Gelungener Workshop: „Do it for Love“ in Osnabrück
Chris Thompson kennt man als britischen Rocksänger und Stimme der „Manfred Mann’s Earth Band“. Darüber hinaus hat er ein Musical mit dem Titel „Do it for Love“ geschrieben, das jetzt im Rahmen eines Workshops im Osnabrücker emma-theater präsentiert wurde. Dabei handelt es sich um eine Zusammenarbeit des Theaterverlags „Musik und Bühne“ mit dem Theater Osnabrück und dem Institut für Musik (IfM) der Hochschule Osnabrück.
In dem Stück mit der Musik von Chris Thompson, den Gesangstexten von Thompson und Inge Pans sowie dem Buch von Thompson, Pans und Jürgen Hartmann wird eine aus Romantik-Komödie und Märchen kombinierte Geschichte erzählt. Im Mittelpunkt stehen dabei Veronica und Bobbie, sie sich seit Kindesbeinen kennen und mittlerweile ein Liebespaar sind. Veronica, die bei ihrer Großmutter aufgewachsen ist, bekommt zum 21. Geburtstag eine Spieluhr, die Wünsche erfüllen kann und Bobbie in die Vergangenheit befördert.
Die Story klingt nicht nur etwas skurril, sondern wirkt stellenweise auch so. Doch genau dazu dienen solche Workshops, um Storyline und Dramaturgie vor einem Testpublikum – das in Osnabrück aus Musicalfachleuten und privaten Besuchern besteht – auszuprobieren. Grundsätzlich jedoch ist das Grundgerüst der Story solide und die Geschichte durchaus charmant. Allerdings sollten die jeweiligen Motivationen der einzelnen Charaktere stärker herausgearbeitet, einige Wandlungen und das Ende überarbeitet werden.
Ein Wunsch des Komponisten war es außerdem, das Stück mit deutschen Dialogen und englischen Songtexten aufzuführen. Wie die Workshop-Produktion allerdings zeigt, sollte „Do it for Love“ komplett übersetzt werden, da es keinen dramaturgisch einleuchtenden Grund gibt, die eigens für das Stück geschriebenen Songs auf Englisch zu belassen.
Regisseur Nick Westbrock hat sein Menschenmöglichstes getan und das Bestmögliche aus dem Buch herausgeholt. Aufgrund der nur zwölftägigen Probenzeit ruckelt es hier und da zwar noch ein wenig, doch insgesamt erzählt Westbrock die Geschichte mit Tempo und nahezu fließenden Szenenübergängen. Die dynamische und energiegeladene Choreografie von Michael Schmieder bringt zusätzliches Tempo in die Inszenierung.
Weil es sich bei der Produktion noch um einen Workshop eines Werks in der Entstehung handelt, ist das Bühnenbild von Alexander Kubica entsprechend spartanisch, jedoch völlig ausreichend ausgefallen. Durch ein Podest mit Bett, eine Straßenlaterne, luftige Abtrennungen und ein paar fahrbare Bühnenelemente wie Frisierstuhl oder Sofa wechseln die Szenen immerzu nachvollziehbar zwischen Wohnung, Friseursalon oder Straße. Durch die von IfM-Dekan Sascha Wienhausen passend ausgewählten Kostüme erhalten die einzelnen Charaktere ihren letzten Schliff, so dass ein insgesamt stimmiges Gesamtbild entsteht.
Zum ersten Mal sind die Musicalstudierenden des IfM in den kreativen Schaffensprozess eines brandneuen Musicals eingebunden. Im Rahmen ihres Studiums sind sie künftig nicht nur in eine Schauspielproduktion, eine Abschlussproduktion und eine Absolventenpräsentation involviert, sondern erarbeiten im Rahmen eines so genannten Laboratoriums mit dem Titel „Creative Musical“ jedes Jahr ein neues in Entwicklung befindliches Musical.
Bei der Präsentation von „Do it for Love“ wird schnell klar, auf welch hohem Niveau am IfM ausgebildet wird. Sowohl die Solisten als auch die Ensembledarsteller können unter anderem dank der musikalischen Einstudierung durch Martin Wessels-Behrens vollends überzeugen. Allen voran ist es Magdalena Allgaier, Preisträgerin des Bundeswettbewerbs Gesang, die in der Rolle der Veronica für Furore sorgt. Sie spielt ihren Part mit jugendlicher Leichtigkeit und singt mit glasklarer Stimme. Ihr absolut ebenbürtig ist Frederik Stuhllemmer als Bobbie, der ebenso schauspielerisch wie gesanglich überzeugen kann.
Einen herrlichen Fiesling gibt Raoul Haberhauer, der als Bobbies Stiefvater Dickie mit seiner enormen Bühnenpräsenz, schmierigem Schauspiel und starker Stimme für viele gute Momente sorgt. In ihren wenigen Auftritten glänzt zudem Rahel Wissinger als Bobbies Mutter Rachel. Angesichts ihrer wunderbaren Stimme darf es als Glücksfall bezeichnet werden, dass man ihr im Entstehungsprozess der Inszenierung ein starkes Solo geschrieben hat, das sie mit Bravour intoniert und damit für Gänsehautstimmung im Auditorium sorgt. Als Publikumsliebling erweist sich Sandro Wenzing als Friseur Jerome, der besonders durch sein gewollt affektiertes Schauspiel positiv hervorsticht. Doch auch Lucia Bernadas-Cavallini kann als Veronicas Großmutter Marjorie ein starkes Rollenprofil zeichnen.
Am Ende gibt es völlig verdient frenetischen Applaus für die Workshop-Produktion von „Do it for Love“. Was hier in wenigen Tagen auf die Bühne gebracht wurde, ist absolut sehenswert und wird von der sichtbaren Leidenschaft der Musicalstudierenden getragen. So bleibt es spannend, ob und wann das Werk in überarbeiteter Fassung einmal seinen Weg auf eine Musicalbühne findet. Der Anfang dazu wurde in Osnabrück gemacht.
Text: Dominik Lapp