Tragisch: „Effi Briest“ in Oldenburg
Das Ende kommt am Anfang. Gerade erst hat sich der Vorhang für „Effi Briest“ am Oldenburgischen Staatstheater gehoben, schon ertönt ein Schuss, ein Mann stirbt. In einem Rückblick sehen die Zuschauer anschließend die Geschichte von Effi Briest, die in der Inszenierung von Peter Hailer werkgetreu erzählt wird. Das Publikum erlebt, wie die 17-jährige Effi mit einem älteren Mann verheiratet wird, auf dem Land in Pommern verkümmert und den Avancen von Major Crampas nicht widerstehen kann, der daraufhin von ihrem Mann erschossen wird. Die Zuschauer erleben, wie Effi als Ehebrecherin verstoßen und des eigenen Kindes beraut wird und in Einsamkeit stirbt.
Dabei hält sich Regisseur Peter Hailer geradezu peinlich genau an die Romanvorlage von Theodor Fontane, auch wenn er zusammen mit Bernd Schmidt die Romanfiguren auf neun Personen verdichtet hat. Hailer lässt aber nichts Wichtiges weg, dichtet nichts Neues hinzu, nimmt sich lediglich die Freiheit, die Schauspielerin Helen Wendt in der Rolle der Marietta Trippelli singend auftreten zu lassen (Musik: Cindy Weinhold). Ansonsten arbeitet er keine politischen oder psychologischen Aspekte heraus, sucht keinerlei Parallelen zur Gegenwärtigkeit. Er wagt keine eigene Interpretation des Stoffes, was Freunden von Werktreue gefallen dürfte. Lediglich die Kostüme von Britta Leohnhardt sind heutig, das Bühnenbild von Martin Fischer – ein grauer Bretterverschlag – zeitlos und praktikabel.
So stehen während der zweistündigen Aufführung vor allem die Schauspieler im Fokus, deren Charaktere von Peter Hailer sehr differenziert erarbeitet wurden, sich teilweise aber auch nachvollziehbar weiterentwickeln. Rebecca Seidel ist großartig in der Titelrolle. Sie entwickelt ihre Effi authentisch vom jungen Mädchen zu einer gebrochenen Frau, ist erst die lebenslustige, erfrischende, liebende Effi, später dann die traurige, leidende Effi, der man jedes Wort, jede Emotion abnimmt. Auch optisch wird Effis Stimmung hervorragend unterstrichten: Trägt sie zu Beginn noch ein rosa Kleid, wechselt es später in Rot und letztendlich in Schwarz.
Rajko Geith gibt Effis Ehemann Geert von Instetten als gnadenlos ignoranten, distanzierten Chauvinisten, der vor allem für seinen staubtrockenen Job lebt, den Seitensprung seiner Frau aber nicht verzeihen kann und dann – um die eigene Ehre wiederherzustellen – zur Waffe greift, um den Widersacher zu erschießen. Helen Wendt darf als Marietta Trippelli die Affäre von Effi und Major von Crampas gesanglich untermalen, was ihr aufs Beste gelingt und der Story eine besondere Note verleiht.
Effis Mutter wird von Franziska Werner sehr liebevoll gespielt, wohingegen Matthias Kleiner als Effis Vater eher unterkühlt agiert, so dass sie sich als Eltern wunderbar ergänzen. Die Rolle der Haushälterin Roswitha, die Effi in Treue verbunden ist, spielt Caroline Nagel sehr herzlich, Johannes Schumacher hingegen ist als Major von Crampas ein überzeugender Sunny-Boy, Thomas Birklein verleiht dem Apotheker Gieshübler trotz seiner wenigen Auftritte einen prägenden Charakter und Gerrit Frers spielt den Ministerialrat Wüllersdorf rollendeckend, wobei ihm das Buch nicht mehr Platz einräumt.
Zum Schluss gibt es für alle Schauspieler verdientermaßen lang anhaltenden Applaus. Besonders gefeiert wird allerdings Rebecca Seidel für ihre Darstellung der Titelrolle, die allein schon den Besuch von „Effi Briest“ am Oldenburgischen Staatstheater wert ist.
Text: Dominik Lapp