Kolossales Klanggewitter: „Hans Zimmer Live“ auf Tour
Er ist unser Mann in Hollywood: Hans Zimmer. Mehrfach ist der gebürtige Frankfurter von der Schule geflogen, hatte laut eigenen Angaben als Kind nur eine Woche Klavierunterricht und nie eine akademische Musikausbildung durchlaufen. Und doch gilt er als einer der erfolgreichsten Filmmusik-Komponisten weltweit. Jetzt ist er mit Orchester und Band erneut auf großer Europa-Tournee, die ihn für 30 Konzerte in 16 Ländern führt. Beim Tour-Auftakt in Hamburg begeistert er rund 8.000 Menschen.
Erfreulich ist, dass sich die Setlist in diesem Jahr vom Programm seiner ersten Live-Tour und auch vom Programm des Konzertformats „The World of Hans Zimmer“ (das zwar von Zimmer konzipiert wurde, bei dem er jedoch nicht selbst auftritt) teilweise unterscheidet. So sind dieses Jahr erstmals Titel aus aktuellen Kinofilmen wie „Dune“ und „No Time to die“ dabei. Ganze 15 Monaten haben Zimmer und sein Team an den Arrangements gearbeitet und die einzelnen Titel aus seinen Soundtracks zu zwölf neuen Konzertsuiten arrangiert.
Mit 130 Band-, Orchester- und Crewmitgliedern ist „Hans Zimmer Live“ die erste Arena-Produktion dieser Größenordnung, die seit Beginn der Corona-Pandemie wieder international tourt – und diese Produktion kann sich nicht nur hören, sondern auch sehen lassen. Für das Produktionsdesign zeichnen Top-Kreative unter anderem vom New Yorker Broadway verantwortlich: Derek McLane („Moulin Rouge“) schuf das Setdesign, Peter Nigrini („MJ – The Musical“) zeichnet für das Videodesign verantwortlich, John Featherstone entwickelte das Lichtdesign und Barry Lather choreografierte einige Nummern für die acht Tänzerinnen und Tänzer, darunter sogar eine Vertikaltuchakrobatin.
Schon zu Beginn wird es emotional, denn Hans Zimmer dankt dem Publikum, dass es den Mut hat, sein Konzert in Pandemie-Zeiten zu besuchen. Und es gibt schon direkt zu Beginn stehende Ovationen, als Zimmer sein vor 858 Tagen für diese Tournee gebuchtes Orchester vorstellt – das (aufgrund des Krieges nicht vollständige) Odessa Opera Orchestra aus der Ukraine, das durch befreundete Musikerinnen und Musiker unterstützt wird, die das Orchester vervollständigen und damit ein Zeichen für Solidarität, Freundschaft und Frieden setzen.
Nach einem geradezu epischen Start mit Musik aus dem letztjährigen Kino-Blockbuster „Dune“ setzt Hans Zimmer ein Zeichen für die Frauen: „Die Helden für mich sind im Moment die Frauen in der Ukraine und Frauen überhaupt. Zur Ehre aller Damen spielen wir deshalb Wonder Woman.“ Schnell zeigt sich, dass Zimmer das Genre der Filmmusik-Konzerte grundlegend umgekrempelt hat. Hier dirigiert kein Maestro ein Orchester, es flimmern keine Filmausschnitte auf einer Leinwand. Vielmehr agiert Hans Zimmer als Bandleader und Moderator sowie als Musiker, wenn er mehrfach selbst zur E-Gitarre greift, sich ans Klavier setzt oder hinter dem Keyboard steht.
Zwischen den musikalischen Suiten, die meistens um die zehn Minuten dauern, erzählt die Hollywood-Legende Anekdoten und geht ein wenig auf Tuchfühlung mit seinem Publikum. Er gibt sich nahbar und lässt trotz der riesigen Location eine wohlige Atmosphäre entstehen, als würde man einem guten alten Freund zuhören. Das liegt auch an dem empathischen Miteinander auf der Bühne. Denn Hans Zimmer hat sich viele Freundinnen und Freunde als Bandmitglieder eingeladen, mit denen er zum Teil seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Darunter sind Größen wie Sängerin Lisa Gerrard, Cellistin Tina Guo oder Flötist Pedro Eustache, die bereits mit „The World of Hans Zimmer“ tourten.
In jeder der musikalischen Suiten wird deutlich, dass hier nicht nur musikalisch Erstklassiges geboten wird, sondern die gesamte Inszenierung exzellent funktioniert. Jeder Ton, jede Lichteinstellung, jeder Effekt, jede Video-Einblendung ist punktgenau aufeinander abgestimmt. Sogar die Lichttraversen tanzen über der Bühne eine Choreografie, nehmen immer neue Positionen ein, bilden mal Wellen und dann wieder Kreuze.
Musikalisch bietet Hans Zimmer in drei Stunden ein kolossales Klanggewitter, bei dem es vor allem laut und krawallig zugeht. Hier unterscheidet sich das Konzertformat „Hans Zimmer Live“ ganz enorm von „The World of Hans Zimmer“. Während bei Letzterem der Fokus auf symphonischem Orchesterklang lag, stehen bei der aktuellen Tour harte Rock- und laute Elektrotöne im Vordergrund. Neben den bereits erwähnten Suiten aus „Wonder Woman“, „Dune“ und „No Time to die“ sind unter anderem noch Filme wie „Gladiator“, „The Last Samurai“, „Pirates of the Caribbean“, „The Lion King“, „Rango“, „The Dark Knight“ und „Inception“ musikalisch vertreten – und alle Nummern werden vom Publikum, das soundtechnisch förmlich in die Sitze gedrückt wird, frenetisch gefeiert.
Text: Dominik Lapp