Mit dem Zeug zum Spielzeit-Hit: „Im weißen Rössl“ in Osnabrück
„Im weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür“ – ebenso am Theater Osnabrück, wo jetzt mit „Im weißen Rössl“ von Ralph Bernatzky (Musik) und Robert Gilbert (Liedtexte) eine Perle des Operettengenres Premiere feierte und eine heile Welt bietet. Auf die Bühne gebracht wurde diese heile Welt von Tobias Bonn, bekannt als eine Hälfte der Geschwister Pfister, der mit dem Werk bestens vertraut ist, weil er darin 1994 in Berlin selbst die Rolle des Zahlkellners Leopold gespielt hat.
Mitreißende, von Jazz inspirierte Klänge, witzig gezeichnete Charaktere und eine herrliche sprachliche Finesse prägen diese Operette auch in Osnabrück. Hier kann man sich berauschen lassen und erkennen, warum „Im weißen Rössl“ zu den am häufigsten aufgeführten Musiktheaterstücken zählt. Regisseur Tobias Bonn versteht sich bestens darauf, die skurrile und lustige Handlung mit Tempo voranzutreiben, so dass Witz und Ironie exzellent zur Geltung kommen. Dabei lässt er Berliner und Österreicher aufeinanderprallen, genauso wie Liebespaare, die sich erst noch finden müssen.
Es ist keineswegs eine altbackene Inszenierung, die am Theater Osnabrück gezeigt wird, sondern eine schwungvolle Interpretation, was auch ein Verdienst von Dominik Büttner ist, der eine wunderbare Choreografie entwickelt hat. Hier ist nichts brav oder bieder, sondern frech und schräg – und das kommt beim Publikum richtig gut an.
Als wahre Augenweide erweisen sich das Bühnenbild und die Kostüme von Okarina Peter und Timo Dentler, die schon zahlreiche Musicals, Opern und in der vergangenen Spielzeit auch Felix Seilers gelungene Inszenierung der Operette „Die Zirkusprinzessin“ an der Staatsoper Hannover ausgestattet haben. Für das „Rössl“ haben sie nun ein überdimensionales weißes Ross inmitten einer typischen Salzkammergut-Landschaft mit Bergen, Bäumen und Wolfgangsee erschaffen – das alles zusammen bildet die hölzerne Bretterfassade des Hotels „Weißes Rössl“. Umrandet ist das Bühnenbild von zahlreichen Glühlampen, die in verschiedenen Farben leuchten und für Show-Atmosphäre sorgen. Das typisch österreichische Lokalkolorit versprühen die traditionellen und farbenfrohen Kostüme.
Ein glückliches Händchen wurde bei der Besetzung der Rollen bewiesen, da man einerseits auf Mitglieder des Hausensembles und andererseits auf Musicals-Studierende des Osnabrücker Instituts für Musik zurückgegriffen hat. Jan Friedrich Eggers zeichnet ein herrliches Rollenporträt als genauso absurder wie charmanter und höchst unterhaltsamer Zahlkellner Leopold, dem gesanglich alles locker durch die Kehle kommt. Susann Vent-Wunderlich überzeugt als eine von Liebesnöten gezeichnete Rössl-Wirtin Josepha mit Biss und zarten Sopranhöhen.
Auch das übrige Personal kann sich sehen und hören lassen: Für größte Erheiterung sorgt Dirk Audehm in der Rolle des übellaunigen Berliner Fabrikanten Giesecke, Pascal Schmid mimt einen witzig-liebenswerten Piccolo, Susanna Edelmann gibt eine zartbittere Ottilie und Annemarie Purkert ein wunderbar liebeswütiges Klärchen. Dem Rechtsanwalt Siedler verleiht Manuel Karadeniz ein starkes Sunnyboy-Profil, Daniel Preis wirft sich leidenschaftlich in die Rolle des Sigismund und Mark Hamman agiert als Professor Hinzelmann wie gewohnt rollendeckend. Eine besondere Erwähnung als Stubenmädchen, Melkerinnen und Kellnerinnen verdienen außerdem Amani El Sadek, Salyma Chatty und Natalie Patricia Friedrich sowie der wie immer von Sierd Quarré solide einstudierte Chor.
Das fabelhafte Osnabrücker Symphonieorchester spielt unter der Leitung von Daniel Inbal mit viel Sinn für Bernatzkys jazzig-schwelgerischen Klang, versteht sich aber auch auf Tempowechsel und Kontraste. So verspricht dieses rundum gelungene „Rössl“ einen riesengroßen Spaß und hat das Zeug zum Spielzeit-Hit.
Text: Dominik Lapp