„Evita“ in Ettlingen (Foto: Michael Bode)
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Entfaltet argentinisches Temperament: „Evita“ in Ettlingen

Optisch kontrastreicher kann die Eröffnungsszene von „Evita“ im Hof des Schlosses Ettlingen bei den diesjährigen Schlossfestspielen kaum dargestellt werden: Ein etwa 80-köpfiger Trauermarsch aus Frauen, Männern und Kindern, ganz in Schwarz gekleidet, versammelt sich vor der in dezenten Erdtönen gehaltenen barocken Illusionsmalerei-Fassade im Schlossinnenhof, um das Requiem für die verstorbene Eva Perón, genannt Evita, abzuhalten.

Seit 45 Jahren füllen die Schlossfestspiele Ettlingen allsommerlich den Schlosshof mit kulturellem Leben. In diesem Jahr verspricht Regisseurin Solvejg Bauer mit Klassiker „Evita“ von Andrew Lloyd Webber (Musik) und Tim Rice (Libretto) „eine Geschichte von Populismus und Charisma.“

Charisma erlangt die Inszenierung dabei im Wesentlichen durch die besondere Atmosphäre des Spielortes. Diese zeigt sich wie geschaffen für das Stück über die Frau des einst mächtigsten Mannes Argentiniens, das zwischen Kultverehrung und politischer Eigeninszenierung schwankt und damit die beiden Extreme, womit noch heute die Biografie Evitas polarisiert, abdeckt.

Das Bühnenbild von Christian Held nimmt fast die gesamte Breite des Innenhofes ein und integriert in sich in den Eingang zur Südseite des Schlosses in der Form, dass die Türen und Fenster intensiv bespielt und für die Auf- und Abgänge genutzt werden. Dieses natürliche Bühnenbild wird ergänzt durch vier bewegliche Rahmen, die in das Spiel eingebaut werden. Ansonsten kommt das Stück relativ requisitenarm aus, was das eine oder andere Detail des Lebenslaufes und des Szenenortes etwas verblassen lässt, aber die Gesamtqualität nicht schmälert.

Die Wirkung der Spielstätte entfaltet sich vor allem in den Szenen, in denen der große Bürgerchor zum Einsatz kommt: Aus allen Ecken wird „Perón“ skandiert und „Wach auf, Argentinien“ gerufen, aus jedem Fenster winken Landesfähnchen, um Evita bei ihrer Regenbogen-Tour willkommen zu heißen. Ebenfalls ist der Balkon des argentinischen Regierungssitzes, von welchem das bekannteste Lied des Stücks („Wein‘ nicht um mich, Argentinien“) gesungen wird, bereits in imposanter Höhe vorhanden.

„Evita“ in Ettlingen (Foto: Nathalie Kroj)

In der Mitte der vorderen Zuschauerreihen findet sich, erstmals sichtbar, das 13 Personen starke Kammerorchester unter der Leitung von Philipp Haag. Dieses entfacht, nach den dumpfen Schlägen zur Trauerprozession am Anfang, zügig südamerikanisches Temperament, bei dem die Flamenco-Gitarre und Schlaginstrumente nicht zu kurz kommen. Die ganze Bandbreite, die Komponist Lloyd Webber „Evita“ von den klassischen Balladen, Popmelodien bis zu den lateinamerikanischen Rhythmen verliehen hat, wird klangvoll dargeboten.

Aber nicht nur die Musik vermag einzuheizen, sondern auch die temporeiche Choreografie von Pia Wabs, die das kleine Ensemble leidenschaftlich rüberbringt, und das stimmige Tempo der Inszenierung, so dass keine Längen entstehen.

Evita wird von Ché, gespielt von Til Ormeloh, in der Anfangsszene zum Leben erweckt und von diesem durch ihr eigenes Leben geleitet. Ormeloh ist das nahezu ständig präsente Zugpferd der Geschichte, wirkt frisch, spielt ausdrucksstark und betont das Lied „Jung, schön und geliebt“ angenehm pointiert.

Janina Wilhalm meistert die Titelrolle mit kräftiger, sicher geführter Stimme und überzeugt schauspielerisch besonders als von Schmerzen geplagte und von Krankheit gezeichnete Evita. Sascha Stead gibt als Perón den politischen Karrieremann, der seine Zuneigung zu seiner Frau aber auch abseits vom politischen Nutzen sichtbar macht. Thijs Kobes spielt Agustin Magalgi und Diana Schnierer die Geliebte Peróns. Beide können in ihren Passagen stimmlich überzeugen und ergänzen das restliche Ensemble hervorragend.

Während die Kostüme (Gesa Gröning) der Peróns und des einfachen Volkes im Wesentlichen als authentisch für die damalige Zeit beschrieben werden können, fallen die Kostüme der argentinischen Oberschicht durch übertriebene Exzentrik mit wenig, aber dafür glänzendem Stoff, Rüschen und Federn auf. Dank der etablierten Solistinnen und Solisten, dem herausragenden Bürger- und Kinderchor sowie der dynamischen Inszenierungsweise bleibt „Evita“ in Ettlingen positiv in Erinnerung.

Text: Nathalie Kroj

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Nathalie Kroj sammelte Erfahrungen bei thatsMusical und Musical1, bevor sie als Autorin zu kulturfeder.de kam, um hier ihre Leidenschaft für Musicals mit dem Schreiben zu verbinden.