Modernes Weihnachtsoratorium: „Bethlehem“ auf Tour
Mit dreijähriger Corona-Verspätung konnten Dieter und Paul Falk (Musik) sowie Michael Kunze (Songtexte) im Dezember 2023 ihr Chormusical „Bethlehem“ in Düsseldorf zur Uraufführung bringen. Jetzt, ein Jahr später, ist die Produktion auf kleiner Tour in Arenen in Hannover, Dortmund sowie Mannheim zu sehen, auch für 2025 stehen schon erste Tourtermine fest.
Es ist bereits das vierte gemeinsame Werk des Duos Falk/Kunze, die schon für „Die 10 Gebote“, „Moses“ und „Luther“ zusammengearbeitet haben. Mit „Bethlehem“ haben sie nun ein modernes Weihnachtsoratorium geschaffen, das auf das bewährte Inszenierungskonzept der Vorgängerproduktion setzt: Halbszenisch wird eine durchkomponierte Story mit Solistinnen und Solisten sowie einem großen Chor erzählt.
Die Inszenierung von Gil Mehmert und die Choreografie von Yara Hassan halten sich eher dezent zurück, wodurch der Chor auf den Rängen hinter der Bühne besonders hervorsticht. Die Kostüme von Britta Tönne sind schlicht und modern gehalten, während ihr Bühnenbild minimalistisch ausfällt: Wenige Requisiten und große, leuchtende Bethlehem-Buchstaben dominieren, die sowohl als Podeste genutzt werden als auch Schauplätze wie einen Stall oder den Hof des Herodes andeuten.
Im Mittelpunkt steht die bekannte Weihnachtsgeschichte von der Geburt Jesu, die jedoch in die heutige Zeit verlegt wurde. Ein Einkaufswagen symbolisiert das spärliche Hab und Gut von Maria und Josef, die Ablehnung, Vertreibung sowie den Entzug von Asyl und Arbeit erleben – ein deutlicher Verweis auf die aktuelle Situation von Geflüchteten. Später wird der Einkaufswagen zur improvisierten Krippe für das Jesuskind.
Musikalisch bietet das Stück eine abwechslungsreiche Mischung aus Pop- und Rockelementen, kraftvollen oratorienhaften Chorälen und geistlicher Musik. Durch Reprisentechnik erzeugt Dieter Falk viele Ohrwürmer, außerdem sind bekannte Melodien in die Partitur eingearbeitet worden. So basieren der Song „Verkündigung“ und das Finale auf dem Weihnachtslied „O come, all ye faithful“, das Lied „Wenn Gott ein Mensch ist“ zitiert Johann Sebastian Bachs Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ in einer Jazz-Version. Einziger Wermutstropfen: Das Orchester, das sichtbar auf der Bühne platziert ist, wurde im Vergleich zum Vorjahr erheblich verkleinert.
Auf zwei Videowänden werden die Songtexte von Michael Kunze eingeblendet, was besonders dazu beiträgt, die zahlreichen Chorpassagen besser verständlich zu machen. Der Chor (Leitung: Jan Meyer und Micha Keding) übernimmt hier die Rolle des eigentlichen Hauptdarstellers und Erzählers der Geschichte – ein Aspekt, der bei „Bethlehem“ noch stärker hervorsticht als bei den Vorgängerstücken.
Michael Kunze bleibt weitgehend der biblischen Erzählung treu, bringt jedoch eine überraschende Wendung ins Spiel: Herodes wird von einer Zauberin vergiftet, wodurch der von ihm befohlene Kindermord verhindert wird. Die zentrale Botschaft des Stücks lautet, dass jedes neugeborene Kind Hoffnung auf eine bessere Welt bringt und es sich lohnt, aktiv für positive Veränderungen einzustehen.
Alina Ju Tchin Simon überzeugt als kraftvolle und ausdrucksstarke Maria und beweist sowohl schauspielerisch als auch gesanglich großes Talent. Mit ihrer berührenden Darstellung steht sie dem gewohnt brillanten Benjamin Oeser, der ebenfalls mit stimmlicher Präsenz und authentischem Spiel als Josef beeindruckt, in nichts nach. Beide harmonieren perfekt miteinander und verleihen ihren Figuren das glaubwürdige Profil von Geflüchteten.
Mischa Mang setzt als Herodes einen markanten Gegenpol, dem er mit seiner imposanten Bühnenpräsenz und stimmlicher Wucht ein prägnantes Profil verleiht. Auch die weiteren Darstellerinnen und Darsteller glänzen: Karolin Konert überzeugt als Mamba mit starker Stimme und Charisma, Julia Lißel interpretiert die Rolle der Erzählerin mit Klarheit und Ausdruck, während Bonita Niessen als Engel mit klangvoller Stimme und ihrem riesigen weißen Kleid einmal mehr für einen Höhepunkt in der Show sorgt.
Auch das Trio aus Sebastian Wurth, Stefan Stara und Marlon Wehmeier bringt als Melchior, Balthasar und Caspar eine gelungene Dynamik auf die Bühne. So fügt sich die gesamte Besetzung zu einem künstlerisch überzeugenden Ensemble zusammen, das sowohl musikalisch als auch darstellerisch auf hohem Niveau agiert. Als modernes Weihnachtsoratorium ist „Bethlehem“ also definitiv sehenswert.
Text: Dominik Lapp