„Come from away“ in Regensburg (Foto: Marie Liebig)
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Mitreißend: „Come from Away“ in Regensburg

Das Theater Regensburg bringt mit „Come from Away“ ein Musical von Irene Sankoff und David Hein auf die Bühne, das nicht nur eine außergewöhnliche Geschichte erzählt, sondern auch emotional sehr berührt. Basierend auf wahren Ereignissen, schildert es die beispiellose Hilfsbereitschaft der Menschen in Gander (Neufundland), die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 plötzlich mit 7.000 gestrandeten Flugpassagieren konfrontiert sind. Die deutschsprachige Erstaufführung zeigt eindrucksvoll, wie aus einer Katastrophe Menschlichkeit und Hoffnung erwachsen können.

Die Inszenierung unter der Regie von Intendant Sebastian Ritschel verzichtet auf Pathos und Sentimentalität, setzt stattdessen auf Authentizität und Tempo. Ohne Pause entfaltet sich die Geschichte in einem energiegeladenen Fluss, der das Publikum von der ersten Minute an für knapp zwei Stunden mitreißt. Die sorgfältige Übersetzung von Sabine Ruflair trifft genau den richtigen Ton – mal humorvoll, mal ergreifend, aber immer glaubwürdig.

Ein herausragendes Element der Regensburger Produktion ist das Bühnenbild von Kristopher Kempf. Statt der Baumstämme der Broadway-Inszenierung ragen hier rote Stahlträger empor – eine direkte Verbindung zu den eingestürzten Twin Towers und ein kraftvolles Symbol für eine Story zwischen Tragödie und Hoffnung. Maximilian Rudolphs Lichtdesign setzt das Geschehen zudem stimmungsvoll in Szene.

Andreas Kowalewitz leitet das Orchester mit Bravour durch die abwechslungsreiche, irisch angehauchte Partitur und sorgt für Drive sowie Präzision. Die Musikerinnen und Musiker sind nicht nur Begleitende, sondern ein integraler Bestandteil des Geschehens und verleihen den Songs eine unbändige Kraft. Die Choreografie von Gabriel Pitoni ist ebenso dynamisch wie die Inszenierung selbst. Ohne klassische Tanznummern fügt sie sich nahtlos in das Geschehen ein.

Das zwölfköpfige Ensemble überzeugt auf ganzer Linie. Die Darstellerinnen und Darsteller übernehmen dabei mehrere Rollen – und das ohne große Kostümwechsel (Kostüme: Kristopher Kempf). Dank präzisem Schauspiel sind die Figuren stets klar unterscheidbar. Benedikt Eder gibt als Bürgermeister Claude Elliott eine ebenso charmante wie resolute Figur ab, während Wietske van Tongeren als Pilotin Beverley Bass mit kraftvoller Stimme und starker Bühnenpräsenz beeindruckt. Carin Filipcic und Jogi Kaiser verleihen Diane und Nick viel Wärme, während Andreas Bieber und Alejandro Nicolás Firlei Fernández als Kevin T. und Kevin J. das Publikum genauso humorvoll wie bewegend fesseln.

Was „Come from Away“ so besonders macht, ist seine Mischung aus Intensität, Humor und Menschlichkeit. Es erzählt keine Heldengeschichte im klassischen Sinn, sondern zeigt, wie normale Menschen in außergewöhnlichen Situationen über sich hinauswachsen. In Regensburg wird daraus ein packendes und äußerst intensives Erlebnis, das unter begeistertem Applaus endet.

Text: Christoph Doerner

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Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.