Voller Herz und Energie: „Billy Elliot“ in Zürich
In der Maag-Halle Zürich feierte das Musical „Billy Elliot“ von Elton John (Musik) und Lee Hall (Buch und Songtexte) eine triumphale deutschsprachige Erstaufführung, die in eine Welt voller Herz und Energie, voller Leidenschaft und Konflikte entführt. Die Inszenierung, die sich an der gefeierten Londoner Produktion orientiert, beeindruckt durch mitreißende Darstellungen und eine starke visuelle Gestaltung.
Dem Regisseur Mitch Sebastian und den Choreografinnen Sarah-Jane Brodbeck und Joy Knecht gelingt es, die Balance zwischen feurigen Tanzszenen und leisen, berührenden Momenten perfekt auszutarieren. Die Inszenierung ist nicht nur eine Hommage an das Original, sondern entfaltet eine eigene Dynamik, die das Publikum tief in die Geschichte um den tanzbegeisterten Billy hineinzieht. Lukas Hobi beweist als Musikalischer Leiter ein großartiges Gespür für die Nuancen der Musik von Elton John. Seine Musikerinnen und Musiker bringen die emotionalen Höhepunkte der Show überzeugend zur Geltung.
Für die deutschen Liedtexte zeichnet Roman Riklin verantwortlich, dessen Übersetzung der Poesie und Dramatik der Songs vollends gerecht wird. Die Texte klingen frisch und natürlich, ohne an Präzision zu verlieren, und geben den Emotionen in den Liedern eine prägnante Ausdruckskraft. Eric Hättenschwiler sorgte für eine ebenso gelungene Übersetzung der Dialoge, die den Ton des Stücks trifft.
Das Bühnenbild und die Kostüme, gestaltet von Francis O’Connor, schaffen eine überzeugende Kulisse für das Musical. Die Kombination aus stimmungsvollen Kulissen und zeitgemäßen Kostümen versetzt das Publikum ins England der Achtzigerjahre und bringt das Milieu der Bergarbeiter ebenso authentisch auf die Bühne wie die lebendige Welt des Tanzens.
Michael Grundners Lichtdesign ergänzt das Bühnenbild perfekt und setzt gezielte Akzente, die das Innenleben der Figuren sichtbar machen und die Stimmung jeder Szene treffend einfangen. In Kombination mit dem brillanten Sounddesign von Gastón Briski, das die emotionale Wirkung der Szenen noch verstärkt, wird die Aufführung zu einem rundum fesselnden Erlebnis.
Auch die Besetzung überzeugt auf ganzer Linie: Moritz Fischli gibt einen bemerkenswerten Billy Elliot, der zwischen kindlichem Ungestüm und ernster Entschlossenheit pendelt. Seine Tanzszenen sind voller Energie und Ausdruck, während seine stillen und auch wütenden Momente sehr berühren. Justin Périer glänzt als Billys bester Freund Michael mit Humor und Charme und sorgt für unbeschwerte Augenblicke, die von den Zuschauerinnen und Zuschauern gefeiert werden.
Pasquale Aleardi als Vater bringt eine ergreifende Emotionalität in die Rolle, die den schwierigen Balanceakt eines Mannes zwischen Stolz, Verletzlichkeit und Liebe meisterhaft widerspiegelt. Isabelle Flachsmann als Mrs. Wilkinson ist gleichermaßen resolut und mitfühlend, ihre Darbietung ist kraftvoll und inspirierend – eine Lehrerin, die die Bedeutung von Träumen versteht.
Sabine Martin als Großmutter sorgt für einige der humorvollsten und zugleich zärtlichsten Szenen und schafft es, mit wenigen Worten eine große Wirkung zu erzielen. Lucas Baier als Billys älterer Bruder Tony gibt der Geschichte zusätzliches Gewicht mit seinem explosiven Temperament und vermittelt überzeugend die Wut und Verzweiflung der Arbeiterklasse. Abgerundet wird die Riege der Darstellerinnen und Darsteller von Frank Logemann als knorrigem George, Chloe Michel als frecher Debbie und Siegmar Tonk als Mr. Braithwaite, der mit seiner leicht tollpatschigen Art für Lacher sorgt.
Alles in allem gelingt der Maag-Halle mit „Billy Elliot“ eine rundum überzeugende, mitreißende und berührende Produktion, die Zürich um ein musikalisches Highlight bereichert.
Text: Christoph Doerner