Große Melodien: „Der Fliegende Holländer“ in Köln
„Der Fliegende Holländer“ ist ein Stoff, der schon den Opernkomponisten Richard Wagner zu seiner gleichnamigen Oper inspirierte. Philipp Polzin und Christian Dellacher haben aus der Sage ein Musical gemacht, das einen langen Weg hinter sich hat: Zunächst in Berlin bei dem Format „Die Schreibmaschine“ präsentiert, war später ein 20-minütiger Ausschnitt im Rahmen des „Creators“-Wettbewerbs in Hamburg zu sehen. Im Februar 2018 fand das Musical endlich im WDR Funkhaus in Köln den Weg auf eine große Bühne – wenn auch erst einmal nur in konzertanter Version. Eine Aufzeichnung dieser konzertanten Uraufführung hat der WDR jetzt ins Internet gestellt. In Corona-Zeiten ein Geschenk für alle Freunde dramatischer Musicals.
Ein Geschenk ist auch das große WDR Funkhausorchester unter der Leitung von Kai Tietje, das der melodienreichen Partitur von Philipp Polzin (Musik, Buch und Songtexte) und Christian Dellacher (Musik, Orchestrierung und Arrangements) mehr als gerecht wird. Schon bei der Ouvertüre liefert das Orchester einen glänzenden Auftritt, als ein Cello, untermalt von Violinen, zu spielen beginnt, bis schließlich auch die Schlagwerker und Bläser einsetzen und für einen Gänsehautmoment sorgen. Schwelgerisch setzen die Flöten ein, tänzeln auf den Tönen der Violinen, bis die Musik dramatisch umschwenkt und die stimmstarken Mitglieder des Chores „Vocal Journey“ die Bühne stürmen, um die Nummer „Männer der See“ zu singen. In der Rolle des Kapitäns Daland überzeugt dabei Thomas Bayer mit seinem erdigen Bass.
Wie schon bei den ersten Präsentationen von „Der Fliegende Holländer“, ist Chris Murray erneut in der Titelrolle zu erleben. Mit jedem seiner Auftritte macht er unmissverständlich klar, dass er die Rolle extrem verinnerlicht und sich zu eigen gemacht hat. Mit „Heut’ Nacht“, „Aline“, „Schon bald“ und „Mit jedem Jahr“ wurden ihm vier großartige Soli auf den Leib geschrieben, in denen er mit seinem strahlend-wuchtigen Tenor begeistert. Auch schauspielerisch lässt Murray nichts zu wünschen übrig. Die eindrucksvoll bedrohliche Darstellung des sagenumwobenen Holländers gelingt ihm mit Bravour.
In der Rolle der Senta zeichnet Milica Jovanovic das Bild einer starken Frau, die sich zwischen zwei Männern entscheiden muss. In den Songs „Sentas Traum“ und „Zeig mir den Weg“ vermag sie mit ihrer brillanten Stimme genauso zu verzaubern wie in den Duetten mit Chris Murray und Richard-Salvador Wolff. Letzterer gibt die Rolle des Erik mit jugendlichem Esprit und glühender Stimme.
Sieht man einmal von dem Steg ab, der durch das Orchester führt und als Auftrittsfläche für die Gesangssolisten dient, ist es Regisseur Roland Hüve nahezu ohne Bühnenbild gelungen, nur mit ein paar Stühlen, wenigen Handrequisiten und Kostümen eine dichte Theateraufführung zu simulieren. Der Fokus bei dieser konzertanten Aufführung liegt definitiv auf der Musik und dem auf der Bühne platzierten Orchester sowie auf den Gesangssolisten, deren Charaktere allesamt stark gezeichnet wurden.
Nachdem im vergangenen Jahr die erste szenische Produktion von „Der Fliegende Holländer“ als Amateurproduktion des Jugendchors St. Rochus zur Aufführung kam, ist es nun wirklich an der Zeit, dass sich endlich ein großes Theater diesem wunderbaren Werk annimmt. Allein der Titel dieses Musicals sollte neben den großen Melodien jedem Stadt- und Staatstheater ein volles Haus garantieren.
Text: Dominik Lapp