Herzerwärmend: „Ho Ho Ho – Wer rettet Weihnachten?“ in Meppen
Die Hamburger Komponistin Sarah Kurze, die in Meppen aufgewachsen ist, hatte sich ein hehres Ziel gesetzt: Ein Weihnachtsmusical schreiben für ihre Heimatstadt, das nach der Weltpremiere in der emsländischen Kreisstadt möglichst noch viele weitere Bühnen in der Bundesrepublik erobern soll. Was sich nach der Uraufführungsserie mit drei ausverkauften Vorstellungen und einer nahezu ausverkauften Zusatzvorstellung zeigt, ist das riesige Potenzial, das „Ho Ho Ho – Wer rettet Weihnachten?“ besitzt, um künftig wirklich und hoffentlich an weiteren Bühnen aufgeführt zu werden.
Schon vor Beginn der eigentlichen Vorstellung, die mit einer Dauer von einer Stunde die perfekte Länge für ein Kinderstück hat, können die Kleinsten im Publikum etwas vor dem roten Vorhang, links und rechts der Bühne, entdecken. Es wird gerätselt, ob der halbfertige Schneemann am rechten Bühnenrand wohl noch einen Kopf mit der traditionellen Rübennase bekommt. In der Mitte der Bühne steht ein kleines Fernsehgerät, links stehen zwei Tannen und ein Schlitten im Schnee, davor sind Geschenke aufgetürmt. Als sich dann der Vorhang öffnet, gibt er den Blick frei auf das liebevoll und detailreich gestaltete Bühnenbild von Jana und Pascal Kurze. Wir sehen eine wunderschöne Winterlandschaft am Nordpol mit Tannenbäumen, dem Schlitten des Weihnachtsmanns und dessen Haus mit grünkarierter Tapete, Kamin und einem gemütlichen Sessel.
Was jederzeit spürbar ist: Dieses Musical wurde von einer Frau geschrieben, die selbst Mutter ist und ganz genau weiß, worauf es ankommt. Viel zu oft wirkt Kindertheater – egal ob Musik- oder Sprechtheater – wie mit der heißen Nadel gestrickt. Viel zu oft wirkt Kindertheater furchtbar billig produziert. Viel zu oft meinen Autorinnen und Autoren, Produzentinnen und Produzenten offenbar, dass man Kindern guten Gewissens billigst produzierte Theaterstücke vorsetzen kann.
In dem Genre des Kindertheaters steckt enorm viel Potenzial, damit lässt sich Geld verdienen – und es gibt noch viel zu wenig davon. Das sieht man in den zahlreichen ausverkauften Kinderproduktionen landauf und landab. Gerade zur Weihnachtszeit sind die Familienproduktionen in den Stadt- und Staatstheatern brechend voll.
Was aber ist bei „Ho Ho Ho“ nun anders? Ganz einfach: Man merkt diesem Stück an, dass die Autorin und ihr Co-Autor Kinder als Publikum vollkommen ernst nehmen. Von der ersten bis zur letzten Minute strahlt das Stück die Liebe und das Herzblut aus, womit es geschrieben und produziert wurde. Logisch, Sarah Kurze hätte ja sich selbst verraten, hätte sie ein Stück geschrieben, das sie nicht besten Gewissens ihren eigenen Kindern präsentieren kann.
Bei Kurze laufen alle Fäden zusammen: Sie hatte die Idee zum Stück, hat die Geschichte erdacht, die Musik komponiert, Regie geführt und steht auch noch selbst im Ensemble auf der Bühne. Ihr zur Seite steht mit Wolfgang Kohne ein fabelhafter Co-Autor, der nicht nur die herzerwärmenden Songtexte geschrieben hat, sondern auch noch als Weihnachtsmann die Hauptrolle übernimmt. Die Musik von Sarah Kurze ist ein gelungener Stilmix aus Pop, Rap und Kinderliedern. Stimmige Ensemblenummern wechseln sich hier ab mit eingängigen Balladen – und die Kinder im Publikum freuen sich über eine Mitmachnummer.
Interaktion wird in der Inszenierung großgeschrieben, ständig durchbrechen die Mitwirkenden die vierte Wand. Da kommt es auch schon mal vor, dass Frau und Tochter des Weihnachtsmanns inmitten des Publikums ein Duett singen. Santa Claus selbst ist es später, der sich aus dem Auditorium zwei Kandidaten für seine Castingshow aussucht, um einen Nachfolger für seinen Job zu finden. Das ist geniales Mitmachtheater, das immer wieder für Gelächter und strahlende Gesichter sorgt. Musicalerfahrene Menschen im Theatersaal freuen sich außerdem über eine Anspielung zum Musical „Wicked“, wenn Frau Claus ihre Zauberkugel mit den Worten „Elekenamennamen“ der Hexe Elphaba beschwört, um in ihr sehen zu können, wohin der Weihnachtsmann gerade unterwegs ist.
Gesegnet ist die Produktion außerdem mit einer durchweg überzeugenden Riege an Mitwirkenden. Wolfgang Kohne gibt einen überzeugenden Weihnachtsmann, leicht schusselig und verpeilt, aber eine wohlige Wärme ausstrahlend. Mit dem weißen Bart und dem dunkelroten Kostüm wirkt er wirklich wie der amerikanische Santa Claus. Seine tiefe sonore Stimme und die immer wieder eingeworfenen Ho-Ho-Hos vervollständigen das glaubwürdige Bild des Weihnachtsmanns.
An seiner Seite spielen und singen sich Marina Billek als Frau Claus und Wiebke Billek als Tochter Sammy in die Herzen des Publikums. Mit glockenklaren Stimmen und authentischem Schauspiel lassen sie keinen Zweifel daran, perfekt besetzt zu sein. Heimlicher Publikumsliebling ist aber eine Handpuppe: Das Schaf Lilo, das sich für einen Schneehasen hält, erweckt Heike Wösten wundervoll zum Leben. Komplettiert wird das Ensemble durch Birgit Meiners, Katharina Bueren, Sarah Kurze und Florian Janssen als stimmstarke Nordpolbewohner – und sogar als Rentiere.
Abgerundet werden die Szenen durch eine Kinderschar, die unter der Leitung von Antje Burai dynamische Choreografien einstudiert hat und großartige Identifikationsfiguren für die Kinder im Publikum darstellt. Wenn der Weihnachtsmann bei der Zugabe noch einmal dazu animiert, mitzutanzen und mitzusingen, spätestens dann dürfte sich bei allen ein wohliges Weihnachtsgefühl einstellen. Bleibt nur noch zu hoffen, dass in Zukunft möglichst viele Intendantinnen und Intendanten „Ho Ho Ho – Wer rettet Weihnachten?“ in der Adventszeit auf den Spielplan setzen. Es wäre verdient.
Text: Dominik Lapp