Opulent: „Giulio Cesare in Egitto“ in Göttingen
Mord und Totschlag, Machtspiele und Intrigen, Liebe und Leidenschaft. Es ist viel los in der Oper „Giulio Cesare in Egitto“ von Georg Friedrich Händel (Musik) und Nicola Francesco Haym (Libretto). Kein Wunder also, dass das Werk im Rahmen der Internationalen Händel-Festspiele im Deutschen Theater Göttingen auf eine Aufführungsdauer von gut viereinhalb Stunden kommt. Doch die Zeit vergeht wie im Flug, was nicht nur der genialen Inszenierung von George Petrou, sondern auch seiner Musikalischen Leitung zu verdanken ist.
Für die Inszenierung, die zuvor schon von der Nederlandse Reisopera in den Niederlanden gespielt wurde, ließ sich Petrou von ägyptischen Archäologie-Funden des frühen 20. Jahrhunderts inspirieren. Diese Zeit hat er als Rahmen für die Handlung gewählt, lässt Altes und Neues miteinander verschmelzen und zeigt ein exotisches Ägypten der 1920er Jahre, das auf seine antike Vergangenheit stößt und so die Geschichte rund um Cäsar und Cleopatra erzählt.
Um für die passende Optik zu sorgen, hat Paris Mexis nicht nur wunderschöne zeitgemäße Kostüme entworfen, sondern vor allem ein gewaltiges Bühnenbild. Ein Bühnenbild, das so opulent ist, dass für den Transport fünf Sattelschlepper nötig waren. Ein Bühnenbild, das sich für nahezu jede Szene ändert. So sehen wir einen Palast in Ägypten, eine Statue des Gottes Anubis, eine Wüstenlandschaft mit Pyramiden, einen Kerker und festliche Räumlichkeiten innerhalb des Palastes. In Verbindung mit dem stimmungsvollen Lichtdesign von Stella Kaltsou entstehen so viele wunderbare und geradezu monumentale Szenenbilder, die allein schon einen Besuch dieser Oper wert sind.
George Petrou versteht es, in seiner Inszenierung die dramatische Spannung zu steigern und komödiantische Momente gekonnt dosiert einzustreuen. Doch Petrou ist nicht nur Regisseur, sondern auch der Musikalische Leiter dieser Oper – noch dazu ein leidenschaftlicher Händelianer. Unter seiner Leitung wird das rund 30-köpfige Göttinger Festspielorchester zu einem vollwertigen Akteur im Drama, spielt geschlossen, eloquent sowie dehnbar und stellt die Feinheiten der Partitur heraus.
Als durchweg stark bezeichnet werden darf auch die Besetzung. Allen voran begeistert Yuriy Mynenko in der Titelrolle. Er stattet Giulio Cesare mit einem beeindruckenden Countertenor aus und überzeugt in den Koloraturen genauso wie in den tiefen Lagen. Gesanglich bewegt sich Mynenko nie in der Komfortzone, sondern geht Wagnisse ein, die er alle mit genauso schillernd schlanker wie robuster Stimme meistert.
Sophie Junker steht ihm als Cleopatra in nichts nach. Sie gibt eine leidenschaftliche Liebhaberin und verzweifelte Königin und ist diejenige, die Cesare einerseits verführt und ihn andererseits vor Angst zittern lässt. Dabei glänzt Junker mit ihrem dichten und üppigen Sopran in samtigen Höhen und beleuchtet alle Dimensionen ihrer Figur perfekt. Nicholas Tamagna singt Tolomeo mit feinfühligem Countertenor, genauso anspruchsvoll wie extravagant, wobei ihm besonders die virtuosen Koloraturen und die großen Intervallsprünge exzellent gelingen.
Francesca Ascioti stattet ihre Cornelia mit einem profunden Alt aus, Katie Coventry singt als Sesto Pompeo mit jugendlich frischem Sopran und Riccardo Novaro fasziniert als Achilla mit wohlklingendem Bariton, während Artur Janda als Curio und Rafal Tomkiewicz als Nireno die Riege der solistischen Stimmen wunderbar komplettieren. Die stehenden Ovationen und den begeisterten Jubel des Publikums haben sich alle Beteiligten somit ehrlich verdient.
Text: Dominik Lapp