgepolstert). Die junge Flugbegleiterin in Ausbildung wird ständig von ihren älteren Kolleginnen wegen ihrer Figur gemobbt, erweist sich am Ende aber als „rettender Engel“.

Wer reinen Klamauk erwartet, wird von „Beatles an Bord“ positiv überrascht sein: Eine absurde Situation jagt die nächste, die Verknüpfung der originell arrangierten Beatles-Songs mit der Handlung ist oft so weit hergeholt, dass es schon wieder lustig ist, und die Dialoge sind witzige Schlagabtausche mit viel schwarzem Humor. Wer das Stück noch sehen und einen amüsanten Abend mit guter Musik verbringen möchte: Es lohnt sich.

Text: Yvonne Drescher

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Yvonne Drescher ist studierte Musik-, Sprach- und Literaturwissenschaftlerin sowie Kulturmanagerin. Während ihres Studiums hat sie als freie Mitarbeiterin im Kulturbereich für Magazine und Zeitungen geschrieben und anschließend in der PR-Abteilung eines Tourneeveranstalters gearbeitet. Als Laiendarstellerin, Musikerin oder Regieassistentin war sie selbst schon an zahlreichen Musiktheaterproduktionen beteiligt.