Hochgenuss: „La Traviata“ in Osnabrück
Das Publikum in Osnabrück lechzt. Es lechzt nach „La Traviata“ von Giuseppe Verdi. Das zeigte sich schon daran, dass die öffentliche Probe einen ungeahnt hohen Andrang erlebte und bereits vor der Premiere viele Vorstellungen der Oper nahezu ausverkauft waren. Die Inszenierung von Matthias Oldag am Theater Osnabrück erweist sich tatsächlich als Glanzstück – musikalisch wie szenisch.
In der letzten Spielzeit hat Oldag in Osnabrück eine mit großen Bildern ausgestattete „Gräfin Mariza“ inszeniert. Mit „La Traviata“ beweist er jetzt, dass er sich genauso auf puristisches Kammerspiel versteht. Das Bühnenbild von Darko Petrovic besteht im Grunde nur aus einer erhöhten quadratisch-schrägen Spielfläche, die sich um die eigene Achse drehen kann und durch einzelne Möbelstücke und Requisiten ergänzt wird. In Petrovics Kostümbild spiegeln sich die Farben Schwarz, Rot und Weiß wider – alles sieht sehr hochwertig und ästhetisch aus.
Regisseur Matthias Oldag lässt seinen Solistinnen und Solisten viel Platz zur Entfaltung in einem Kammerspiel zwischen Violetta, Alfredo und dessen Vater Giorgio. Dabei überzeugt besonders die fantastische Sophia Theodorides, die in Osnabrück bereits die Titelrolle in „Lucia di Lammermoor“ sang und damit das Publikum begeisterte. Auch als Violetta schöpft die Sopranistin wieder aus dem Vollen. Mit großer Hingabe spielt und singt sie die Todkranke und unglücklich Liebende, brilliert bei den Koloraturen, spürt den musikalischen Linien konzentriert nach und erreicht im letzten Akt eine mitreißende Intensität. Ihre Violetta hat alles, was diese Rolle benötigt – von dramatischen Ausbrüchen bis zu höchsten Tönen.
Mit Durchschlagskraft in den Spitzentönen, aber auch mit lyrischem Schmelz vermag James Edgar Knight als Alfredo zu begeistern und exzellent mit Theodorides zu harmonieren. Ein gelungenes Porträt der Vaterfigur zeichnet Rhys Jenkins als Giorgio mit vokaler Kraft. Olga Privalova lässt als Flora ihren geschmeidigen Mezzosopran strahlen, während Daniel Preis (Gastone), Jan Friedrich Eggers (Douphol), Susanna Edelmann (Annina) und Mikolaj Bonkowski (Dr. Grenvil) ebenfalls gesanglich gefallen. Zudem ist der Chor von Sierd Quarré wieder einmal exzellent einstudiert worden.
Die Oper von Verdi aus dem Jahr 1853 brach damals mit Konventionen, indem sie ein zeitgenössisches Thema behandelt, anstatt eine der üblichen historisch fernen Geschichten. Interessanterweise bleibt die tragische Geschichte einer Frau, die ihre Liebe opfert, um das Ansehen der Familie ihres Geliebten zu wahren, zeitlos und aktuell, was wohl auch die anhaltende Beliebtheit von „La Traviata“ erklärt.
Zum Erfolg dieses Werks trägt aber auch die Musik bei. Daniel Inbal am Dirigentenpult ist sich der kraftvollen Wirkung der Partitur bewusst, versteht die Feinheiten in Dynamik und Tempo und weiß, wie man das Osnabrücker Symphonieorchester herzzerreißend zum Glänzen bringt. Ein Hochgenuss!
Text: Dominik Lapp