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Dichte und temporeiche Erzählung: „Elisabeth“ in Oberhausen
Nach vielen Jahren kehrt eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Musicals endlich nach Deutschland zurück: „Elisabeth“, das bewegende Drama von Sylvester Levay (Musik) und Michael Kunze (Buch und Songtexte) um die Kaiserin von Österreich, wird im Rahmen einer Tournee nun auch im Metronom Theater Oberhausen in der bekannten halbszenischen Fassung gezeigt, die bereits als Open-Air-Version vor Schloss Schönbrunn in Wien gefeiert wurde. Regisseur Gil Mehmert nutzt die reduzierte Form gekonnt und setzt auf eine eindrucksvolle Personenregie sowie eine sehr dichte und temporeiche Erzählung.
Die Entscheidung, auf ein klassisches Bühnenbild zu verzichten, erweist sich als kluger Schachzug. Stattdessen sitzt das Orchester sichtbar auf der Bühne und wird so zum integralen Bestandteil der Inszenierung. Die Reduzierung von Songs und Reprisen sorgt für eine straffe Dramaturgie, die den Handlungsverlauf noch intensiver zur Geltung bringt. Der Fokus liegt auf den Figuren und ihrer Entwicklung, was durch Mehmerts akribische Personenregie unterstrichen wird.
Die prächtigen Kostüme von Yan Tax fangen sowohl die Epoche als auch die individuelle Charakterisierung der Figuren hervorragend ein. Ebenso stimmig ist das Sounddesign von Thomas Strebel, das für einen beeindruckenden, kristallklaren Klang sorgt. Das Videodesign von Michael Balgavy unterstützt die jeweiligen Szenen erstklassig mit atmosphärischen Bildern auf der rückwärtigen LED-Wand, während das Lichtdesign von Michael Grundner zwar hervorragend für die passenden Stimmungen sorgt, jedoch durch wiederholtes Blenden des Publikums gelegentlich stört.
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Bettina Mönch übernimmt die anspruchsvolle Titelrolle der Kaiserin Elisabeth solide. Ihre Darstellung ist souverän, doch gerät sie gegen zwei herausragende Männer etwas ins Hintertreffen. Allen voran überzeugt Lukas Mayer als Tod mit einer faszinierenden Präsenz. Sein kühler Habitus verleiht der Rolle eine neue Facette, die durch seine dunkle Stimmfarbe noch verstärkt wird. Er setzt eigenständige Akzente, ohne die ikonische Interpretation früherer Darsteller zu kopieren.
Robin Reitsma als Lucheni bringt frischen Wind in die Produktion. Er übernimmt die Rolle von Riccardo Greco und macht sie sich vollkommen zu eigen. Mit Coolness, Frechheit und lebendiger Spielfreude wird er zum perfekten Erzähler, der das Publikum mit seinem Spiel, seinen pointierten Kommentaren und der starken Rockstimme in den Bann zieht.
Auch in den Nebenrollen gibt es bemerkenswerte Leistungen. Masha Karell brilliert als Erzherzogin Sophie und schafft es, die kaiserliche Schwiegermutter als Mischung aus Dominanz, Kontrolle und aristokratischer Strenge darzustellen. Ihre gesangliche und schauspielerische Präsenz, die sie unter anderem schon in „Der Besuch der alten Dame“ unter Beweis stellte, ist ein Highlight des Abends.
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Dennis Hupka gibt als Kronprinz Rudolf eine intensive Vorstellung, besonders in seinem Duett „Die Schatten werden länger“ mit Lukas Mayer. Lander van Nuffelen als Kaiser Franz Josef verkörpert den innerlich zerrissenen Monarchen glaubhaft und ansprechend.
Sophie Bauer überzeugt in ihrer Doppelrolle als Ludovika und Frau Wolf mit Vielseitigkeit, Claus Dam zeichnet als Herzog Max eine genauso charmante wie melancholische Vaterfigur, die junge Isabella als kleiner Rudolf bringt mit „Mama, wo bist du?“ einen berührenden Moment auf die Bühne und Florine Schnitzel ist eine hinreißende Helene, die sie durch subtiles Spiel erschafft.
Sylvester Levays Partitur bleibt das Herzstück des Musicals und entfaltet in der halbszenischen Fassung ihre volle Wirkung. Die Mischung aus symphonischen Elementen, klassischen Walzer-Anklängen und modernen Rock- sowie Pop-Einflüssen gibt der Geschichte eine einzigartige musikalische Identität.
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Das 19-köpfige Orchester unter der Leitung von Bernd Steixner wird der Partitur vollends gerecht. Die Musikerinnen und Musiker sorgen für Emotionen, schaffen mal eine unheimliche und zugleich doch betörende Atmosphäre und faszinieren mit all den Kontrasten und Farben, die Levays Musik auszeichnen.
Ironische Nummern wie „Nur kein Genieren“ oder „Kitsch“ entfalten ihre volle Wirkung durch satirische Untertöne und schräge musikalische Akzente. Die starken Ensemblenummern wie „Alle Fragen sind gestellt“ und „Milch“ – hervorragend choreografiert von Simon Eichenberger – klingen dynamisch und erhalten durch den mehrstimmigen Gesang des Ensembles zusätzliche Tiefe.
Diese halbszenische Version von „Elisabeth“ ist wahrscheinlich eine der besten und zeigt letztendlich, dass das Musical auch ohne großes Bühnenbild exzellent funktioniert. Die verdichtete Erzählung, die kluge Inszenierung und die herausragende musikalische Umsetzung machen den Besuch zu einem intensiven Erlebnis.
Text: Dominik Lapp