
Klassiker im neuen Glanz: „Grease“ auf Tour
Fans des Kult-Musicals wissen längst: „Grease is the Word!“ Seit seiner Uraufführung 1971 hat sich das Stück von Jim Jacobs und Warren Casey zu einem der beliebtesten Musicals weltweit entwickelt. Spätestens mit der Verfilmung von 1978 wurde „Grease“ zur Legende. Nun bringt Semmel Concerts die Show in einer englischsprachigen Tournee-Produktion nach Deutschland – orientiert am gefeierten West-End-Revival von 2013. Die Inszenierung krankt zwar an den Längen des Buches, ist aber visuell opulent, musikalisch solide und tänzerisch kraftvoll.
Regisseur James Grieve und Bühnenbildner Joris van Veldhoven verorten die Geschichte – ganz dem popkulturellen Ursprung verpflichtet – in einer überdimensionalen Fernsehwelt der Fünfzigerjahre. Die Bühne zeigt ein gigantisches TV-Gerät aus jener Ära, auf dessen Bildschirm Videoeinspielungen, Grafiken oder Leuchtschriften passend zu den Szenen eingeblendet werden. Diese Metaebene verleiht der Inszenierung Witz und macht deutlich: Hier wird nicht Realität abgebildet, sondern ein poppiges Ideal von Jugendkultur gefeiert.
Die eigentliche Spielfläche besteht aus einer dreh- und klappbaren Treppenkonstruktion, die sich blitzschnell in Schulflure, Schlafzimmer oder Drive-in-Kulissen verwandelt. Der Umbau erfolgt nahtlos im Fluss der Inszenierung – eine stimmige Lösung, die mit Licht und knallbunten Kostümen (ebenfalls van Veldhoven) ein visuelles Fest entfaltet. Vom Pink-Ladies-Outfit bis zur Lederjacke ist alles dabei, was das Retro-Herz begehrt.
Im Hintergrund spielt die Band unter der Leitung von Harry Haden Brown. Die Musiker liefern ein druckvolles, präzises Klangbild, das die bekannten Songs wie „Summer Nights“, „We go together“, „You’re the one that I want“ oder das explosive „Greased Lightnin’“ kraftvoll trägt. Die Orchestrierung von Ad van Dijk lässt die Arrangements frisch und tanzbar wirken, ohne zu modernisieren – der authentische Sound bleibt erhalten.

Choreografin Rebecca Howell treibt das Ensemble zu hoher tänzerischer Leistung an. Besonders in den Ensemblenummern zeigt sich das Können des Teams: Synchronität, Ausdruck und Energie sind auf hohem Niveau. Das Ensemble reißt das Publikum förmlich mit.
In den Hauptrollen zeigt sich ein gemischtes Bild. Danny Nattrass ist als Danny Zuko stimmlich stark und spielt den coolen Highschool-Bad-Boy mit der nötigen Portion Charisma. Bei ihm stimmt das Timing, die Körpersprache, der Witz – er trägt die Show mühelos. An seiner Seite bleibt Lottie Power als Sandy seltsam unbeteiligt. Zwar ist sie gesanglich sicher und meistert auch das anspruchsvolle „Hopelessly devoted to you“, doch zwischen ihr und Nattrass entsteht kaum emotionale Spannung. Die berühmte Transformation Sandys vom schüchternen Mädchen zur verführerischen Rebellin bleibt deshalb eher Behauptung als Ereignis.
Ganz anders Rio Maye als Rizzo: Mit starker Bühnenpräsenz, rauchigem Timbre und Tiefgang macht sie ihre Rolle zum Erlebnis. Auch Cal Plant als Kennickie sorgt mit „Greased Lightnin’“ für Begeisterung – eine raumgreifende Performance mit kraftvollem Tanz. In den Nebenrollen überzeugen zudem Elsie Grace Ward als Marty, Emilia Muncey als quirlig-naive Frenchy und Catherine Morris als Miss Lynch, die mit trockenem Humor punktet. Will Jennings bringt als Vince Fontaine und Teen Angel einen Hauch Las-Vegas-Kitsch auf die Bühne.
Die Entscheidung, die Inszenierung komplett auf Englisch zu präsentieren, ist grundsätzlich nachvollziehbar – zumal der Originalsound Teil des Konzepts ist. Jedoch erschweren die unterschiedlichen britischen Akzente das akustische Verständnis. Zwar helfen die deutschen Zusammenfassungen auf Monitoren neben der Bühne, doch wer kein Englisch versteht, verliert zwangsläufig einiges vom Charme der Dialoge, die zudem stellenweise etwas langatmig sind.
Nichtsdestotrotz: Diese „Grease“-Tour ist ein Klassiker im neuen Glanz – ein farbenfrohes, musikalisch wie visuell starkes Spektakel. Die Show feiert den Zeitgeist der Fifties, ohne ihn ironisch zu brechen, und ist ein Erlebnis für Fans, aber auch für jene, die sehen wollen, was Rock’n’Roll im Jahr 2025 noch kann.
Text: Dominik Lapp