"Fluch der Karibik" Foto: BB Promotion / Disney
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Filmmusik im Konzertsaal: „Fluch der Karibik in Concert“ auf Tour

Filmmusik dient nicht bloß als Untermalung eines Films, sondern erzeugt Emotionen und Spannung. Damit wird die Musik zum zentralen Element im Film und erfreut sich auch jenseits der Lichtspielhäuser immer größerer Beliebtheit, gerade auch bei jungen Menschen. Kein Wunder also, dass immer mehr Konzertveranstalter versuchen, diese Nische im Eventbereich zu schließen, indem große Orchester auf Tournee geschickt werden, um bekannte Filmmelodien zu interpretieren.

Solche Konzertformate gab es in der Vergangenheit unter anderem schon zu Filmen wie “Star Wars“ und “Herr der Ringe“. Aktuell sind gleich zwei Orchester – das Deutsche Filmorchester Babelsberg und die Münchner Philharmoniker – in Deutschland und Österreich unterwegs, um die Musik aus Disneys “Fluch der Karibik“ in die Konzertsäle zu bringen. Es ist eine gute Möglichkeit, um auch die Zielgruppe zu locken, die normalerweise keine klassischen Konzerte besucht.

Doch was bei “Star Wars“ und “Herr der Ringe“ gut funktionierte, weil der Fokus auf dem jeweiligen Orchester lag, geht im Fall von “Fluch der Karibik“ nicht ganz auf. Hier nämlich stiehlt der Film dem Orchester die Show, was angesichts der recht hohen Eintrittspreise von bis zu 80 Euro ärgerlich ist. Während bei üblichen Filmmusik-Konzerten lediglich das Orchester aufspielt und zur visuellen Unterstützung auch schon mal eine Auswahl der schönsten Filmszenen – wie 2010 bei “Star Wars“ in Hamburg – über eine riesige Leinwand flimmert, präsentieren die Macher des “Fluch der Karibik“-Konzerts den kompletten Film.

Was dem Publikum geboten wird, ist also mehr Kinovorstellung mit Live-Orchester als Konzert. Dadurch erhält der Konzertabend ungewollte Längen. Gezeigt wird der neun Jahre alte Film in voller Länge in englischer Sprache mit deutschen Untertiteln in miserabler Tonqualität und ohne den aus dem Kino bekannten Dolby-Surround-Sound.

So geraten das 80-köpfige Orchester und der 12-köpfige Chor schnell zur Nebensache, die Blicke etlicher Zuschauer haften nur auf der Leinwand. Vor allem, wenn das bekannte Hauptmotiv gespielt wird, wandern die Blicke zwar immer mal wieder ins Orchester, doch letztendlich kann das Publikum den Musikern nicht die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdient haben. Einige Zuschauer sind sichtlich damit beschäftigt, dem Film zu folgen und gegebenenfalls auch noch die Untertitel zu lesen. In der besuchten Vorstellung im Kuppelsaal Hannover gibt es im Rang ohnehin auch noch erhebliche Sichtprobleme, weil Pfeiler die Sicht auf Orchester und Leinwand versperren.

Die Musik, die Klaus Badelt und Hans Zimmer für “Fluch der Karibik“ geschrieben haben, ist unglaublich stark und bietet eine sehr große Stilvielfalt. Wer sich gefreut hat, in dem Konzert die Musik mit ihren verschiedenen Tempi vollends genießen zu können, dürfte schwer enttäuscht sein. Das Geschehen auf der Leinwand lenkt nicht nur ab; auch die Dialoge und Nebengeräusche – vor allem bei den Kämpfen – stören das Live-Musikerlebnis erheblich. Das Orchester klingt in dem Klang-Wirrwarr reichlich gedämpft.

Die volle Kraft aller 80 Musiker entfaltet sich ärgerlicherweise erst im Abspann des Films. Es ist der Moment, in dem das Orchester endlich im Mittelpunkt steht, wo sich ein unglaublich voluminöser und heroischer Klangteppich im Saal ausbreitet und für Gänsehautstimmung sorgt. Es ist der Moment, in dem das Kopfkino einsetzt und man die jeweilige Szene des Films direkt im Kopf hat und der Musik zuordnen kann. Es ist der Moment, in dem einem bewusst wird, wie schön das ganze Konzert hätte sein können, wenn sich die Veranstalter entschlossen hätten, das Orchester lediglich die Filmmusik von “Fluch der Karibik“ spielen zu lassen, statt den kompletten Film zu zeigen. Umso erfreulicher, dass die Abspannmusik als Zugabe noch ein weiteres Mal dargeboten wird. Insgesamt ist “Fluch der Karibik – Disney live in Concert“ jedoch aufgrund der Umsetzung ein entbehrliches Konzertformat, so gut Musik und Orchester auch sind. Der Griff ins CD-Regal ist hier eine gute und wesentlich günstigere Alternative.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".