Ein Abend zum Träumen: „Disney100“ auf Tour
Das Konzept der „Disney in Concert“-Reihe hat sich längst erfolgreich etabliert und ist bei weitem kein Geheimtipp mehr: Beinahe jährlich ziehen namhafte Solistinnen und Solisten mit großem Symphonieorchester und den schönsten Disney-Melodien im Gepäck durch die Arenen dieses Landes und sorgen einen Abend lang für etwas Zauber und Glitzer in unserer doch sehr strukturierten und ernsten Erwachsenenwelt. So auch dieses Jahr geschehen: „Disney100 – The Concert“ zelebriert unter der Regie von Jacqui Dunnley-Wendt 100 Jahre Disney-Magie (basierend auf dem Gründungsdatum der Walt Disney Company 1923) und findet sein zurecht gefeiertes Deutschland-Finale in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin. Es ist ein Abend, der berührt, die eine oder andere Überraschung aus dem Hut zaubert, und der vor allem eines schafft: zum Träumen einlädt und unsereins für drei Stunden wieder ein wenig Kind sein lässt.
Disney, das ist der Inbegriff für wundervolle Bilder und Geschichten aus dem Gedankengut Walt Disneys und die dazu geschaffene, allseits bekannte, fantastische Musik von weltberühmten Komponisten wie Alan Menken oder Lin-Manuel Miranda. Nichts könnte hier passender sein, als mit einer Ouvertüre und einem Medley aus den schönsten Melodien der letzten 100 Jahre das Programm einzuläuten und das Publikum in den Abend eintauchen zu lassen. Von lediglich musikalischer Untermalung kann hier definitiv nicht die Rede sein, tragen doch die fantastischen Klänge des Hollywood Sound Orchestra unter der Leitung von Wilhelm Keitel – bestehend aus ukrainischen Musikerinnen und Musiker des Odessa Orchestra & Friends – zu einem klangvollen Erlebnis der Extraklasse bei. Unterstützt werden die großartigen Künstlerinnen und Künstler durch die Band „Fab & The Sparrows“, welche seit geraumer Zeit das Orchester erfolgreich rhythmisch komplettiert. Leinwände im Hintergrund und an den Seiten, die das Geschehen mit passenden Ausschnitten aus den jeweiligen Disney-Filmen vervollständigen, sowie große glamouröse Scheinwerfer im alten Hollywood-Style, runden das Bild ab.
Bei all der Vielzahl an Disney-Tourneen ist es gewiss nicht so einfach, mit jeder weiteren Tour auch etwas Neues zu bieten. Und doch ist dieser Abend so einzigartig und magisch, dass er sicher jeden großen und kleinen Disney-Fan verzaubert. Gelungen ist hierbei auch die Songauswahl; reicht diese doch von den großen Klassikern wie „Tarzan“, „Der König der Löwen“, „Die Eiskönigin“, „Star Wars“ und „Fluch der Karibik“ bis zu den neueren, erfolgreichen Kompositionen wie „Encanto“ oder „Vaiana.“ Ist es nicht schließlich wichtig, dass Kinder aller Generationen ihre ganz eigenen, persönlichen Identifikationsfiguren und Heldinnen und Helden erhalten? Beim Anblick der Bilder und beim Klang der großen Melodien mögen sich bestimmt auch einige Erwachsene fragen, wie die Welt rückblickend ohne Walt Disney aussehen würde. Sicherlich um einiges ärmer und trauriger.
Und nicht zuletzt sind es die namhaften Solistinnen und Solisten, das stimmlich starke Ensemble und die frischen Interpretationen der Nummern, die unsereins sicher schon unzählige Male gehört hat, welche dafür sorgen, dass jede Tour und jeder Abend unvergessen und auf seine Art besonders bleiben wird. Roberta Valentini gehört schon seit längerem zur „Disney in Concert“-Familie und ist einer der großen Namen, der zu Recht für diese Tour engagiert wurde. Mehr als einmal an diesem Abend zeigt sie, dass sie die Bühne ihr Zuhause nennt und Singen ihr Lebenselixier ist. Mit ihrem stimmgewaltigen „Lass jetzt los“ aus „Die Eiskönigin“ sorgt sie für frenetischen Applaus und Gänsehautfeeling – und steht in nichts ihren Kolleginnen nach, die dankbarerweise die Rolle der Elsa in Hamburg Abend für Abend verkörpern dürfen und vor allem kleine Mädchenherzen höherschlagen lassen.
„Eigentlich würde er heute Abend in Hamburg auf der Couch sitzen.“ So wird Alexander Klaws von Präsentator Simon Beeck anmoderiert, ist er doch erst vor kurzem eingesprungen und Teil der Tour geworden, um seinen erkrankten Kollegen Anton Zetterholm zu vertreten. Ein äußerst würdiger Ersatz und in der Mercedes-Benz-Arena so gar kein Unbekannter, wie der Applaus seiner Fans und des Publikums vermuten lässt. Mit sichtlichem Vergnügen, den Abend nicht auf der Couch, sondern auf der Bühne verbringen zu dürfen, sind es nach dem farbenfroh-fröhlichen Opening („Sei hier Gast“) unter anderem die Vertonungen von Hercules‘ „Ich werd‘s noch beweisen“ oder die Erinnerungen an alte „Tarzan“-Zeiten im Duett mit Roberta Valentini zu „Dir gehört mein Herz“, die seine warme, wohlklingende Stimme durch die Arena tragen.
Kristina Love, Gonzalo Campos López und Charlie Burn komplettieren die Solistenriege. Love, in Deutschland ganz sicher kein Geheimtipp mehr, begeistert mit wunderbarem, soulig-kräftigem, aber auch zugleich sehr gefühlvollem Gesang in den großen Liedern aus „Küss den Frosch“, „Vaiana“ oder „Pocahontas“, aber auch im Kostüm der Belle, als sie im goldfarbenen Kleid die Treppen herabschreitet und gemeinsam mit Alexander Klaws „Die Schöne und das Biest“ anstimmt. Besonders diese Kombination lässt aufhorchen und zeigt dankbar, dass es nicht immer die „klassischen“ Konstellationen sein müssen.
Gonzalo Campos López, der seinen Durchbruch in Stuttgarts Disney-Musical „Aladdin“ erzielte, gehört an diesem Abend sicher mit zu den wandelbarsten Künstlern. Er begeistert in dem weltberühmten Duett „A whole new World“ gemeinsam mit seiner Bühnenpartnerin Charlie Burn, aber auch in der berührenden Ballade „Draußen“ aus „Der Glöckner von Notre Dame“, in der der bucklige Glöckner Quasimodo von einem Leben außerhalb der Mauern der Pariser Kathedrale träumt. Ganz besondere Highlights sind Campos López großartiger Auftritt als Meerhexe Ursula, als er in „Arme Seelen in Not“ lässig fies und mit sichtlichem Vergnügen seine dunkle, verwegene Seite aufblitzen lässt, und der Song „Dos Oruguitas“ aus „Encanto“, das wunderbar angepasst an seine spanischen Wurzeln im Blütenregen auf der Bühne für kleine Fernwehmomente sorgt.
Charlie Burn, die Letzte in der Riege, ist wahrscheinlich die größte Überraschung des Abends. Aus Großbritannien stammend und dort bekannt in der Rolle der Cosette in „Les Misérables“, gelingt es ihr in wunderschönen, klangvollen und zum Teil auch klassischen Tönen, das Publikum von Beginn an zu verzaubern. Es sind Songs aus „Cinderella“ („A Aream is a Wish your Heart makes“), aus „Aladdin“ oder beim traumhaft interpretierten „How does a Moment last forever“, als sie in die großen Fußstapfen von Céline Dion oder Emma Watson tritt und sich hier in keinster Weise verstecken muss.
Komplettiert werden die fünf Solistinnen und Solisten durch ihr starkes Ensemble: Georgina Hagen, Richard-Salvador Wolff, Tobias Joch und Masengu Kanyinda vervollständigen das Bild auf der Bühne durch ihre kraftvollen Stimmen, ihre sympathische, mitreißende Art und die effektvollen Choreografien von Jacqui Dunnley-Wendt. Hervorzuheben ist hier sicherlich der Auftritt der „Frozen Boys“, als Alexander Klaws, Richard-Salvador Wolff und Tobias Joch bei „Verloren im Wald“ aus „Die Eiskönigin 2“ die Disney-Boyband des Jahrhunderts auf Tour schicken und nicht nur die weiblichen Fans im Publikum begeistern. Gerade diese Frische und Abwechslung macht „Disney100“ aus, so dass man auch immer wieder aufs Neue vom Zauber Disneys überrascht wird.
Doch solch ein gelungener Abend wäre nichts ohne eine passgenaue Regieführung und seinen Moderator. Simon Beeck, bekannt aus Funk und Fernsehen, präsentiert mit viel Witz und Sympathie das Programm und schafft es geschickt, den nötigen Bogen zu spannen und, ja, bei Tausenden von Menschen für eine Art Wohlfühlatmosphäre zu sorgen. Auch wird das Publikum immer wieder gekonnt mit eingebunden, so dass unbewusst ein Zugehörigkeitsgefühl im gemeinsamen Erleben und Schwelgen in Erinnerungen entsteht. Bei „Probier‘s mal mit Gemütlichkeit“ aus dem „Dschungelbuch“ wird die ganze Show spontan zum Musical-Sing-Along, bei „Du hast ‘n Freund in mir“ aus „Toy Story“ wandert die Friendship-Cam durch das Publikum und auf den letzten Metern zum Finale ziert auf einmal ein riesiges Lichtermeer die Mercedes-Benz-Arena. So geht definitiv Disney-Zauber!
Abgerundet wird der Showabend durch die ganz großen Klassiker und vor allem durch einen Film, der berühmt ist für seine farbenfrohen, eindrücklichen Bilder und seine bombastische Musik, die sicher bei ganz vielen die größten Kindheitserinnerungen weckt: „Der König der Löwen“. Selbst nach so vielen Jahren auf der Leinwand und als Musicalerfolg in Hamburg, hat dieses Epos nichts von seiner Faszination und Tragweite verloren und beschert auch an diesem Abend absolutes Gänsehautfeeling, als das komplette Ensemble, angeführt durch Kristina Love, zu „Der ewige Kreis“ anstimmt. In der Zugabe dürfen „Hakuna Matata“ und Mary Poppins‚ „Supercalifragilisticexpialigetisch“ nicht fehlen. Riesige Luftballons fliegen durch die Arena und spätestens jetzt steht auch der Letzte im Publikum auf und tanzt, als es heißt: „Keiner nimmt uns die Phil-o-so-phie. Hakuna Matata!“
Text: Katharina Karsunke