Vom Publikum gefeiert: „Die Comedian Harmonists – Jetzt oder nie“ in Osnabrück
Eine Gruppe, bestehend aus fünf Sängern und einem Pianisten, gilt als erste Boygroup der Welt: die Comedian Harmonists. Nachdem das Theater Osnabrück mit dem Musical „Die Comedian Harmonists“ in der Spielzeit 2013/2014 einen beachtlichen Erfolg landete, feiert nun der zweite Teil mit dem Titel „Die Comedian Harmonists – Jetzt oder nie“ seine Premiere in Osnabrück und wird am Premierenabend vom Publikum mit stehenden Ovationen gefeiert.
Nachdem der zähe erste Teil von Franz Wittenbrink und Gottfried Greiffenhagen verantwortet wurde, zeichnet für den nicht weniger zähen zweiten Teil nur noch Greiffenhagen verantwortlich. An seinem Buch krankt das Stück letztendlich, doch Regisseur Felix Seiler rettet, was zu retten ist. Insbesondere die Kürzungen und Überarbeitungen haben dem Buch gutgetan. Es ändert allerdings nichts daran, dass die Geschichte nach der Pause im Grunde schon nach einer Viertelstunde zu Ende erzählt ist und sich der weitere Verlauf der Handlung damit befasst, dass die einzelnen Mitglieder der Gesangsformation erzählen, was aus ihnen geworden ist.
Doch der Reihe nach: „Die Comedian Harmonists – Jetzt oder nie“ beginnt zunächst einmal wirklich interessant und setzt dort an, wo das Vorgängerstück endete. Auf eine überdimensionale Schallplattenhülle der Comedian Harmonists wird ein Schreiben der Reichsmusikkammer projiziert. Darin wird mitgeteilt, dass die drei jüdischen Mitglieder Erich Collin, Harry Frommermann und Roman Cycowski die Gesangsformation verlassen müssen und die Gruppe mit den verbleibenden Mitgliedern Robert Biberti, Ari Leschnikoff und Erwin Bootz nicht mehr unter dem Namen „Comedian Harmonists“ auftreten darf. Während die jüdischen Mitglieder von Wien aus als „Comedy Harmonists“ weltweit Erfolge feiern, treten die in Deutschland verbliebenen Sänger fortan als „Meistersextett“ auf.
Die herausfordernde Aufgabe, ein Stück mit nur sechs Darstellern auf einer riesigen Bühne mit Leben zu füllen, hat Felix Seiler mit Bravour erfüllt. Dazu hat er seine Ausstatterin Linda Schnabel mit nach Osnabrück gebracht, mit der er unter anderem schon bei „Der Mann von La Mancha“ bei den Schlossfestspielen Ettlingen sehr erfolgreich zusammengearbeitet hat. Mit Danny Costello hat er außerdem einen äußerst fähigen Choreografen an seiner Seite, der jedoch stückbedingt hinter seinen Fähigkeiten zurückbleibt.
Das, was Gottfried Greiffenhagens Buch an dramaturgischer Tiefe fehlt, macht Felix Seiler durch Überarbeitungen, Kürzungen und eine authentische Charakterzeichnung wett. Darüber hinaus hat Linda Schnabel, die ebenso für die kleidsamen Kostüme der Gesangsgruppen verantwortlich zeichnet, ein intelligentes Bühnenbild geschaffen. So zeigt sie die Drehbühne als Schellackplatte, darüber ein mit Glühbirnen gesäumter runder Spiegel, damit auch die im Parkett sitzenden Zuschauer die Platte erkennen können. Später zeigt die Mitte der Platte, auf der sich erst ein Aufkleber der Plattenfirma Electrola befand, ein Hakenkreuz. Ein mit Noten bedruckter, in Längsstreifen geschnittener Vorhang dient überdies als Projektionsfläche (Video: Margrit Flagner), um verschiedene Spielorte wie Paris oder Sydney anzudeuten.
Als genialer Kniff erweist sich, dass die sechs Darsteller abwechselnd sowohl die alten als auch die neuen Mitglieder von „Meistersextett“ und „Comedy Harmonists“ spielen. Felix Seiler ist dabei mit äußerst wandlungsfähigen Künstlern gesegnet, die ihre Figuren allesamt authentisch über die Rampe bringen. Florian Appel übernimmt die Musikalische Leitung, mimt wie schon im ersten Musical über die Comedian Harmonists den Pianisten Erwin Bootz und erweist sich dabei als geradezu genialer Begleiter am Flügel. Auch Marco Vassalli und Alexandre Pierre waren damals schon in den Rollen von Roman Cycowski und Robert Biberti mit von der Partie. Beiden gelingt erneut eine glaubhafte Rollenzeichnung mit gesanglich exzellenten Leistungen.
Mit seinem leichten Bariton überzeugt zudem Kim Schrader als Erich Collin, und Dan Martin singt Ari Leschnikoff wunderbar mit hellem Tenor. Ein Höhepunkt ist das Zusammenspiel von Alexandre Pierre und Wolfgang Mirlach, wenn sich Robert Biberti und Harry Frommermann streiten. Denn neben einigen witzigen wie auch melancholischen Szenen, gibt es nicht nur viel Musik der Comedian Harmonists zu hören, sondern auch viel Streit zwischen den Mitgliedern der beiden Gesangsgruppen mitzuerleben. Die vom Nationalsozialismus vergiftete Stimmung schwebt in nahezu jeder Szene bedrohlich mit und überträgt sich in den Zuschauerraum.
Deshalb: Mag „Die Comedian Harmonists – Jetzt oder nie“ auch nicht das stärkste Musical, sondern vielmehr ein teilweise zähes Schauspiel mit Klaviermusik sein, so ist die darin erzählte Geschichte gerade in der heutigen Zeit aktueller denn je – zeigt sie uns doch einmal mehr auf bedrückende Art, was der Nationalsozialismus mit den Menschen gemacht hat. Damit ist dieses Werk ebenso wie „Das Tagebuch der Anne Frank“ und „Empfänger unbekannt“ eines dieser Bühnenstücke, die heutzutage gar nicht oft genug gespielt werden können, damit wir nicht vergessen.
Text: Dominik Lapp