Magdeburg „Les Misérables“, Foto: Nilz Böhme
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Großartige Bilder: „Les Misérables“ in Magdeburg

Endlich zurück. Nachdem für deutsche Theater die Aufführungsrechte in den letzten Jahren gesperrt waren, ist „Les Misérables“ jetzt exklusiv in Magdeburg zu sehen. Das Theater spielt das Musical von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg unter freiem Himmel auf dem Magdeburger Domplatz. Und was dort allein optisch geboten wird, ist selbst die weiteste Reise wert. Die Inszenierung von Gil Mehmert, die durchaus als Geniestreich bezeichnet werden darf, sollte niemand verpassen.

Das Herzstück der Inszenierung ist das mächtig beeindruckende Bühnenbild von Jens Kilian, ein halbrunder Holzaufbau, der auf mehreren Ebenen bespielt werden kann. Dadurch, dass die Konstruktion auf Schienen steht, können zwei Einzelteile des Bühnenbildes zudem aus dem Ganzen gelöst und neu positioniert werden, um dann zum Beispiel den Blick auf das Zimmer von Fantine oder das ABC-Café der Studenten freizugeben. Während des Prologs werden große Transparente von der obersten Etage des Holzgerüsts abgerollt, die einen Steinbruch zeigen.

Ein besonders großartiges Bild gelingt zum Finale des ersten Akts, wenn bei „Morgen schon“ eine überdimensionale französische Flagge zwischen zwei Bühnenteilen aufgehängt wird und durch rückwärtige Scheinwerfer der Schatten der Aufständischen auf die Stoffbahn fällt. All dies geschieht vor dem mächtigen Magdeburger Dom, der die Szenen optisch noch weiter aufwertet. Damit das Publikum weiß, in welcher Stadt und in welchem Jahr wir uns befinden, hängen außerdem Holztafeln im Bühnenbild, die Ort und Jahreszahl anzeigen.

Die Szenerie wird perfekt ergänzt durch die zeitgemäßen und optisch sehr ansprechenden Kostüme von Dagmar Morell. Seien es nun die Polizeiuniformen, die farbenfrohen Kleider der Prostituierte oder die ausladenden Ballkleider bei der Hochzeit von Cosette und Marius – wie beim Bühnenbild, wurde auch bei den Kostümen nicht gespart.

Gil Mehmert beweist mit seiner Inszenierung, dass er ein gutes Händchen für Personenregie hat. Ob nun die Sterbeszenen von Fantine und Eponine, die Szenen der Studenten oder der geniale Einfall, den verwundeten Marius während seines Solos „Dunkles Schweigen an den Tischen“ noch einmal die Namen der verstorbenen Freunde nennen zu lassen – Mehmert versteht es, einem Stück, das schon so zahlreich inszeniert wurde, behutsam und dennoch deutlich seinen persönlichen Stempel aufzudrücken. Auch die Möglichkeiten einer Freilichtaufführung nutzt der Regisseur sehr gut, indem er beispielsweise während der Barrikadenkämpfe einen Soldaten auf einem Pferd auftreten lässt.

Doch die besten Regieanweisungen und die tollste Ausstattung wären nichts ohne die passenden Protagonisten. Thomas Borchert, der die Rolle des Jean Valjean bereits 1998 in Duisburg spielte und der von sich selbst sagt, dass er nun erst im richtigen Alter für die Rolle sei, liefert eine beachtliche Leistung ab. Die Wandlung vom Sträfling, über den Bürgermeister, bis hin zum sorgenden Vater gelingt ihm authentisch. Auch gesanglich lässt er nichts zu wünschen übrig, schlägt im Prolog und bei „Wer bin ich?“ expressive Töne an, während er sein „Bring ihn heim“ hingegen mit warmer und samtweicher Stimme intoniert, was das Publikum mit starkem Applaus und Jubel honoriert.

Markus Liske ist als Javert ein guter Gegenspieler Valjeans, auch wenn er immer ein wenig in Borcherts Schatten steht, was vor allem beim Duett zwischen Javert und Valjean deutlich wird. Seine zwei großen Momente, das Solo „Stern“ und den Selbstmord Javerts, nutzt er dafür umso besser und überzeugt mit seiner volltönenden Stimme.

Die stärksten Leistungen des Abends liefern aber Bettina Mönch als Fantine und Christina Patten als Eponine ab. Gerade Mönch, die bislang vornehmlich komödiantische Rollen gespielt hat, überrascht mit ihrer dramatisch-authentischen Interpretation einer Verfemten. Ihre kurzen Auftritte nutzt sie vollends, um mächtig Eindruck zu hinterlassen. Ihr emotional mit starker Stimme dargebotenes „Ich hab geträumt vor langer Zeit“ ist ein Höhepunkt des Abends. Und auch Christina Patten überzeugt durch ihr ehrliches Spiel und ihre starke Stimme. Für die Interpretation ihres Solos „Nur für mich“ wird sie zu Recht mit lautstarkem Szenenapplaus bedacht.

Auch Teresa Sedlmair glänzt mit ihrem klassischen Sopran, obgleich sie buchbedingt schauspielerisch nicht viel von sich zeigen kann. Ebenfalls perfekt besetzt sind Oliver Arno und Marc Lamberty als Marius und Enjolras, die schauspielerisch wie stimmlich nicht enttäuschen. Mit „Dunkles Schweigen an den Tischen“ gelingt Arno dank seiner gefühlvollen Stimme ein wunderschöner musikalischer Moment. Die Riege der dramatischen Rollen wird ergänzt durch das Ehepaar Thénardier, rollendeckend und mit komödiantischem Talent gespielt von Peter Wittig und Gabriele Stoppel-Bachmann. Schauspielerisch stark ist auch Sandra Pangl als Gavroche, der in Magdeburg nicht mit einem Kind besetzt wurde.

Last but not least ist es das Orchester unter der Leitung von Pawel Poplawski, das den Musicalabend perfekt werden lässt. Poplawski führt seine Musiker zu Höchstleistungen an und leitet sie mit Bravour durch die anspruchsvolle Partitur. Insgesamt also eine mehr als gelungene Produktion von „Les Misérables“ auf dem Magdeburger Domplatz, die dank ihrer gewaltigen Ausstattung und den wundervollen Bildern sicher einzigartig bleiben wird.

Text: Dominik Lapp

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Dominik Lapp ist ausgebildeter Journalist und schreibt nicht nur für kulturfeder.de, sondern auch für andere Medien wie Lokalzeitungen und Magazine. Er führte Regie bei den Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" und "Luther" sowie bei einer Workshop-Produktion des Musicals "Schimmelreiter". Darüber hinaus schuf er die Musical-Talk-Konzertreihe "Auf ein Wort" und Streaming-Konzerte wie "In Love with Musical", "Musical meets Christmas" und "Musical Songbook".