Phasenweise blutleer: „Jack the Ripper“ in Merzig
Ein Mann treibt um das Jahr 1885 im nebligen und von Straßenlaternen düster ausgeleuchteten London sein Unwesen. Auf diese Story scheint man im Zeltpalast Merzig nun im dritten Jahr in Folge zu setzen. Denn diese Inhaltswiedergabe trifft sowohl auf das Stück „Jekyll & Hyde“ zu, das die letzten beiden Jahre in einer Open-Air-Fassung zu sehen war, als auch auf das diesjährige Musical „Jack the Ripper“. Das neueste Musical aus der Feder von Frank Nimsgern (Musik) und Reinhardt Friese (Buch und Songtexte) feierte seine Uraufführung im Herbst 2022 am Theater Hof und führt nun für eine Woche in die saarländische Heimat des Komponisten.
Das Musical orientiert sich an den kargen Fakten um die Morde an Frauen, die man dem Serienmörder Jack the Ripper zurechnet. Spannende Kriminalermittlungen und überraschende Wendungen sollte man jedoch nicht erwarten, denn die Handlung verläuft recht linear.
Auf einer Seite steht die Londoner Polizei mit dem ermittelnden Inspector Abberline (Leon van Leeuwenberg), Chief Warren (Darius Merstein) und Hanks (Martin Lemar), auf der anderen Seite die Frauen aus dem Rotlichtmilieu und Opfer des Rippers, unter anderen Mary Jane Kelly (Terja Diava) und Elizabeth (Aino Laos). Zwischen den Ermittlungen der einen und den Sorgen der anderen springt die Handlung hin und her und überschneidet sich nicht zuletzt, da Abberline und Mary Jane Gefallen aneinander finden. Die Charaktere bleiben jedoch allesamt buchbedingt sehr blass und es fällt schwer, einen Zugang zu finden und Handlungsschritte nachzuvollziehen. Die Ermittler untereinander scheinen austauschbar ebenso wie die Prostituierten, wenn auch Terja Diava als Mary Anne noch am charakterstärksten heraussticht, vielleicht aber auch, weil sie am längsten am Leben bleibt.
In diesem Musical scheint maßgeblich die Musik im Vordergrund zu stehen – und die ist abwechslungsreich: mal rockig, mal jazzig, mal Samba-Rhythmen, mal tragende Balladenklänge. Schade jedoch, dass es nicht gelungen ist, neben der Musik auch die anderen wesentlichen Elemente eines Musicals wie Gesang, Tanz und Schauspiel gleichberechtigt herauszuarbeiten.
Die CD von „Jack the Ripper“ rangierte als Neuerscheinung des letzten Jahres ganz oben. Vom Ohrwurm-Charakter ist in Merzig wenig übriggeblieben, denn die Stimmen der Künstlerinnen und Künstler wirken dünn und kraftlos im Verhältnis zur Musik, was an der unausgeglichenen Tonabmischung liegt. Ironischerweise bleibt als eine der wenigen Textzeilen „Raus hier“ hängen, welches zum Ende des Stücks unerträglich oft wiederkehrt. Selbst die von Dieter Hallervorden eingesprochenen Passagen, die der Handlungsorientierung dienen, sind teilweise unverständlich. Einzige Ausnahme bildet hier Jannik Harneit, der in seinen drei Rollen als Prince, Elephant Man und Jude Kosminski je einen Song schmettern darf und den Kampf mit Musik und Tonqualität erfolgreich bewältigt.
Absolut atmosphärisch kann das Bühnenbild von Herbert Buckmüller überzeugen, das allerdings von Hof nach Merzig etwas geschrumpft zu sein scheint. Kopfsteinpflaster, Straßenlaternen und Häuserfassaden, die sich in neue Räume verwandeln, werden stets ins rechte Licht getaucht und schaffen eine realistische Umgebung.
„Jack the Ripper“ hat in London Angst und Schrecken verbreitet und wandelt im Musical mit seinem Messer mehrfach über die Bühne. In Anbetracht des blutrünstigen Namens wirkt das Musical unterm Strich jedoch aufgrund der Schwächen in Buch, Ton und Schauspiel phasenweise recht blutleer.
Text: Nathalie Kroj