Puristisch und passioniert: „Jesus Christ Superstar“ in St. Wendel
Beim Ziel, das saarländische St. Wendel als Musicalstadt zu etablieren, wird Passion gleich in doppelter Hinsicht auf die Bühne gebracht. Nach einem eher intimen Start mit dem Drei-Personen-Kammerstück „King Kong“ ist Produzent und Regisseur Michael Ewig nun der Wechsel auf die größere Bühne der lokalen Veranstaltungsstätte gelungen, wo bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr „Jesus Christ Superstar“ aufgeführt wird.
Neben dem vergrößerten Aufführungsort ist auch das Ensemble mit circa 50 beteiligten Darstellerinnen und Darstellern aus der Region deutlich angewachsen. Ebenfalls ist eine fünfköpfige Band unter der Leitung von Harald Bleimehl engagiert, um der Rockoper aus der Feder des Komponisten Andrew Lloyd Webber zum richtigen Sound zu verhelfen.
Da das Stück, das die letzten Tage im Leben von Jesus Christus erzählt, durchkomponiert ist und somit ohne reine Sprechszenen auskommt, liegt der Fokus auf der Musik mit starken Rock- und Popeinflüssen, die sehr gelungen von einer Band dargeboten werden. In St. Wendel wirkt es vor allem im ersten Akt so, dass die sich die aneinanderreihenden Songtitel mit den Texten von Tim Rice wie als einzelne Bilder darstellen. Ein Lied stellt eine Momentaufnahme im Leben des Gottessohns dar, statt Übergängen gibt es jeweils Bühnenblackout zur nächsten Szene.
Dies begünstigt einerseits ein hohes Tempo des Stückes, lässt jedoch auch manchen schnellen Szenenwechsel beispielsweise zu „Pilatus‘ Traum“ aufgrund des spartanischen Bühnenbildes und der damit fehlenden Möglichkeit der räumlichen Einordnung, sehr hart wirken. Die Bühnenausstattung fällt puristisch aus und besteht aus wenigen schwarzen Podesten, Tischen für die Abendmahlszene und einer überraschend cleveren Lösung für die Kreuzigungsszene. Für die Gesamtinszenierung stellt das fehlende Bühnenbild aber nicht zwangsläufig einen Negativkritikpunkt dar.
Die Bühne wird gefüllt von ambitionierten Hauptdarstellern, einem Gesang-, Schauspiel- und Tanzensemble sowie seitlich von einem unterstützenden Extrachor. Damit schart Jesus, dargestellt von Dennis Klein, eine beeindruckende Anhängerschaft um sich. Klein ist vom ersten Moment an als Jesus deutlich präsent und meistert den beachtlichen Tonumfang der Rolle mit Bravour. Schauspielerisch weiß er vor allem zum Ende hin zu überzeugen und ergibt sich als Jesus seinem Schicksal gleichzeitig zurückhaltend wie intensiv.
Auch den weiteren Mitwirkenden gelingt es ihre zentralen Charaktere nachdrücklich herauszuarbeiten. Michael Ewig gibt den Judas, der mit seinen inneren Konflikten kämpft, Patrick Staub als Pilatus versucht Jesus auf eindringliche Weise eine Brücke als Ausweg zu seinem selbst gewählten Schicksal zu bauen und Christina Finkler als Maria Magdalena sorgt gemeinsam mit David Ohlig als Petrus für eine klangvolle Darbietung des Liedes „Lass uns neu beginnen“.
Ein wirkungsvoller Kontrast der Inszenierung wird durch die Kostüme erzeugt. Während Jesus mit seiner Gemeinschaft und dem Volk Jerusalems in gedeckten Naturtönen und eher authentisch gekleidet ist, treten die Hohepriester mit Anhang in überwiegend schwarzer Kleidung mit Einflüssen aus Rock, Gothic und im Stil eines Zirkuspioniers auf. Dieser Bruch erzeugt einen zeitgenössischen Transfer und sorgt dann auch dafür, dass Judas nicht zu einem Seil greift, um sich zu erhängen, sondern eine Waffe gereicht bekommt.
Dieser Stilbruch könnte sogar noch etwas konsequenter umgesetzt werden. So wird Herodes, dargeboten mit weiblicher Power von Jennifer Sick, von Tänzerinnen in Charleston-Kostümen begleitet. Auch wenn „Herodes‘ Song“ für sich schon überzogen und als Selbstinszenierung angelegt ist und die Charleston-Choreografie abwechslungsreich anzusehen ist, hätte die Inszenierung an dieser Stelle noch mehr Potenzial, einen Bruch in die Moderne zu erzeugen.
„Jesus Christ Superstar“ als Produktion der Stage Tanzschule und Eventlounge St. Wendel ist ein weiterer gelungener Beitrag dazu, Hobbydarstellenden eine Bühne zu bieten und die regionale Kulturlandschaft auf hohem Niveau zu ergänzen.
Text: Nathalie Kroj