Musical mit Lokalkolorit: „Herz aus Gold“ in Augsburg
Dem ersten Global Player und einst reichsten Mann der Welt wurde 2018 in Augsburg ein Musical gewidmet, das jetzt seine Wiederaufnahme feierte: In „Herz aus Gold“ (Musik: Stephan Kanyar, Libretto: Andreas Hillger) steht das Leben des Augsburger Handelsherrn und Bankiers Jakob Fugger im Mittelpunkt des Geschehens. Dass das Musical mit ordentlich Lokalkolorit auf der Freilichtbühne am Roten Tor funktioniert, ist vor allem der stringenten Inszenierung von Holger Hauer, einer starken Darstellerriege und der eingängigen Musik von Stephan Kanyar zu verdanken.
Optisch macht das „Augsburgical“ ebenfalls etwas her, denn die Freilichtbühne mit ihrer historischen Wallanlage, Bastion und Aquädukt allein ist schon sehenswert. Bühnenbildner Karel Spanhak hat das historische Gemäuer passend um eine Drehbühne, die den Blick auf Fuggers Arbeitszimmer freigibt und eine große Treppe aus überdimensionalen Goldmünzen erweitert. Ebenso hat Kostümbildner Sven Bindseil schöne Roben und Gewänder geschaffen, die gerade in den Massenszenen wunderbar zur Geltung kommen und es dem Publikum erleichtern, 500 Jahre in die Vergangenheit zu reisen.
In einer Mischung aus historischen Fakten, Dichtung und Lovestory erzählt Buchautor Andreas Hillger das Leben eines Mannes, der in einer Zeit, in der nach christlicher Vorstellung Zinsgeschäfte als Todsünde galten, etwas Visionäres geschaffen hat. Jakob Fugger baute mit der Fuggerei die älteste Sozialsiedlung der Welt und war neben den italienischen Medici der erste Bürger, der auf der Schwelle zur Neuzeit seine Träume von Reichtum, Glanz und Glorie umzusetzen wagte und damit den globalen Kapitalismus begründete.
Eigentlich gibt das Leben Fuggers genug her für ein abendfüllendes Musical. Weil ein Musical aber im Schubladendenken unserer Gesellschaft gern mit einer Liebesgeschichte gleichgesetzt wird, hat auch Hillger einen solchen Handlungsstrang eingebunden und geht damit auf Nummer sicher. Interessanter und spannender wäre allerdings gewesen, einmal aus gewohnten Konventionen auszubrechen, etwas Neues zu wagen und auf die fiktive Liebesgeschichte zu verzichten. Immerhin: Fugger gelingt es nicht, seine große Liebe Sybilla für sich zu gewinnen – stattdessen heiratet er ihre gleichnamige Tochter, um in den Grafenstand erhoben zu werden.
Die Inszenierung von Holger Hauer ist stringent und temporeich, bietet fließende Szenenübergänge und wunderschöne Bilder. Insbesondere die Personenführung ist Hauer sehr gut gelungen. Ob es nun die Liebeleien zwischen Jakob und der älteren Sybilla oder die Fehde zwischen Fugger und seinem Konkurrenten Welser sind – da knistert es, wo es knistern muss, da kracht es, wo es krachen muss. Vor allem aber wird die jeweilige Motivation der Charaktere immer deutlich und der Regisseur schafft es, den buchbedingt eher eindimensionalen Rollen eine ordentliche Kontur zu verleihen.
Insbesondere Fugger wird als charismatischer Mann mit Ecken und Kanten dargestellt, der aber durchaus seine besonnenen Momente hat. Chris Murray vermag diesen facettenreichen Charakter perfekt darzustellen. Er scheint sich durch und durch mit seiner Rolle zu identifizieren und schafft es, Fuggers beachtlichen Wandel vom kleinen Augsburger Kaufmann zum weltweit erfolgreichen Handelsherrn zu vollziehen. Murray ruft zahlreiche Gefühlsebenen auf, gibt seinen Fugger mal schwärmerisch und selbstvergessen, mal visionär und umsichtig. Mal ist er aufbrausend, dann wieder ganz ruhevoll.
Auch gesanglich ist Chris Murray wie gewohnt erstklassig. Er macht sich jede gesungene Note zu eigen und schmettert ein Solo nach dem anderen ins Auditorium, wofür er nicht nur einmal mit starkem Szenenapplaus bedacht wird. Es ist ein Genuss für die Ohren, wenn sich sein Gesang von piano zu forte steigert, er mit volltönender Stimme emotional richtig aufdreht und seine Soli mit lang ausgehaltenen Schlusstönen beendet.
Doch Katja Berg als ältere Sybilla steht ihm in nichts nach. Sie hat nicht viele Auftritte, kostet ihre Bühnenzeit aber mit starker Bühnenpräsenz und einer kontrastreichen Stimme voll aus. Ihre Sybilla ist hin- und hergerissen zwischen ihrem Ehemann und Fugger, bleibt nach dem Tod ihres Gatten jedoch hart und Witwe. Schauspielerisch gelingt ihr das äußerst authentisch. In den Duetten mit Chris Murray harmoniert Bergs strahlender Sopran ganz hervorragend mit Murrays prägnantem Tenor, solo singt sie sich die Seele aus dem Leib und reißt das Publikum einmal mehr zu Begeisterungsstürmen hin.
In der Rolle des Welser ist Alexander Franzen ein ebenbürtiger Gegenspieler für Chris Murrays Fugger. Franzen singt mit sonorer Stimme und hinterlässt schauspielerisch einen starken Eindruck. Das Zusammenspiel mit Murray gelingt so gut, dass sich ihre gemeinsamen Szenen als kleine Höhepunkte erweisen.
Eine wunderbar jugendliche Sybilla gelingt Katharina Wollmann mit solidem Schauspiel und Gesang, während Elke Kottmair als Barbara Fugger, Gerhard Werlitz als Ulrich Fugger und Erik Völker als Georg Fugger genauso rollendeckend wie sympathisch agieren und Oliver Marc Gilfert als Martin Luther makellos singt.
Die geradlinige Inszenierung wird zeitweise durch die ausgeklügelte Choreografie von Ricardo Fernando aufgelockert, wodurch eine schöne Dynamik im Handlungsfluss entsteht. Das Musicalensemble und die Ballettkompanie des Augsburger Theaters setzen die Schrittfolgen exakt um und liefern als personifizierte Schachfiguren eine starke Szene.
Stephan Kanyar hat für „Herz aus Gold“ einen abwechslungsreichen Score komponiert, der aus schönen Popballaden, romantischen Duette, großen symphonischen Klängen und ausladenden Chornummern besteht. Eine Besonderheit ist in diesem Jahr, dass der Komponist höchstpersönlich am Dirigentenpult steht und die Augsburger Philharmoniker mit seinem präzisen und flotten Dirigat durch den Abend leitet.
Was Kanyar und sein Librettist Andreas Hillger erdachten und von Regisseur Holger Hauer und Choreograf Ricardo Fernando geformt wurde, ist ein kurzweiliges, unterhaltsames Musiktheaterstück, das man nicht nur mit dem Gefühl verlässt, gut unterhalten worden zu sein, sondern aus dem man sogar noch etwas Wissen über Fugger mitnimmt – ohne das Gefühl zu haben, mit dem Zeigefinger wie im verstaubten Geschichtsunterricht belehrt worden zu sein.
Text: Dominik Lapp