Episch: „The World of Hans Zimmer“ auf Tour
Hans Zimmer kann in einer Minute ausdrücken, woran andere ein Jahr schreiben. Das sagt die Filmregisseurin Nancy Meyers in der Videoeinspielung, die über die LED-Wand in der mit 9.000 Menschen gefüllten Arena in Düsseldorf flimmert. Und sie trifft mit ihrer Aussage den Nagel auf den Kopf, wie bei dem insgesamt dreistündigen Konzertprogramm mit dem Titel „The World of Hans Zimmer“ mehrfach deutlich wird.
Der deutsche Komponist Hans Zimmer ist unser Mann in Hollywood, komponierte dort die Musik für mehr als 150 Filme und gilt wohl zu Recht als musikalisches Genie. Er ist bekannt für seine epischen, druckvoll dröhnenden Scores, die einem nahezu das Blut in den Adern gefrieren lassen. Doch auch die leiseren, schwelgerischen Töne beherrscht der Maestro der Filmmusik perfekt, wie sich in der für das Konzert getroffenen Songauswahl wunderbar zeigt. Und bei der Masse an Soundtracks dürfte es nicht einfach gewesen sein, ein Konzertprogramm zusammenzustellen, das einen möglichst breiten Querschnitt durch Zimmers Schaffen bietet und gleichzeitig die Erwartungen der Besucher erfüllt.
Doch die Songauswahl ist äußerst gelungen und der Konzertabend absolut rund. Musik und Licht, Musiker und Chor, Filmausschnitte und Effekte, Liedfolge und Inszenierung sind so perfekt aufeinander abgestimmt, dass niemals Langeweile aufkommt. In Videoeinspielungen zwischen den einzelnen Filmblöcken kommen außerdem Zimmer selbst und einige seiner Kollegen immer wieder zu Wort, um Anekdoten zu erzählen und durch das Schaffen des Komponisten zu führen.
Anders als bei Hans Zimmers Live-Tournee 2016 (die 2021 wiederholt wird), bei der der Sound auf eine Band und elektronische Klänge ausgerichtet war, wird die Musik bei „The World of Hans Zimmer“ erstmals im Arrangement für großes Orchester präsentiert. Und auch wenn der Großmeister nicht selbst am Dirigentenpult steht, so obliegt das Dirigat niemand Geringerem als Gavin Greenaway, Zimmers Soundtrack-Dirigenten, dem er nach eigener Aussage mehr vertraut als sich selbst. Die erstklassigen Arrangements der Konzertsuiten aber stammen vom Tonschöpfer selbst, der auch die gezeigten Filmsequenzen selber ausgesucht haben soll.
Während des gesamten Abends liegt der Fokus auf dem weißrussischen Bolschoi-Orchester, dessen rund 80 Musiker auf acht beleuchteten Podesten verteilt sitzen. Auf einem weiteren Podest finden die namhaften Instrumentalsolisten wie der Flötist Pedro Eustache Platz, und vor der riesigen LED-Wand sitzen insgesamt fünf Percussionisten und Schlagwerker, die für den nötigen Wumms sorgen, den es in nahezu jedem Zimmer-Song braucht.
Die LED-Wand, auf der immer wieder Filmausschnitte und Einspielvideos von Hans Zimmer und seinen Gästen zu sehen sind, erweist sich ebenfalls als echter Hingucker – besteht sie doch aus sieben unterschiedlich großen Einzelteilen, die auch einzeln angesteuert und sogar bewegt werden können, um zum Beispiel den Blick auf den hinter den Wandteilen platzierten Chor freizugeben. Und wer ganz genau hinsieht, wird über der Bühne Scheinwerfer entdecken, die die Initialen HZ formen.
Alles ist auf Hans Zimmer und seine Musik ausgerichtet und miteinander verzahnt. Hier wurde kein einfaches Konzertprogramm zusammengestrickt, sondern eine äußerst stimmige und beachtenswerte Inszenierung geschaffen, bei der viele Elemente ein Gesamtkunstwerk bilden und wo viele Zahnräder eine große Maschinerie zum Laufen bringen.
Ein wahres Klanggewitter zieht direkt zu Beginn des Konzerts auf, wenn das Orchester die Musik aus „The Dark Knight“ spielt und dabei die Häuserschluchten von Gotham City zu sehen sind. Weiter geht es mit epochalen Klängen zu „King Arthur“, wo die Musiker viele Spannungsbögen in dem dramaturgisch abwechslungsreichen Score aufzeigen. Das orchestrale Meisterwerk bietet ein bedrohlich-düsteres Klangbild, durchzogen von keltischer Folklore.
Bei „Mission Impossible II“ dominieren zunächst Flamenco-Klänge, die von einer durchdringenden E-Gitarre abgelöst werden, bis schließlich die wunderbare Musik aus „Pearl Harbor“ erklingt. Mag Hans Zimmer, der nie ein Musikstudium absolvierte, auch nicht als klassischer Komponist, sondern vielmehr als Klangtüftler gelten, so hat er gerade bei „Pearl Harbor“ beeindruckend unter Beweis gestellt, dass er nicht nur den Bombastklang beherrscht. Auch harmonischere Töne liegen ihm, was sich ganz besonders in den ausladenden emotionalen Streicherpassagen zeigt, die für Gänsehaut sorgen.
Mit der Musik zum Film „Rush“ geht es temporeich weiter, gefolgt von einer 20-minütigen Suite aus „The Da Vinci Code“, die einen weiteren Höhepunkt an dem Abend bildet. Hierbei überzeugt nicht nur das Orchester in seiner Gesamtheit, sondern auch Rusanda Panfili an der Violine und Tina Guo am Cello. Für die perfekten sakralen Töne sorgt der starke Chor und der klare Sopran von Gan-ya Ben-gur Akselrod, während gewaltige Kirchenfenster und Tom Hanks als Professor Langdon auf der LED-Wand erscheinen und die Arena in düstere Rot- und Blautöne getaucht wird.
Mit der Musik aus dem Animationsfilm „Madagascar“ wird das Publikum aus der Pause zurückgeholt in die „World of Hans Zimmer“. Es folgt die mitreißende Musik aus dem Zeichentrickfilm „Spirit“, bei der Streicher mit Bläsern und Schlagwerkern zu einer mächtigen Einheit verschmelzen, bis Pedro Eustache die Nummer aus „Kung Fu Panda“ auf der Original-Flöte spielt, mit der er bereits den Soundtrack eingespielt hat.
Mit der wohl eher unbekannteren, aber deshalb nicht weniger schönen Musik aus dem Film „Liebe braucht keine Ferien“ (Originaltitel: „The Holiday“) erklingen wie schon bei „Pearl Harbor“ romantische Töne, die zunächst von Klavier (Eliane Correa) und Gitarre (Amir John Haddad) dominiert werden, bis letztendlich auch die Streicher und die wunderbare Lucy Landymore am Schlagzeug einsetzen dürfen.
Beim „Hannibal“-Theme überzeugt abermals die Solistin Tina Guo am Cello, wohingegen Pedro Eustache bei der darauffolgenden „Lion King“-Suite mit seinem Flötensolo für Emotionen sorgt, bis auch der Chor und Luis Ribeiro am ethnischen Schlagwerk dazukommen und mit dem Orchester die unvergleichlich schöne Musik aus dem Disney-Film geradezu in die Arena schmettern.
Als würdiges Finale für den zweiten Teil des Konzerts wurde eine Suite aus „Gladiator“ arrangiert, die absolut kolossal klingt. Der volltönende Gesang von Lisa Gerrard bildet dabei den Höhepunkt. Mit der beliebten Nummer „Time“ aus dem Film „Inception“ und einer Suite aus „Fluch der Karibik“ endet das Konzert nach rund drei Stunden und entlässt ein euphorisch applaudierendes und jubelndes Publikum in die Nacht.
Text: Dominik Lapp