Starkes Ensemble und zeitlose Musik: „Flashdance“ in Bad Gandersheim
Als der Film „Flashdance“ 1983 in die Kinos kam, erlangte er schnell Kultstatus. Somit dürfte sich die Musicaladaption bei den Gandersheimer Domfestspielen schon aufgrund des bekannten Titels als sichere Bank erweisen. Obwohl das Buch von Tom Hadley und Robert Cary recht schwach ist und sowohl Inszenierung als auch Choreografie von Marc Bollmeyer das nicht ausgleichen können, verspricht das Musical dennoch einen unterhaltsamen Musicalabend – was einzig und allein den eingängigen Disco-Klassikern und der starken Besetzung zu verdanken ist.
Gerade wenn das Buch nicht viel hergibt, ist der Regisseur mehr denn je gefragt, das Beste aus der schwachen Vorlage herauszuholen. Bei einem Tanzmusical wie „Flashdance“ liegt das Hauptaugenmerk zudem noch auf der Choreografie. Und hier krankt die Produktion in Bad Gandersheim, weil Marc Bollmeyer für beide Bereiche verantwortlich zeichnet, aber keinen der beiden richtig unter Kontrolle hat.
So hangelt sich Bollmeyer ohne Inspiration von Szene zu Szene und kratzt bei den Charakteren lediglich an der Oberfläche. Auch seiner Choreografie fehlt es an Einzigartigkeit, Brillanz und Drive, so dass der Ofen den ganzen Abend über nur auf Sparflamme läuft. Doch dann, zur Mitte der Show (eigentlich das Ende des ersten Akts, doch in Bad Gandersheim wird ohne Pause gespielt) kündigt sich ein kleiner Höhepunkt an: Sarah Kornfeld in der Rolle der Alex Owens tanzt sich die Seele aus dem Leib und das Publikum fiebert der weltbekannten Wasserdusche entgegen, die sich letztendlich nur als eine unspektakulär aus einem Eimer gekippte Pfütze entpuppt.
Was der Regie und Choreografie an Spritzigkeit fehlt, macht also nicht einmal diese – vom Publikum trotzdem bejubelte – Szene mit dem (mäßig) spritzenden Wasser wett. Fairerweise muss man allerdings in Betracht ziehen, dass dies dem Umstand geschuldet sein kann, dass „Flashdance“ hier ohne Pause gespielt wird und die Darstellerin diese nicht nutzen kann, um sich nach der Dusche ordentlich abzutrocknen.
Wovon „Flashdance“ lebt, ist das spielfreudige Ensemble, das bis in die kleinste Rolle perfekt besetzt wurde. Allen voran ist es die bereits erwähnte Sarah Kornfeld, die als Alex Owens nicht nur das schwerste Päckchen zu tragen hat, sondern auf ganzer Linie überzeugt. Tagsüber malocht Alex in einer amerikanischen Stahlfabrik, abends lebt sie ihren amerikanischen Traum von der großen Karriere als Tänzerin in einer Bar. Kornfeld gelingt es durch ihr präzises Schauspiel, ein authentisches Bild der Schweißerin zu zeichnen – ihre Alex ist eine starke, selbstbewusste und facettenreiche Frau, was man Kornfeld zu jeder Zeit abnimmt. Darüber hinaus besticht die Künstlerin durch tänzerische Brillanz und ausdrucksstarken Gesang. Allein ihre Darstellung der Alex Owens ist einen Besuch von „Flashdance“ wert.
Doch das Stück ist keine One-Woman-Show, und so stehen ihr durchaus ebenbürtige Kolleginnen und Kollegen zur Seite. Als männlicher Hauptdarsteller sei hier Tim Müller genannt, dem es sehr gut gelingt, als Nick Hurley zwischen dem zugeknöpften Anzugträger und dem sympathischen Sneakerboy zu balancieren. Nicks Beweggründe weiß Müller sehr gut zu vermitteln, nebenbei singt er auch noch fantastisch.
Nini Stadlmann berührt als Hannah mit ihrem Song „Eins zu ‘ner Million“, Zoe Staubli steht ihr als Gloria – der heimliche Publikumsliebling – gesanglich wie schauspielerisch in nichts nach und auch Marlene Jubelius als Tess sowie Deike Darrelmann als Kiki können überzeugen. Stephan Luethy wechselt gekonnt zwischen dem Stahlwerks-Azubi Andy und einem Jurymitglied der Tanzakademie, an der Alex vortanzt. Sven Olaf Denkinger mimt den „bösen“ Clubbesitzer C.C. als herrlich schmierigen Bilderbuch-Fiesling, während Frank Bahrenberg als „guter“ Clubbesitzer Harry durch seine sympathische Spielart positiv auffällt.
Komödiantisches Talent beweist Miriam Schwan in ihrer Doppelrolle als Ms. Wilde und Pflegerin Louise, doch für die meisten Lacher sorgt Lukas Witzel als Möchtegern-Komiker Jimmy, der sich krampfhaft bemüht, einen platten Witz nach dem anderen zu reißen und auch bei Freundin Gloria nicht mit albernen Sprüchen spart. Auf Jimmys Feststellung „Baby, wäre das schön, wenn du jetzt geil wärst“ antwortet Gloria nur trocken: „Wäre das geil, wenn du jetzt schön wärst.“ Einmal mehr kann Lukas Witzel zudem seine klangschöne Stimme zu Gehör bringen. So stellt sein Song „Gloria“ (eine der wenigen auf Englisch gesungenen Nummern) einen der musikalischen Höhepunkte der Show dar.
Auch optisch enttäuscht „Flashdance“ nicht. Die Ausstattung von Birte Wallbaum trifft den Zeitgeist der Achtziger, was sowohl die teils farbenfrohen Kostüme als auch das Bühnenbild mit authentischem Cola-Automaten im Stahlwerk betrifft. Einen guten Job machen zudem die sechs Musiker unter der Leitung von Patricia Martin, die für einen coolen – wenn auch zu leise abgemischten – Achtziger-Sound sorgen. Unterm Strich bleibt somit eine unterhaltsame Show, die zwar unter einem schwachen Buch und einer inspirationslosen Regie und Choreografie leidet, aber zum Glück von der zeitlosen Musik lebt und von starken Darstellerinnen und Darstellern gerettet wird.
Text: Dominik Lapp