Großer Klamauk: „Liebe, Mord und Adelspflichten“ in Detmold
Der Adel ist tot – es lebe der Adel. Darum geht es mehr oder weniger in dem Musical „A Gentleman’s Guide to Love and Murder“, das jetzt unter dem Titel „Liebe, Mord und Adelspflichten“ am Landestheater Detmold seine deutschsprachige Erstaufführung erlebte – in einer klamaukigen Inszenierung von Götz Hellriegel.
Die Uraufführung des Stücks war im Jahr 2012. Im Detmolder Programmheft heißt es dazu: „Mittlerweile hat sich die Welt weitergedreht, und es gibt neue, wichtige Diskussionen auch darüber, was Humor und Satire dürfen. Obwohl wir uns der guten Intentionen des Stückes sicher sind, haben wir vorsichtige Kürzungen vorgenommen, wo wir denken, dass sie aus heutiger Sicht nötig sind.“
Ein Theater beschneidet sich also selbst. Angesichts der Kunstfreiheit, einem mit am stärksten geschützten Grundrecht, eine mehr als fragliche Entscheidung. Doch weil das Stück noch nie zuvor in Deutschland aufgeführt wurde und wohl nur die wenigsten Menschen die Uraufführungsproduktion kennen, bleibt es dem Publikum natürlich verborgen, was nun genau gekürzt wurde. Das, was auf der Bühne geboten wird, ist jedoch immer noch ein herrlicher Klamauk, eine klassische Tür-auf-Tür-zu-Komödie mit viel schwarzem Humor.
Basierend auf dem Roman von Roy Horniman, der schon in dem Film „Adel verpflichtet“ verarbeitet wurde, erzählt das Musical von Robert L. Freedman (Buch und Songtexte) und Steven Lutvak (Musik und Songtexte) die Geschichte des verarmten Monty Navarro, der herausfindet, dass er der vornehmen Familie D‘Ysquith angehört und Lord werden könnte – würde es nicht acht Erben vor ihm geben, die logischerweise alle verschwinden müssen.
Götz Hellriegels Inszenierung ist ein Training für die Bauchmuskeln, zeichnet er die Charaktere doch wieder einmal – das verstand er schon bei „Der kleine Horrorladen“ und „Guys and Dolls“ sehr gut – als wunderbare Karikaturen, die sich in einer sehenswerten Ausstattung bewegen. Sowohl das Bühnenbild von Jan Freese als auch die Kostüme von Valerie Hirschmann spiegeln exzellent die Edwardianische Ära wider und lassen das Publikum eintauchen in das Jahr 1909. Hellriegel reißt mit seiner Inszenierung einerseits Schranken nieder und zeigt andererseits den Wahn, unbedingt aufsteigen zu wollen.
Zwar ist es nicht lustig zu sterben, doch dem Stück gelingt es, äußerst komische Todesarten zu finden. Hierbei spielt ein vom Publikum völlig zu Recht gefeierter Darsteller nicht nur eine große Rolle, sondern gleich mehrere Rollen. Denn Randy Diamond spielt alle Mitglieder der Familie D’Ysquith, wechselt dabei immer wieder das Geschlecht und ist am Ende immer wieder – tot. Ganz fantastisch legt Diamond jede einzelne seiner Rollen an, kitzelt immer wieder neue Nuancen aus den Charakteren heraus und liefert damit eine schauspielerische Meisterleistung nach der anderen.
Einen smarten Monty Navarro mimt Tobias Bieri, der seine Rolle vollends verinnerlicht hat. Bieri ist einerseits der für Gerechtigkeit kämpfende, strahlende Held, andererseits aber alles andere als strahlend. Er ist genauso Protagonist wie Antagonist – und wohl niemand im Publikum kann dem Mörder gewisse sympathische Züge absprechen. Auch gesanglich ist Tobias Bieri jederzeit auf der Höhe und setzt viele stimmliche Glanzpunkte.
Ein starkes Frauentrio geben Brigitte Bauma als Miss Shingle, Veronika Hörmann als Montys Jugendliebe Sibella Hallward und Annina Olivia Battaglia als Montys Verlobte Phoebe D’Ysquith ab. Sowohl schauspielerisch als auch gesanglich lassen die drei Darstellerinnen nichts zu wünschen übrig. Einen ebenso fantastischen Job macht das Symphonische Orchester des Landestheaters Detmold unter der Leitung von Mathias Mönius. Mit Temperament dirigiert Mönius seine Musikerinnen und Musiker durch die Partitur von Steven Lutvak.
Und zum Schluss? Da gibt es lang anhaltenden Applaus für die gelungene deutschsprachige Erstaufführung dieser kurzweiligen Musical-Boulevardkomödie. Einziger Wermutstropfen ist die nicht immer gegebene Textverständlichkeit, wenn das Orchester zu laut über den Gesang schmettert. Aber daran lässt sich bekanntlich noch arbeiten.
Text: Dominik Lapp