„Lebe wohl, mein Krakau“ in Osnabrück (Foto: Uwe Lewandowski)
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Einzigartig: „Lebe wohl, mein Krakau“ in Osnabrück

Die melancholische und zugleich mitreißende Musik des Klezmers findet in der Kapelle des Hasefriedhofs in Osnabrück eine bewegende Bühne. Der ehemalige, unter Denkmalschutz stehende Friedhof im Stadtteil Sonnenhügel bietet die perfekte Kulisse für das Musiktheaterstück „Lebe wohl, mein Krakau“ („Blayb gezunt mir, Kroke“), das im Rahmen des polnischen UWAGA-Festivals des Theaters Osnabrück aufgeführt wird.

Christian von Götz hatte nicht nur die Idee zu diesem außergewöhnlichen Stück, sondern hat es auch, basierend auf Texten und Liedern von Mordechai Gebirtig, geschrieben, inszeniert und ausgestattet. Mit dem rund 75-minütigen Werk, das in der kleinen Kapelle vor weniger als 100 Menschen aufgeführt wird, liefert von Götz einen genauso mitreißenden wie betrübten Abend.

In der Rolle des Mordechai Gebirtig beeindruckt Bert Oberdorfer mit einer tief emotionalen Darstellung. Susanna Edelmann als Mame, Kathrin Brauer als Awreml und Francesca Mai als Mädchen ergänzen das Ensemble mit ebenso einfühlsamen wie authentischen und sehr stimmstarken Darbietungen. Vor allem Mai gelingt eine bedrückend glaubwürdige Visualisierung des Mädchens – schauspielerisch und tänzerisch. Gesanglich bleibt insbesondere Susanna Edelmann positiv im Gedächtnis.

Besonders hervorzuheben ist auch die eindrucksvolle musikalische Begleitung (Leitung: An-Hoon Song) durch Marian Ghisa an der Klarinette, Savo Čovičkovič am Akkordeon und Markus Uttenreuther am Schlagzeug. Sie verstehen es, die Seele der Klezmer-Musik zu transportieren und das Publikum in die wehmütige und zugleich lebensfrohe Welt dieser Musik mitzunehmen.

Christian von Götz, der für Idee, Inszenierung und Ausstattung verantwortlich zeichnet, gelingt es, 16 ausgewählte jiddische Lieder von Mordechai Gebirtig zu einem stimmigen und aufwühlenden Musiktheaterabend zu verweben und so das Interesse an dem jiddischen Dichter zu wecken, der eigentlich Tischler war und auf dem Weg zum Bahnhof, von wo er ins Vernichtungslager Belzec gebracht werden sollte, von deutschen Besatzungssoldaten auf offener Straße erschossen wurde.

Die Darstellung innerer Konflikte und Vorahnungen sind in der Inszenierung besonders beeindruckend. In der zauberhaften und gleichzeitig bedrückenden Atmosphäre der Kapelle hat der Regisseur das wirklich stark in Szene gesetzt. „Lebe wohl, mein Krakau“ ist eine gelungene Hommage an einen großen Volkskünstler, dessen Lieder von Sehnsucht und Freude, Wut und Melancholie erzählen. Dieser Abend stimmt nachdenklich, reißt mit und verdeutlicht die Kraft der Musik als Ausdruck menschlicher Gefühle und Schicksale. Einzigartig!

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".