„Die letzten fünf Jahre“ in Hamburg (Foto: Bo Lahola)
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Reife Liebe, neu erzählt: „Die letzten fünf Jahre“ in Hamburg

In der Inszenierung des Musicals „Die letzten fünf Jahre“ an den Hamburger Kaammerspielen gelingt es Regisseur Dominique Schnizer, mit einer unerwarteten Besetzung zu überraschen und die emotionale Tiefe dieser bewegenden Geschichte eindrucksvoll auszuloten. Obwohl der Lizenzgeber Musical Theatre International (MTI) für die beiden Rollen des Stücks ein Spielalter von 25 bis 35 Jahren vorgibt, spielen die 61-jährige Carolin Fortenbacher und der 55-jährige Tim Grobe mit so einer außergewöhnlichen Frische und Lebendigkeit, dass das vorgegebene Spielalter komplett irrelevant erscheint.

Das Musical erzählt von der fünfjährigen Beziehung zwischen Cathy, einer kämpfenden Schauspielerin, und Jamie, einem erfolgreichen Schriftsteller, auf eine ungewöhnliche Weise: Cathys Erzählstrang beginnt am Ende der Beziehung, während Jamie von ihrem Beginn an erzählt. Beide Handlungsstränge laufen aneinander vorbei und treffen nur einmal, in der Mitte des Stücks, bei ihrer Hochzeit aufeinander.

Carolin Fortenbacher verleiht ihrer Cathy eine tiefe Melancholie und zerbrechliche Stärke, die in der Darstellung einer Frau, die auf ein Leben voller Hoffnungen und verpasster Chancen zurückblickt, besonders eindrucksvoll zur Geltung kommt. Ihr stimmliches Können, das seit jeher als ihre größte Stärke gilt, berührt auch hier in den leisen, intimen Momenten ebenso wie in den kraftvollen Höhepunkten. Tim Grobe als Jamie bietet das perfekte Gegenstück: Er bringt die Arroganz eines erfolgreichen Schriftstellers und zugleich die schmerzvolle Einsicht eines Mannes, der sich aus einer Beziehung entfernt, glaubhaft auf die Bühne. Trotz ihres reiferen Alters erscheinen die Lebenssituationen, die beiden Charakteren begegnen, authentisch und zugänglich – fast als gewonnene Erfahrungen aus der Rückschau, was einen völlig neuen Blick auf die Geschichte ermöglicht.

Die spärliche, aber wirkungsvolle Ausstattung von Christin Treunert unterstützt diese emotionale Intimität: Ein Flügel, Tisch und Stühle, eine Leiter sowie verstreute Bücher, eine Disokugel und ein altmodisches Telefon schaffen eine Szenerie, die mit den minimalen Mitteln maximal ausdrucksstark ist. Diese einfache Bühne vor einer schwarzen Holzwand ermöglicht es, dass der Fokus ganz auf den Emotionen der Figuren und ihrer Interaktion liegt.

Besonders das Klavier, gespielt von Markus Syperek, nimmt eine zentrale Rolle ein – es begleitet nicht nur die Gesangspassagen, sondern wird durch seine Präsenz auf der Bühne fast zu einem weiteren Charakter im Stück. Musikalisch setzt Syperek Akzente, indem er den melancholisch-gefühlvollen Ton des Stücks souverän interpretiert. Die Symbiose zwischen Schauspiel und Musik gelingt hier besonders gut, da Fortenbacher und Grobe ihre Lieder nicht nur singen, sondern sie mit vollem Herzen und Leben füllen.

Der bewusste Bruch mit den Konventionen des Alterscastings ist in dieser Inszenierung eine der größten Stärken. Die Vorstellung, dass „Die letzten fünf Jahre“ nicht nur die Geschichte von Anfang 30-Jährigen sein muss, sondern ebenso von Menschen erzählt werden kann, die auf eine größere Lebensspanne zurückblicken, fügt der Erzählung eine reife, fast philosophische Dimension hinzu. Es geht weniger um die naive Hoffnung auf die Zukunft, sondern um das bittersüße Wissen, dass Liebe, egal in welchem Alter, flüchtig sein kann.

Text: Christoph Doerner

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Nach seinem Studium der Musiktheaterwissenschaft, einem Volontariat sowie mehreren journalistischen Stationen im In- und Ausland, ist Christoph Doerner seit einigen Jahren als freier Journalist, Texter und Berater tätig.