Zauberhafte Glitzerwelt: „Die Eiskönigin“ in Stuttgart
Ab sofort liegt das Königreich Arendelle in Stuttgart. Nachdem die Geschichte aus dem weltbekannten Disney-Film „Die Eiskönigin“ bereits knapp drei Jahre lang in Hamburg zu Hause war, verzaubert das Stück der beiden ungleichen Schwestern nun auch den Süden Deutschlands. Damit ist Stuttgart derzeit auch Spielort von gleich zwei Disney-Musicals, die ihre jeweils ganz eigene Welt kreieren. Während in einem Theater sich Tarzan durch den immergrünen tropischen Dschungel schwingt, regiert im Apollo Theater nun Elsa über eine glitzernde Welt aus Schnee und Eis.
Welten erschaffen kann wohl kaum einer so gut wie Disney. Die Magie der Eiskönigin hält sich in zahlreichen Kinderzimmern beharrlich präsent und ist bei den Kleinen äußerst beliebt. Auch das Musical macht sich dies zu eigen. Die Spielzeiten in Hamburg wurden zuletzt besonders den Ferien angepasst und die Uhrzeit des Showbeginns vorverlegt. Das Merchandising ist mit zahlreichen Plüschfiguren und Kostümen ebenfalls stark auf kleine Prinzen und Prinzessinnen abgestimmt.
Auch wenn der Ticketkauf bereits ab vier Jahren möglich ist, empfiehlt Disney selbst das Stück erst ab sechs Jahren. Dieser Empfehlung sollte man nicht nur angesichts der hohen Eintrittspreise nachkommen, denn auch wenn es lohnt, die „Die Eiskönigin“ mit den Augen eines Kindes zu betrachten, ist das Stück kein reines Kindermusical.
Abla Alaoui und Ann Sophie Dürmeyer sind das neue Schwesternduo in Stuttgart und tragen maßgeblich durch die Geschichte. Vor allem auch ihre kleinen Gegenstücke der Kinderdarstellerinnen von Anna und Elsa saugen das Publikum in den ersten Minuten bereits förmlich in die Geschichte und prägen die Charaktere der Schwestern.
Alaoui hatte die Erstbesetzung der Anna zuletzt bereits in Hamburg übernommen. Sie füllt diese Rolle in jeder Nuance wahrlich zauberhaft aus. Ausgelassen und keck wirbelt sie über die Bühne. Die selbstbewusste aber auch emotionale Seite der Anna spiegeln sich in ihrem Spiel wie in ihrem Gesang beeindruckend wieder.
Ann Sophie Dürmeyer übernimmt die Rolle von Königin Elsa und meistert gekonnt und mit stimmlicher Wucht die beiden erwartbaren musikalischen Höhepunkte der Show, „Lass jetzt los“ zum Ende des ersten Aktes und „Monster“ im zweiten Akt. Ein großer Mangel der Show ist jedoch, dass die gesangliche und schauspielerische Leistung der Künstler stets hinter der überwältigenden Bühnenshow zurückstehen muss, so insbesondere im Fall von Elsa.
Was bei der „Eiskönigin“ an Kulisse, Bühnentechnik und Kostümen aufgefahren wird, ist ohne Zweifel für kleine wie große Besucher beeindruckend. Hinter dem glitzernden Eispalast, den verblüffend schnellen Kostümwechseln und den magischen Disney-Momenten bleibt jedoch der Zugang zu vielen Figuren auf der Strecke. So wirken die männlichen Protagonisten des Stückes, Prinz Hans, gespielt von Simon Loughton, und Jonathan Hamouda Kügler als Kristoff weitestgehend charakterlos – und Prinzessin Annas Schwärmen für den Prinz aus dem Süden scheint überhastet und völlig naiv.
Kaj-Louis Lucke hat als zum Leben erwachter Schneemann Olaf aus Elsas und Annas Kindheitstagen den Vorteil zum Publikumsliebling auf seiner Seite und füllt diesen mit komödiantischem Talent und souveränem Puppenspiel auf den Punkt aus. Eric Minsk gelingt es als Herzog von Pitzbühl, aus seinen wenigen Auftritten der schrulligen Figur beachtlich viel herauszuholen. Man spürt, dass Minsk, der diese Figur bereits seit Beginn der deutschen Erstaufführung verkörpert, ein großer Gewinn für die Show ist.
Die Musik zum Stück wurde von Kristen Anderson-Lopez und ihrem Mann Robert Lopez geliefert und besteht aus den bekannten Stücken, die sich schon im Film finden (Deutsche Songtexte: Tommy Amper), und neuen Titeln für die Show (Deutsche Songtexte: Kevin Schroeder). Besonders berührend ist der Titel „Du bist alles“ , bei dem die beiden Schwestern nach langer Zeit wieder aufeinandertreffen und Anna den weiten Weg zu Elsa auf den Nordberg erfolgreich bewältigt hat. Beiden Künstlerinnen gelingt es, dieses Duett zu einem gefühlvollen Höhepunkt zu machen.
Ein auffallender Unterschied zur Hamburger Inszenierung ist, dass das Lied „Hygge“, das zu Beginn des zweiten Akts eine kuschelig nordische Atmosphäre vermitteln soll, in Stuttgart durchgeschwäbelt wird. So singt Stefan Tolnai als Oaken durchaus sympathisch von leckeren „Plätzle“ und dem gemütlichen schwäbischen „Schwätzle“. Der Heimatbezug (Deutsche Dialoge: Ruth Deny) wird vom Publikum frenetisch gefeiert, reißt jedoch ob der Länge auch sehr aus der Welt heraus.
Das Musical „Die Eiskönigin“ schafft es nicht zuletzt dank der opulenten Bühnenausstattung zwischen dem großen Bühnenportal, das in die Verwandlung miteinbezogen wird, eine authentische, vielschichte Welt zu erschaffen. Mit Spannung bleibt abzuwarten, wie sich die zum großen Teil neue Besetzung mit zunehmender Spielzeit in ihre Rollen einfinden wird und an der einen oder anderen Stelle noch eine stärkere Präsenz rausholt. Dies wäre nicht zuletzt wünschenswert, um die Geschichte voller Gegensätze und der ewigen Frage nach dem Gut und Böse noch deutlicher darzustellen.
Text: Nathalie Kroj